Syrien: Alles vorbei?

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Die Nachrichtenlage wird spärlicher. Das Fernsehen sendet kaum noch die bekannten verwackelten Handy-Videos, mit denen die deutsche Öffentlichkeit in der Hochphase des innersyrischen Konfliktes in Atem gehalten und für die Opposition eingestimmt wurde. Auch die Artikel der Zeitungen werden weniger in der Häufigkeit des Erscheinens und im Umfang. Das bedeutet aber nicht, dass die Gefahr einer Invasion und des Wiederaufflammens der Kämpfe gebannt ist.

Aber es scheint, dass die innersyrische Opposition nach dem Referendum und den Wahlen in der Defensive ist und sich das Regime um Assad stabilisiert und damit die innenpolitische Lage. Interessant an der Berichterstattung der letzten Wochen ist die Berichterstattung über die Bombenanschläge, die Kommentierung der Wahlen durch die westlichen Medien und die Auseinandersetzungen um die UN-Beobachter-Truppe. Auf diese drei Themen soll hier eingegangen werden.

Die Bombenanschläge

Es ist festzustellen, dass mit dem Niedergang der militärischen Stärke der innersyrischen Opposition die Bombenanschläge zunahmen (FAZ 2.5.12: Sprengstoffanschläge in Syrien nehmen zu; FAZ 10.5: Dutzende Tote bei Doppelanschlag in Damaskus; Luxemburger Wort 10.5: Totentanz am Abgrund des Krieges). Das ist eine Erscheinung, die häufig in militärisch ausgetragenen Konflikten festzustellen ist, wenn die kollektiven, organisierten Kräfte nicht ausreichen zur Veränderung der Kräfteverhältnisse. Ist die Niederlage absehbar und nicht aufzuhalten, versuchen oftmals Kräfte, die sich mit der Niederlage nicht abfinden können, durch Akte individuellen Terrors das Blatt noch einmal zu wenden.

Anstatt also den organisierten Rückzug anzutreten, die eigenen Kräfte neu zu organisieren und die Ursachen der Niederlage zu analysieren, wie es beispielsweise der Vietcong als Guerilla-Armee nach der gescheiterten Tet-Offensive (1968/69) gemacht hatte, versuchen solche Kräfte in individuellem Heldentum eine Situation zu ändern, die stärkere und organisierte Verbände nicht hatten bewältigen können. Das führt zu sinnlosen Opfern und einem weiteren Absinken des Ansehens dieser Kräfte in der Bevölkerung.

Hatten bisher die westlichen Medien umfangreich über die Kriegsführung der regulären Armee mit ihren Zerstörungen und Verlusten in der Bevölkerung berichtet, wobei sich die Berichte in erster Linie auf die Angaben der Opposition stützten, so zeigt man sich in der Berichterstattung über die Bombenanschläge sehr zurückhaltend. Auch hier waren viele Opfer unter der Zivilbevölkerung zu beklagen, die Berichterstattung in den deutschen Medien beherrschte sie aber nicht in dem Maße wie zuvor die Opfer der Kriegshandlungen.

Während laut FAZ Regierungskräfte und Opposition sich gegenseitig als Urheber der Terrorakte bezichtigen, fragt das Luxemburger Wort (11.5.) anlässlich des Bombenanschlags auf ein Gebäude des Geheimdienstes, weshalb „das Regime in Damaskus die für die Bekämpfung des Aufstandes so wichtigen Unterdrückungsorgane selbst attackieren sollte“? Diesen Widerspruch „konnte die Opposition nicht erklären“, so das LW in derselben Ausgabe.

Auf diesen Widerspruch weist aber auch die FAZ nicht hin, obwohl ihr mit Sicherheit die Nachrichten von denselben Presseagenturen zur Verfügung gestellt werden wie dem Luxemburger Wort. Die FAZ geht diesen Fragen nicht nach. Sehr schnell werden von ihr Gruppen präsentiert, die in der Nähe zu Al-Kaida angesiedelt werden. Der Wahrheitsgehalt solcher Behauptungen wird nicht überprüft und lässt sich auch kaum überprüfen auf Grund der vielen Unklarheiten um Al-Kaida. In ihrer Ausgabe vom 19.5. untermauert die FAZ die Al-Kaida-Theorie mit den Worten von Ban Ki-Moon, der behauptet, „Al-Kaida habe sich in die Revolte in Syrien eingemischt“. Aber auch die FAZ kommt nicht umhin festzustellen, dass bisher niemand Beweise hat vorgelegen können für diese Theorien.

