Das FBI setzt sich aktuellen Medienberichten zufolge massiv dafür ein, Soziale Netzwerke, VoIP-Dienste und Webmail-Provider zur Installation von Backdoors für die Ermittlungsbehörden zu verpflichten. In geheimen Treffen mit den entsprechenden Dienste-Anbietern soll das FBI diese außerdem aufgefordert haben, nicht gegen ein Gesetz vorzugehen, dass diese Backdoors vorschreiben würde.
Das FBI forderte die Unternehmen auf, sich nicht gegen den umstrittenen Gesetzesentwurf, der viele Anbieter von Online-Kommunikationsdiensten – darunter die Branchen-Giganten Facebook, Google, Microsoft und Yahoo! – verpflichten würde, sogenannte Backdoors in ihre Dienste einzubauen, einzusetzen. Diese „Hintertüren“ würden den Ermittlungsbehörden eine Überwachung der über den entsprechenden Dienst getätigten Kommunikation ermöglichen.
Bei Treffen mit Industrie-Vertretern sowie Vertretern des Weißen Hauses und des US-Senats erklärten führende FBI-Mitarbeiter, die zunehmende Verlagerung von Kommunikation vom Telefonnetz ins Internet stelle die Ermittlungsbehörde vor erhebliche Probleme. Es sei dadurch weitaus schwieriger geworden, die Kommunikation Verdächtiger abzuhören.
Ein FBI-Sprecher sagte gegenüber der IT-News-Website „CNET News“, es existiere eine wachsende Diskrepanz zwischen „der gesetzlich festgelegten Autorität der Ermittlungsbehörden, elektronische Kommunikation auf Richterbeschluss hin abzufangen, und unserer praktischen Fähigkeit, diese Kommunikation anzuzapfen„. Werde diesem Trend erlaubt, sich fortzusetzen, so die Befürchtung des FBI, riskiere die Regierung, „im Dunkeln“ zu sitzen. Folge davon sei „ein erhöhtes Risiko für die nationale Sicherheit und die Sicherheit der Bevölkerung„.
FBI-Juristen erstellten daher einen Gesetzesentwurf, der die nach Ansicht der Bundespolizei-Behörde beste Lösung für diese Problematik juristisch festschreiben soll. Dem Entwurf zufolge wären Social-Media-Dienste, VoIP- und Webmail-Provider sowie die Betreiber von Instant-Messaging-Diensten verpflichtet, den Quellcode ihrer Anwendungen so abzuändern, dass diese „abhör-freundlich“ würden. Betroffen sollen allerdings nur Dienste sein, die eine bestimmte Nutzerzahl – wie hoch diese genau liegt, ist bislang unbekannt – überschreiten.
Bei dem FBI-Vorschlag handelt es sich um eine Ergänzung des sogenannten „Communications Assistance for Law Enforcement Act“ (CALEA). Dieser ist in den USA seit 1994 in Kraft und verpflichtet Telefon-Unternehmen zum Betreiben von Abhör-Schnittstellen.
Das FBI setzt sich momentan massiv dafür ein, dass die betroffenen Unternehmen – die derartigen Plänen größtenteils skeptisch gegenüberstehen – den Gesetzesentwurf akzeptieren. Es finden zahlreiche Treffen mit Industrie-Vertretern zu diesem Thema statt, bei denen auch Änderungswünsche der Firmen besprochen werden sollen. Die Mehrzahl der betroffenen Unternehmen will den Stand der Verhandlungen aber nicht öffentlich kommentieren.
Das Weiße Haus zeigt sich derzeit wenig motiviert, den Entwurf des FBI voranzutreiben. Viele Beobachter vermuten, dass die Regierung eine massive Bürgerrechts- und Datenschutz-Diskussion und in der Folge einen Verlust öffentlichen Ansehens befürchtet. Auch viele Technologie-Unternehmen zeigen sich bislang mehr als skeptisch. So sprach sich etwa der Branchenverband TechAmerica, in dessen Vorstand unter anderem Vertreter von HP, eBay, IBM und Qualcomm sitzen, gegenüber CNET News entschieden gegen eine derartige Gesetzesänderung aus. Als Grund wurden vor allem die erheblichen Kosten, die Unternehmen durch die Bereitstellung einer entsprechenden Infrastruktur entstehen würden, angeführt. Andere Industrievertreter fürchten, durch diese Einmischung der Regierung in den IT-Sektor könnte die Innovation behindert werden. Sicherheitsexperten geben bei derartigen Plänen außerdem zu bedenken, dass vorhandene Backdoors womöglich auch von technisch bewanderten Internet-Kriminellen ausgenutzt werden könnten.
Die Gegner des FBI-Vorschlags haben also finanzielle, unternehmerische und technische ebenso wie ethische und politische Argumente auf ihrer Seite. Es wird sich zeigen, ob das FBI dagegen mit seinem Verweis auf die nationale Sicherheit – die derzeit in den USA bekanntermaßen politisch einen hohen Stellenwert genießt – bestehen kann. Viele Internetnutzer jedenfalls dürften nicht nur den Vorschlag selbst, sondern auch die geheimen Treffen von Regierung und Unternehmen zu diesem Thema durchaus beunruhigend finden. Zeichnet sich hier nach ACTA, SOPA und CISPA die nächste große Netzpolitik-Diskussion ab?
Quelle: PRAVDA-TV/gulli.com vom 06.05.2012