Die Sorgen um Spanien und Italien nehmen zu: Die beiden Krisenländer müssen hohe Risikoaufschläge zahlen, um sich frisches Geld an den Finanzmärkten zu beschaffen. Dennoch will Spaniens Ministerpräsident Rajoy die heimischen Banken ohne EU-Hilfe sanieren.
Die Geldbeschaffung für Spanien und Italien wird zunehmend teurer: Am Pfingstmontag zogen die Risikoaufschläge für Staatsanleihen in beiden Ländern weiter an. In Spanien stieg der Aufschlag für richtungweisende Zehnjahrespapiere auf einen neuen Rekordstand von 508 Basispunkten. Das bedeutet, dass Spanien im Vergleich zu Deutschland zurzeit einen so hohen Zinsaufschlag wie noch nie seit der Euro-Einführung bieten muss: Während Deutschland mit aktuell 1,37 Prozent so wenig Zinsen wie nie für zehnjährige Schulden zahlt, muss Spanien mit rund 6,41 Prozent ein Vielfaches dessen und so viel Rendite wie selten zuvor bieten. Deutschland gilt unter Investoren als einer der kreditwürdigsten Schuldner.
Bei den kurzen Laufzeiten von zwei Jahren stand Italien noch mehr unter Druck. Dort legten die Renditen – also die Kombination aus Nominalzins und Anleihekurs – spürbar stärker zu als in Spanien. Mit insgesamt drei Anleihen besorgte sich der italienische Staat am Montag 4,25 Milliarden Euro. Die zu zahlenden Renditen zogen im Vergleich zu früheren Versteigerungen weiter an. Bei einem zweijährigen Staatstitel stieg sie binnen Monatsfrist auf 4,037 Prozent – ein Plus von knapp 0,7 Punkten. Zum Vergleich: Deutschland kann sich in dieser Laufzeit praktisch zum Nulltarif refinanzieren.
Italien und Spanien gelten als Schlüsselländer in der Euro-Schuldenkrise. Sollte die Situation in Griechenland eskalieren und das Land schlimmstenfalls aus dem Euro-Raum austreten, werden starke Turbulenzen auch in der dritt- und viertgrößten Euro-Wirtschaft befürchtet.
Dennoch: Ganz so schlimm wie im Herbst 2011, als die Lage an den europäischen Anleihemärkten zu eskalieren drohte, ist es noch nicht. Seinerzeit war die zehnjährige Rendite in Spanien auf knapp 6,7 Prozent gestiegen, in Italien gar auf 7,2 Prozent. Derart hohe Zinsniveaus gelten als nicht stemmbar, da sie die Zinskosten der Staaten über kurz oder lang in die Höhe schnellen lassen. Entsprechend sah sich damals die Europäische Zentralbank (EZB) gezwungen, zunächst mit Anleihekäufen und später mit massiven Geldspritzen für die Banken im Euro-Raum zu intervenieren. Daraufhin beruhigte sich die Lage, die Wirkung hat zuletzt aber nachgelassen. Hauptgrund ist die brisante Lage in Griechenland.
„Es wird keine Rettungsaktion geben“
Die Gründe, warum Spanien und Italien an den Märkten derart unter Druck stehen, sind unterschiedlich. Spanien leidet vor allem unter der geplatzten Immobilienblase, die vor allem den Sparkassensektor belastet. Erst am Freitag war bekanntgeworden, dass die Sanierung der angeschlagenen Großbank Bankia den Staat nun eine Rekordsumme von mehr als 23 Milliarden Euro kosten soll. Das teilverstaatlichte Geldinstitut kündigte an, dass es die Madrider Regierung um eine weitere Finanzhilfe von 19 Milliarden Euro bitten werde. Dennoch will die Regierung die Sanierung seines Bankensektors ohne EU-Hilfen bewältigen. „Es wird für die spanischen Geldhäuser keine europäische Rettungsaktion geben“, sagte Ministerpräsident Mariano Rajoy.
Daneben ist die Haushaltslage des Zentralstaats und der 17 autonomen Regionen sehr angespannt, nicht zuletzt aufgrund der Rezession. Rajoy betonte erneut, wie wichtig die angegangenen Reformen seien, um das Land wieder wettbewerbsfähig zu machen. Fundamental leidet das Land vor allem unter einer sehr hohen Arbeitslosigkeit, insbesondere von Jugendlichen.
Italien leidet unterdessen vor allem unter großen Problemen als Wirtschaftsstandort: Nach einer Skala der Weltbank landet es im Währungsraum auf einem der hintersten Plätze. Zudem sind die Lohnstückkosten – eine zentrale Stellschraube für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen – im europäischen Vergleich sehr hoch. Als wichtigste Ursache hierfür wird der italienische Arbeitsmarkt gesehen, der trotz jüngster Reformen als verkrustet gilt. Außerdem ist der italienische Staat hoch verschuldet.
Quelle: Reuters/dpa/Der Spiegel vom 28.05.2012
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