Offensichtlich gibt man sich aber alle Mühe, die Opposition aus den Spekulationen herauszuhalten. Ihre eventuelle Verstrickung in solche Terrorakte würde das Bild zum Einsturz bringen, dass die Opposition die Interessen des syrischen Volkes vertritt, während die Regierung selbst aber Krieg führt gegen das eigene Volk. Würde man sich unglaubwürdig machen, den Regierungskräften die Beteiligung zu unterstellen, ohne sie nachweisen zu können, so muss eine dritte Kraft als Buhmann aus dem Hut gezaubert werden. Und wer bietet sich da besser an als das Universal-Schreckgespenst Al-Kaida?

Kommentierung der Wahlen

Das Luxemburger Wort bewertet die Wahlen in seiner Ausgabe vom 8.5. als eine „gut organisierte Wahlfarce in Syrien“. Die Opposition hatte zum Boykott der Wahlen aufgerufen. Die FAZ vom 8.5. teilte Einzelheiten zur Wahl mit, die aufgrund des Referendums vom Februar abgehalten worden war, und stützt sich dabei auf Angaben der syrischen Behörden. Danach standen für 250 Parlamentssitze 7195 Kandidaten zur Wahl. „Erstmals nahmen auch mehrere Parteien im früheren Ein-Parteien-Staat teil“(FAZ 8.5.). Auch die vom Luxemburger Wort als oppositionell, wenn auch nicht als systemkritisch bezeichnete „Volksfront für Wandel und Befreiung“ war zugelassen. Laut Luxemburger Wort vom 8.5. durften 200 Journalisten aus Arabien und Europa vorort über die Wahlen berichten. Auch die Tagesschau führte vor den Wahllokalen Interviews durch und stellte fest, dass sich niemand kritisch zu der Wahl und den Zuständen in Syrien äußerte. Man gab aber gleich dem deutschen Nachrichtenkonsumenten die Erklärung mit, dass die Befragten sich wohl nicht kritisch zu äußern wagten.

Am 16.5. meldete nun die FAZ in einer kleinen Notiz, dass nach Angaben der Regierung 51% der Wahlberechtigten an der Abstimmung teilgenommen haben sollen und das trotz der Kampfhandlungen und des Aufrufes der Opposition zum Wahlboykott. Die Opposition spricht von nur 20%, ohne Anhaltspunkte für die Verlässlichkeit dieser Zahl zu geben. Eine Stellungnahme der an den Wahlen als Beobachter beteiligten Journalisten wird aber nicht mitgeteilt. Die Frage ist, ob es keine gab oder ob sie nicht veröffentlicht wurde.

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Am 20.5. hatten in Serbien Wahlen stattgefunden mit einer Beteiligung von 45%, worin man keine Farce sah. Die Wahlen NRW kamen mit 60% auch kaum über die syrischen Zahlen hinaus, obwohl in NRW kein Krieg herrscht. Jedoch war die Zahl der Parteien wesentlich geringer. Und ganz zu schweigen vom Musterland der Demokratie, den USA, wo sich die Wahlbeteiligung trotz Friedens auf etwa demselben Niveau bewegt wie in Syrien, die Zahl der Parteien ist geringer und die der Kandidaten auch. Im Gegensatz zu den USA muss man aber in Syrien nicht über eine Wahlkasse in Milliardenhöhe verfügen, um überhaupt Aussichten zu haben auf Erfolg.

Nun gut, könnte man sagen, die Vergleiche hinken, handelt es sich doch bei den letzten Beispielen um Demokratien, was nach Ansicht solcher Demokraten auf Syrien nicht zutrifft. Jedoch hatten diese lupenreinen Demokraten kein Problem damit, die Wahlen in Afghanistan im Jahre 2009 trotz massiver Fälschungen, trotz Kriegshandlungen und trotz einer Wahlbeteiligung von nur 40-50% anzuerkennen. Der für die Stichwahl nötige zweite Wahlgang fand überhaupt nicht statt, weil der Gegenkandidat wegen der Wahlfälschungen des ersten Wahlgangs seine Beteiligung abgesagt hatte. Karsai wurde Präsident und niemand nahm Anstoß daran von denen, die die Wahl in Syrien als Farce bezeichnen.

Auseinandersetzungen um die UN-Beobachter-Truppe

Den beiden vorher behandelten Themen kommt nur eine indirekte Bedeutung bei der Beilegung des Syrienkonfliktes zu, da die innersyrische Opposition nicht mehr die Kraft zu haben scheint, die Regierung Assad zu bedrohen. Bedeutsamer sind die Vorbereitungen einer Invasion außersyrischer Kräfte mit gleichzeitiger Unterstützung und Bewaffnung der restlichen Kämpfer im Land. Es gibt Hinweise, dass diese Invasion von Kräften der Arabischen Liga (Saudi-Arabien, Qatar) und wenigstens bis zur Präsidentschaftswahl in Frankreich auch von diesem und den USA weiterhin betrieben wird. Ob sich unter Hollande daran etwas ändert, kann jetzt noch nicht gesehen werden.

