Indien hat am Donnerstag eine neue atomwaffenfähige Langstreckenrakete getestet. Die 17 Meter lange und 50 Tonnen schwere Rakete vom Typ Agni V mit einer Reichweite von mindestens 6.400 Kilometern sei um 08.05 Uhr Ortszeit (04.35 MESZ) von dem Testgelände Wheeler’s Island vor der Küste des östlichen Bundesstaates Orissa abgefeuert worden, verlautete aus Militärkreisen. Damit könnte sie ganz China sowie theoretisch auch Ziele in Europa und im Nahen Osten erreichen.
Es werde einige Zeit dauern, um zu beurteilen, ob der Test erfolgreich gewesen sei, hieß es. Kurz vor dem Test hatte die Regierung noch erklärt, der Raketenstart werde wegen ungünstiger Wetterverhältnisse verschoben.
Ein erfolgreicher Test wäre ein bedeutender Fortschritt für die Atommacht Indien, die derzeit massiv in Rüstung und die Modernisierung ihrer Streitkräfte investiert, insbesondere angesichts der technologisch fortgeschrittenen Raketensysteme Chinas. Bisher verfügen nach gesicherten Erkenntnissen nur die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats, China, Großbritannien, Frankreich, Russland und die USA über ausgewiesene ballistische Interkontinentalraketen (ICBM). Vergangene Woche hatte ein gescheiterter Raketentest Nordkoreas für internationale Aufregung gesorgt. Anders als das kommunistische Land in Ostasien gilt Indien als größte Demokratie der Welt als berechenbarer und verantwortungsvoller Staat.
Indien verfolgt keine Erstschlag-Doktrin und betont stets, die Atomwaffen dienten nur der Abschreckung und Verteidigung. Das Raketenprogramm wird vor allem mit der möglichen Bedrohung durch China begründet. Bisher war die Reichweite der leistungsstärksten indischen Raketen (Agni III und Agni IV) auf 3.500 Kilometer beschränkt. Damit war bereits das gesamte benachbarte Pakistan abgedeckt, das ebenfalls über Atomwaffen verfügt. Die Erzfeinde Indien und Pakistan haben seit ihrer Unabhängigkeit 1947 drei Kriege gegeneinander geführt.
Die Agni V muss nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Neu Delhi mindestens viermal erfolgreich getestet werden, bevor sie voraussichtlich 2014 oder 2015 in die Streitkräfte eingeführt werden soll. Die Rakete ist nach offiziellen Angaben 17 Meter lang und 50 Tonnen schwer. Sie kann einen Nuklearsprengkopf mit einem Gewicht von mehr als einer Tonne tragen. Ihre Entwicklung kostete umgerechnet rund 370 Millionen Euro.
Indien und China haben 1962 einen Grenzkrieg geführt. Zwar haben sich die Beziehungen mit wachsender wirtschaftlicher Zusammenarbeit verbessert, es kommt aber immer wieder zu Spannungen. Beide Länder haben ihre Budgets für Militärausgaben zuletzt erhöht: China um fast elf Prozent auf 106 Milliarden Dollar, Indien um 17 Prozent auf mehr als 40 Milliarden Dollar (30,5 Milliarden Euro). China ist Indien militärisch weit überlegen.
Quelle: AP/APA/derstandard.at vom 19.04.2012