Seit fast zwei Monaten blockieren friedliche Demonstrationen in Montreal regelmäßig den Verkehr im Stadtzentrum. Es geht um die bereits beschlossene Erhöhung von Studiengebühren. Am Donnerstag gegen 8 Uhr früh explodierten Rauchbomben simultan in mehreren U-Bahnstationen. Alle drei Linien mussten gesperrt werden. Der Autoverkehr im Zentrum brach restlos zusammen. Hunderttausende erschienen teils mit mehreren Stunden Verspätung am Arbeitsplatz. Montreal ist nicht die Hauptstadt, sondern das Geschäftszentrum der französischsprachigen kanadischen Provinz Quebec. Die protestierenden Studenten treffen das System an seiner empfindlichsten Stelle.
Die Quebecer Provinzregierung hatte beschlossen, die jährlichen Studiengebühren von durchschnittlich rund 2.000 Euro schrittweise um 1.230 Euro zu erhöhen. In gewohnter Überheblichkeit wurden die Forderungen der Studenten vorerst kompromisslos zurückgewiesen, was eine Fortführung der Demonstrationen nach sich zog. Praktisch täglich versammeln sich im Geschäftszentrum von Montreal Gruppen von teils mehreren hundert, teils mehreren tausend Studenten, die friedlich durch die Straßen ziehen – und damit den Verkehr zum Erliegen bringen.
Ende April mischten sich Maskierte unter die ansonsten friedlichen Demonstranten, zertrümmerten Auslagenscheiben und setzten mehrere Objekte in Brand. Erfreulicherweise führte dies jedoch nicht zu gewaltsamen Eingriffen durch die Sicherheitskräfte. In koordinierter Zusammenarbeit gelang es der Polizei und den Studenten, die Randalierer zu isolieren und es erfolgten mehreren Verhaftungen.
Mittlerweile zeigt sich die Provinzregierung unter Premierminister Jean Charest zu Kompromissen bereit, die von Studentenorganisationen jedoch weitgehend zurückgewiesen werden. So wurde vorgeschlagen, die staatlichen Subventionen zwar wie geplant zu kürzen, die Einsparungen sollten jedoch von den Universitäten getragen werden. Dies würde allerdings bedeuten, dass die Hochschulen verstärkt auf private Subventionen angewiesen wären, was wiederum einen erhöhten Einfluss der Wirtschaft mit sich bringen würde. Zweifellos entspricht dies nicht den Zielen einer unabhängigen Wissenschaft.
Zu den Vorschlägen, die von Studentenvertretern eingebracht werden, zählt die Besteuerung von Geldinstituten.
Am vergangenen Wochenende hätte in Montreal der Parteitag der, die Provinzregierung bildenden, Parti Libéral du Quebec stattfinden sollten. Aufgrund angekündigter Proteste wurde die Veranstaltung in die Kleinstadt Victoriaville verlegt. Mehrere zehntausend Demonstranten folgten in die rund 100 km von Montreal entfernt gelegene Stadt. Wie das folgende Video zeigt, war die Stimmung bereits äußerst gereizt.
Einen neuen Höhepunkt erreichte der Konflikt am Donnerstag, den 10. Mai. Zwischen 7:45 und 8:30 Uhr früh, also genau zum Zeitpunkt des Spitzenverkehrs, wurde an mehreren U-Bahnstationen Rauchentwicklung festgestellt. Es wurde eine sofortige Evakuierung durchgeführt und alle drei Linien wurden stillgelegt. Es dauerte mehr als zwei Stunden, bis der gewohnte Betrieb wieder aufgenommen werden konnte.
Aufgrund der regelmäßig in den Straßen des Montrealer Geschäftszentrums durchgeführten Demonstrationen unterlassen es mittlerweile viele Bürger, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Natürlich waren innerhalb kürzester Zeit auch keine Taxis verfügbar. Somit bot sich für Viele das eigene Auto als einzige Alternative, was wiederum den Verkehr zum Erliegen brachte.
Wer für die Rauchbomben verantwortlich sein könnte, ist bislang noch nicht bekannt. Von Premierminister Jean Charest wurde der Anschlag aufs schärfste verurteilt, berichtet die kanadische Zeitung The Globe and Mail.
Abgesehen davon, dass Hunderttausende Montrealer mit teils mehrstündiger Verspätung am Arbeitsplatz erschienen, was auch finanzielle Einbußen mit sich bringt, wurde von keinen größeren Schäden oder Verletzten berichtet.
Quelle: theintelligence.de vom 10.05.2012