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Wichtigste Voraussetzung für die Invasion ist eine juristische Grundlage. Darauf hatte US-Verteidigungsminister Panetta beim Treffen der „Freunde Syriens“ am 20.4. in Paris hingewiesen. Dem steht aber der Friedensplan von Kofi Annan entgegen, zumal wenn er zum Frieden in Syrien führt. Dann entfallen alle weiteren Voraussetzungen für Invasionsdrohnungen und –absichten.

Um nicht als unglaubwürdig zu erscheinen in ihrem erklärten Ziel der Beendigung des Syrienkonfliktes, mussten auch die Kräfte dem Plan zustimmen, die die Invasion betrieben. Aber sie waren nicht begeistert, als Assad durch seine Zustimmung zur Waffenruhe den Weg frei machte für eine friedliche Lösung des Konfliktes. Die einzige Aussicht, ihre Invasionspläne weiter zu verfolgen, besteht im Scheitern der Mission Annans. Danach wäre der Weg frei für neue Maßnahmen.

So belasteten die USA, Frankreich und andere die Umsetzung des Planes zum einen durch Forderungen, die im Plan von Annan nicht enthalten waren. Andererseits behinderten sie durch ständige Einwände und Bedenken die Aufstellung der UN-Truppe, die die Einhaltung der Waffenruhe beobachten und überprüfen soll. Zwar war die Waffenruhe bereits am 12.4. in Kraft getreten, doch stellte das Luxemburger Wort am 25.4., also immerhin zwei Wochen später, fest, dass die Resolution für die Entsendung der 300 Beobachter zwar beschlossen worden sei, aber ein Zeitplan für deren Entsendung noch nicht vorliege. Man wundert sich, weshalb die Umsetzung so schleppend vorangeht.

Trotzdem stellte das LW am 25.4. bereits fest, dass die acht aktiven Blauhelme, die als Vorauskommando schon in Syrien tätig waren, bislang durchaus gute Arbeit geleistet hätten. So hätten nur zwei von ihnen in Homs eine Stabilisierung der Waffenruhe erreicht. Eine starke Beobachtertruppe verspräche also durchaus Erfolge darin, die wahren Schuldigen für die Nichteinhaltung der Waffenruhe identifizieren und damit zu einer Beruhigung der Lage beitragen. Jedoch wachse die Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung des Krieges je länger die Verstärkung ausbleibe, so das Luxemburger Wort.

Es berichtet auch von Videoaufnahmen, die Vertreter der Freien Syrischen Armee im Gespräch zeigt mit dem Leiter des Beobachterteams, dem marokkanischen Oberst Himmiche, was belegt, dass die syrischen Verantwortlichen den Kontakt zwischen den UN-Kräften und der Gegenseite nicht behindern. Auch stellen die UN-Kräfte fest, dass die Gewalttätigkeiten durchaus von beiden Seiten zu verantworten sind. „Nüchtern betrachtet dürften beide Seiten den Waffenstillstand gleichermaßen verletzen“ (LW 25.4.). Auch die FAZ meldete am 2.5, dass der für die Friedenmission zuständige UN-Mitarbeiter Ladsous beiden Seiten vorwirft, das Abkommen seit dem 12.4. verletzt zu haben.

Nach der FAZ vom 2.5. beklagte Ladsous, „dass die UN-Mitgliedsstaaten erst 150 der 300 vereinbarten UN-Beobachter ernannt hätten“. Trotz dieser ungünstigen Bedingungen konnte nach einer Kurzmeldung der FAZ vom 4.5., der Leiter der UN-Kommission, der Norweger Robert Mood, die Protesthochburgen Homs und Hama besuchen. Es gab also trotz aller Schwierigkeiten, die teilweise hausgemacht waren, hoffnungsvolle Ansätze zur Beilegung des Konfliktes. Am 6.5. meldete die FAZ, dass erst etwa 50 der 300 beschlossenen Beobachter in Syrien ihre Arbeit aufgenommen hatten. Der Friedensplan sei nach den Worten von Kofi Annan durchaus „auf Spur“.

Trotz aller dieser positiven Ansätze hatte sich der französische Außenminister Juppé bereits am 26.4. dafür ausgesprochen, „dass der UN-Sicherheitsrat über ein militärisches Vorgehen gegen Syrien berate“ (FAZ).

Und schon am 4.5. stellte die FAZ fest: „Amerika spricht von einem Scheitern des Annan-Plans“, zu einem Zeitpunkt, da die volle Stärke der Beobachtertruppe noch nicht erreicht war. Obwohl Annan selbst Fortschritte bei der Verwirklichung des Plans feststellte, forderten die USA, „dass sich die internationale Gemeinschaft eingestehe, dass die Waffenruhe nicht halte und andere Maßnahmen ergriffen werden müssten“.

Quelle: theintelligence.de vom 24.05.2012

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