Deutscher Konzern liefert Wirkstoff für Todesspritzen in die USA

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US-Henkern gehen die Wirkstoffe für die Todesspritzen aus. Amerikanische Hersteller haben die Produktion eingestellt, EU-Firmen liefern ebenfalls nicht mehr. Nun soll das Narkosemittel Propofol zum Einsatz kommen – produziert durch einen Konzern aus Deutschland.

Galgen, Fallbeile und Daumenschrauben haben den Code eins, Elektroschocker die zwei. In der Kategorie drei finden sich Chemikalien. Zur vier gehören Barbiturate, das sind Mittel, die zur Narkose eingesetzt werden – und missbraucht werden können.

Feinsäuberlich sortiert zählt EU-Dokument Nummer 1352/2005, die Anti-Folter-Verordnung, die Produkte auf, die nur noch unter strengen Auflagen exportiert werden dürfen. Es sind Produkte, die zur Vollstreckung der Todesstrafe, zur Folter oder anderen grausamen Behandlungen verwendet werden könnten. Die betroffenen Pharmahersteller dürfen ihre Medikamente seitdem nur noch verkaufen, wenn sie nachweisen können, dass ihre Präparate tatsächlich für medizinische Zwecke benutzt werden – und nicht etwa in Todeszellen.

Fresenius liefert Narkosemittel in die USA

Seit Dezember 2011 ist die erneuerte Fassung der Liste in Kraft. Und sie hat Erfolg: Henkern in den USA ist das Gift für ihre Hinrichtungsspritzen ausgegangen. Weder das Narkosemittel Thiopental-Natrium noch das ebenfalls eingesetzte Pentobarbital können aus Europa bezogen werden. Der einzige US-Hersteller hatte im Herbst 2011 bereits wegen der wachsenden Proteste die Produktion eingestellt. Seitdem wurden Hinrichtungen immer wieder verschoben.

Doch im US-Bundesland Missouri plant man den Umstieg: Die Strafvollzugsbehörde will nach eigenem Bekunden das Narkosemittel Propofol verwenden. Hergestellt wird es durch Fresenius Kabi aus Hessen, eine Tochter des DAX-Konzerns Fresenius. Und das Unternehmen will den Export in die USA nicht einschränken. Propofol wird nach Aussagen des Konzerns als Arzneimittel deklariert, es gäbe darüber hinaus keine besonderen Anforderungen oder Auflagen. Auf der Anti-Folter-Liste der EU steht das Betäubungsmittel bislang nicht.

Versuche von Menschenrechtsorganisationen wie „Reprieve“ aus Großbritannien, Fresenius Kabi zu einem Wechsel in der Geschäftspolitik zu bewegen, verliefen bislang erfolglos. Zuvor hatte die dänische Firma Lundbek, Hersteller von Pentobarbital – das als Alternative zu Thiopental-Natrium herhalten musste – erklärt, die Auslieferung seines Arzneimittels nur mit noch schärferen Auflagen zu ermöglichen. Wer Pentobarbital bestellt, muss zuvor schriftlich bestätigen, dass er dieses einzig für klinische Zwecks verwendet.

Verwendung als Todesgift sei nicht vermeidbar

Bei Fresenius will man davon nichts wissen. Es sei „faktisch nicht machbar“, die Lieferung in die USA so zu steuern, dass verhindert werden kann, dass das Narkosemittel auch für Todesspritzen missbraucht wird, sagt Konzernsprecher Matthias Link.

Eingesetzt wird Propofol in Krankenhäusern und Arztpraxen. „Wir beliefern keine Gefängnisse oder Strafvollzugsbehörden“, sagt Link. Versendet werde das Narkosemittel an über tausend Großhändler im Land, die Größenordnung liege pro Tag dreimal höher als die anderer Präparate im Jahr. Schon daher sei es nicht möglich, durch noch stärkere Lieferkontrollen zu verhindern, dass das Narkosemittel auch durch Gefängnisse eingekauft würde, um dort für Hinrichtungsspritzen verwendet zu werden. „Wir möchten, dass Propofol nur für medizinische Zwecke eingesetzt wird.“

Produziert wird Propofol an mehreren Standorten in der EU, sagt Konzernsprecher Link. Exportiert werde es weltweit, auch in die USA. Rund 50 Millionen Mal kommt es dort durchschnittlich pro Jahr bei Operationen zum Einsatz, wegen „seiner guten medizinischen Eigenschaften und seines positiven Sicherheitsprofils“, wie Link erklärt.

EU prüft Propofol-Ausfuhr

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In die Schlagzeilen gelangte Propofol 2011, eine Überdosis des Mittels soll den Tod Michael Jacksons verursacht haben. Tatsächlich bescheinigen Anästhesisten dem Narkosemittel gute Verträglichkeit, auch können mit dem Wirkstoff Narkosen über einen langen Zeitraum durchgeführt werden – die Patienten sind dennoch nach dem Eingriff schnell wieder wach.

Die EU-Kommission überarbeitet aktuell die Anti-Folter-Verordnung. „Wir hoffen auf eine Neufassung im nächsten Jahr. Aber noch kann ich nicht sagen, ob es gerechtfertigt sein wird, Propofol auf die Liste zu setzen oder nicht. Man muss erst sehen, ob es tatsächlich für Hinrichtungen benutzt wird“, erklärte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.

Quellen: GettyImages/Der Spiegel vom 15.06.2012

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