Seit dem 17. Juli 2011 umkreist die Sonde „Dawn“ Asteroiden Vesta. Die Beobachtungs- und Vermessungsdaten belegen nun, dass der mit 530 Kilometern Durchmesser zweitmassivste Asteroid unseres Sonnensystems zahlreiche Eigenschaften eines Planeten aufweist.
Zahlreiche Furchen, wie von einem Pflug gezogen, umspannen den Asteroiden Vesta. Das Bild zeigt zwei parallel zum unteren Bildrand verlaufende Furchen des Systems Divalia Fossa. Der größere Teil dieser Rillen erstreckt sich entlang des Äquators, eine zweite Gruppe wurde schräg zum Äquator auf der Nordhalbkugel identifiziert.
Die parallelen Gräben sind meist mehrere hundert Kilometer lang, bis zu 15 Kilometer breit und über einen Kilometer tief. Sie sind das Ergebnis zweier großer Asteroideneinschläge am Südpol, die sich viele hundert Kilometer entfernt ereignet haben und Vesta offensichtlich global erschüttert und seine Oberfläche verändert hatten.
Wie die Wissenschaftler der NASA, vom deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und italienische Kollegen aktuell im Fachmagazin „Science“ berichten, hat Vesta „mehr Ähnlichkeit mit dem Mond als mit anderen Asteroiden“, erklärt Professor Ralf Jaumann vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. „Ihr innerer Aufbau, die Vielzahl geologischer Oberflächenformen, die unterschiedliche Zusammensetzung und vor allem die durch Materialverlagerungen veränderte Oberfläche sprechen für eine dynamische, langanhaltende, planetenähnliche Entwicklungsgeschichte.“
Auf der Grundlage von Stereo-Bilddaten haben die Wissenschaftler dreidimensionale globale Geländemodelle von Vesta erstellt, die maßgeblich zum Verständnis des inneren Aufbaus dieses Asteroiden und der Strukturen auf der Oberfläche beigetragen haben. Die bis zu 15 Meter genauen Geländemodelle und daraus abgeleiteten Karten sind die Grundlage für die detaillierte Erforschung Vestas durch das internationale Dawn-Wissenschaftsteam, das sich von den Daten die Beantwortung fundamentaler Fragen zur frühen Entwicklung der Planeten erhoffen.
„Vesta war wahrscheinlich sogar einmal größer als heute“, erklärt Professor Chris Russell, Principle Investigator der Dawn-Mission von der University of California in Los Angeles. „Durch Kollisionen wurden riesige Bruchstücke aus diesem Protoplaneten weggesprengt. Dennoch war Vesta groß genug, um zu ‚differenzieren’, also einen metallischen Kern auszubilden, der von einem Gesteinsmantel umgeben ist.“ Dies wurde bisher vermutet und konnte nun durch eine mineralogische Analyse der Oberfläche von Vesta bestätigt werden: Die Beobachtungen mit der deutschen Spezialkamera und die Messungen mit den amerikanischen und italienischen Spektrometern an Bord von Dawn zeigen eine Übereinstimmung mit der Zusammensetzung von seltenen Meteoriten, die auf der Erde gefunden wurden.
Diese sogenannten „HED“-Meteoriten – benannt nach den Anfangsbuchstaben der drei Steinmeteoriten-Sorten Howardit, Eukrit und Diogenit – stammen ebenfalls von einem differenzierten Asteroiden-Mutterkörper und haben eine „heiße“ Vergangenheit hinter sich, waren also wenigstens zum Teil bei ihrer Entstehung geschmolzen. „Zweimal schlug an Vestas Südpol ein großer Körper ein und sprengte viele Tausend Kubikkilometer Gesteinsbrocken ab“, erläutert die Presseinformation des DLR. Diese folgen jetzt als so genannte Vestoide der Bahn von Vesta. Zurück blieben zwei sich gegenseitig fast überdeckende Einschlagsbecken, die nach den Priesterinnen Rheasilvia und Veneneia der römischen Göttin Vesta benannt wurden. „Bruchstücke von Vesta und der Vestoiden sind dann als HED-Meteoriten ins All geschleudert worden, und manche Brocken landeten schließlich auf der Erde“, so Russel.
Die Topographie enthüllt einen Doppel-Einschlag am Südpol von Vesta.
rst auf den topographischen Karten der DLR-Forscher wurde offensichtlich, dass Vesta zweimal besonders schwer getroffen wurde. „Vesta hat in seiner Geschichte einiges aushalten müssen“, sagt Professor Jaumann. „Veneneia, das ältere Becken, hat schließlich auch einen Durchmesser von 400 Kilometern. Die enorm bewegte Topographie und die extrem steilen Berg- und Kraterwände zeigen, dass der Asteroid unter seiner obersten Staubschicht aus massivem Gestein besteht.“ Die gewaltigen Einschläge erschütterten Vesta durch und durch. Ausdruck dieser Asteroidenbeben sind mehrere Dutzend gewaltige Furchen, die entlang des Äquators verlaufenen. „Es lässt sich ein eindeutiger geometrischer Bezug zum jeweiligen Zentrum der Einschlagsbecken Rheasilvia und Veneneia herstellen. Zugleich zeigt die Entstehung mehrerer hundert Kilometer großer Becken und globaler Strukturen, dass bei den kosmischen Kollisionen der gesamte Körper von Vesta bis zur Belastungsgrenze erschüttert wurde“, analysiert DLR-Planetenforscher Jaumann die Ergebnisse.
Doch Vesta bleibt rätselhaft: Auf der Oberfläche wurden keine Strukturen identifiziert, die eindeutig auf Vulkanismus hindeuten, obwohl dies theoretisch zu erwarten ist. „Das kann aber auch daran liegen, dass die Oberfläche von einer dicken Schutt- und Staubschicht, dem Regolith, bedeckt ist, der erst nach und nach durch das Meteoritenbombardement entstanden ist und Spuren eines frühen Vulkanismus überdeckt“, wägt Professor Jaumann ab. Einige Flächen mit auffallend dunklem Material könnten zwar auf Vulkanismus hindeuten. Es könnte aber auch sein, dass es sich um eine Substanz handelt, die reich an Kohlenstoff ist und von Kometen oder Asteroiden dorthin verfrachtet wurde.
Nachdem die Beobachtungen von Vesta erst kürzlich bis August 2012 verlängert wurden, soll „Dawn“ nun im kommenden August weiterfliegen und wird 2015 an ihrem Ziel, dem Zwergplaneten Ceres, erwartet.
Quellen: NASA/JPL/grenzwissenschaft-aktuell.de vom 11.05.2012