Der kleinste Koalitionspartner bringt Tschechiens Regierung in die Bredouille. Weil der sich aufspaltet, fehlt Premier Petr Necas plötzlich die Mehrheit. Neuwahlen soll es aber nicht geben.
Die Drei-Parteien-Koalition in Tschechien hat wegen fehlender Mehrheiten im Parlament ihre Auflösung beschlossen. Regierungschef Petr Necas kündigte zugleich in Prag an, dass er mit seinen bisherigen Partnern nach neuen Mehrheiten suchen wolle. Sollten diese nicht gefunden werden, seien Neuwahlen die einzige Alternative.
Hintergrund der Entscheidung ist die Aufspaltung des kleinsten Koalitionspartners, Öffentliche Angelegenheiten (VU), in zwei Fraktionen. Dadurch verlor die Regierung ihre bisherige Mehrheit von 118 der 200 Sitze im Parlament. In der Konsequenz daraus habe er zusammen mit den Vorsitzenden seiner Koalitionspartner die Auflösung des Bündnisses beschlossen, erklärte Necas. Diese solle ab dem kommenden Freitag gelten, fügte der Regierungschef hinzu und ließ sich damit eine Tür zum Weiterregieren offen.
Zünglein an der Waage könnte nun Vize-Regierungschefin Karolina Peake werden. Sie hatte die VU vor einigen Tagen verlassen und erklärt, sie wolle eine eigene unabhängige politische Plattform bilden, die die Regierung unterstützt.
Sollte Peake genug bisherige VU-Parlamentarier auf ihre Seite ziehen und diese dann Necas unterstützen, könnte dieser im Parlament weiter eine Mehrheit haben. „Je mehr VU-Abgeordnete zur Plattform (von Peake) übertreten, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit von Neuwahlen“, sagte Necas der tschechischen Nachrichtenagentur CTK.
Seit Tagen wird in Tschechien über einen Bruch des regierenden Drei-Parteien-Bündnisses spekuliert. Necas steht seit Mitte 2010 an der Spitze einer Koalition, die von seiner Demokratischen Bürgerpartei (ODS), der rechtsgerichteten Partei TOP09 von Außenminister Karel Schwarzenberg und der VV gebildet wird.
Laut Umfragen wäre bei Neuwahlen mit einem Sieg der derzeit oppositionellen Sozialdemokraten (CSSD) von Bohuslav Sobotka zu rechnen. Vor allem der strikte Sparkurs der Regierung stößt bei der Bevölkerung zunehmend auf Widerstand. Erst am Samstag hatten 90.000 Menschen in Prag gegen die Regierung protestiert.
Quelle: dapd/AFP/Die Welt vom 23.04.2012