Es findet zwar am 17. Juni die zweite Runde der französischen Parlamentswahl statt, doch für Ex-Präsident Nicolas Sarkozy ist der Tag davor wichtiger: Am 16. Juni läuft nämlich seine „Schonfrist“ ab, sprich die strafrechtliche Immunität. Und laut Medienberichten muss er danach schon bald mit Vorladungen der Justiz rechnen.
Mehrere Untersuchungsrichter warten angeblich nur darauf, Sarkozy persönlich in verschiedenen Dossiers als Zeugen zu befragen, oder ihn eventuell sogar in einem Strafverfahren belangen zu können. Zudem gibt es den Präzedenzfall Chirac: Der Ex-Präsident, der sich mit der Immunität lange dem Zugriff der Justiz entziehen konnte, ist zuletzt wegen eines Delikts aus der Zeit vor seiner Wahl doch noch zu einer bedingten Haftstrafe verurteilt worden.
Verräterische Bankauszüge
Bei den Anschuldigungen gegen Sarkozy handelte es sich lange um bloße Gerüchte: Da war die Rede von angeblichen Millionen, die Sarkozy von Libyens Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi bezogen haben soll. Unklar ist auch weiterhin, ob er Ende der 1990er-Jahre in einen Korruptionsskandal von französischen Rüstungsgeschäften mit Pakistan und Saudi-Arabien verwickelt gewesen ist.
Am vergangenen Wochenende wurde im Internet ohne Angabe von Quellen verbreitet, Sarkozy habe während seiner Präsidentschaft von einem Geschäftsmann aus Katar eine Villa in Marokko geschenkt bekommen. Angeblich ist er – wie schon während seiner Amtszeit – zurzeit wieder mit der Familie auf Kosten von König Mohammed VI. unterwegs. Dass Sarkozy diese Generosität in Anspruch nimmt, ist diskussionswürdig. Fest steht, dass jetzt die von Revanchegelüsten nicht freie Jagd auf den abgewählten Staatschef begonnen hat: Gefährlich wird ihm die „Bettencourt-Affäre“. Die Zeitung „Le Monde“ hatte Einsicht in die Ermittlungsakten und publizierte das bisherige Belastungsmaterial, das den Verdacht auf eine illegale Finanzierung von Sarkozys Wahlkampagne 2007 erhärtet. Sarkozy sei nach diesen Ermittlungsergebnissen buchstäblich „umzingelt“, schreibt „Le Monde“.
Untersuchungsrichter Jean-Michel Gentil, der in Bordeaux ursprünglich Ermittlungen über eine mögliche Manipulation der betagten L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt durch skrupellose Mitarbeiter durchgeführt hat, stützt sich auf die Auswertung der Bankauszüge. Sie belegen anscheinend suspekte Transaktionen, die laut Zeugenaussagen der Übergabe von heimlichen Spenden an Sarkozy und andere Politiker gedient haben könnten. Dann wurden die Daten mit den Terminkalendern der beteiligten Personen verglichen und nochmals den Aussagen von ehemaligen Hausangestellten und Vertrauten der Milliardärin gegenübergestellt.
Bettencourt: Sarkozy wollte immer mehr
Gentil sei nun überzeugt, dass Sarkozy in einem Fall mindestens 150.000 Euro von Bettencourt für seine Kampagne erhalten habe. Der Fotograf François Marie Banier, ein Intimfreund des Ehepaars Bettencourt, hatte am 26. April notiert, Liliane Bettencourt habe sich explizit beklagt, dass Sarkozy immer mehr Geld von ihr verlangt habe. Am Tag darauf wurden von einem Bankkonto in der Schweiz weitere 400.000 Euro abgehoben, über deren Verwendung jedoch nur spekuliert werden kann.
Eine Schlüsselfigur in dem Dossier ist Bettencourts ehemaliger Vermögensberater Patrice de Maistre, der seit Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Er war zugleich Mitglied des „Premier Cercle“, eines sehr exklusiven Klubs von wohlhabenden Gönnern des abgewählten Staatschefs. Dem Untersuchungsrichter zufolge hat er Sarkozys Schatzmeister Eric Woerth mindestens zweimal diskret in einem Café getroffen, nachdem er von seiner Arbeitgeberin größere Bargeldbeträge erhalten hatte. Da de Maistre in Paris zunächst nur 50.000 Euro abheben konnte, die er bereits am Tag danach Woerth überreicht haben soll, reiste er dieser Darstellung zufolge am 28. Jänner 2007 nach Genf, wo er sich von in Frankreich nicht deklarierten Konten die restlichen 100.000 Euro besorgt habe.
Ex-Präsident kann sich an nichts erinnern
Das Geld wurde angeblich per Kurier am 5. Februar in Neuilly-sur-Seine in der Villa des Ehepaars Bettencourt abgeliefert. Am 7. Februar hat de Maistre dann seinen Bekannten Woerth erneut im selben Café getroffen. De Maistre bestätigte diese Treffen, Woerth dagegen kann sich angeblich nicht erinnern. Der vormalige UMP-Finanzchef und Ex-Minister bestreitet aber kategorisch jede illegale Finanzierung von Wahlen ab.
Bestätigt wird der auf Sarkozy lastende schwere Verdacht aber von Bettencourts ehemaliger Buchhalterin. Ein früherer Privatchauffeur, eine ehemalige Pflegerin und der Butler haben davon gehört oder erinnern sich an kurzfristige diskrete Besuche des damaligen Innenministers von Sarkozy in der Villa der Bettencourts in Neuilly-sur-Seine während seiner Wahlkampagne 2007.
Sarkozy hat jede illegale Finanzierung durch die Bettencourts als „grotesk“ in Abrede gestellt. Zum Zweck der angeblichen Besuche befragt, hat er im TV nur kurz angebunden gemeint, er wisse nicht mehr, was er vor fünf Jahren wann und wo gemacht habe.
Quellen: diePresse.com/Iran German Radio vom 26.05.2012