Seit mehreren Wochen versammeln sich Studenten regelmäßig in den Straßen Montreals, um gegen eine massive Anhebung der Studiengebühren zu protestieren. Die Strategie: Durch Aufmärsche das Stadtzentrum lahmlegen. Während die Regierung der kanadischen Provinz Quebec wenig Verhandlungsbereitschaft zeigt, werden die anfangs absolut friedlichen Demonstrationen immer mehr durch gewalttätige Elemente unterwandert. Die Spannungen zwischen den Studenten, der Bevölkerung und den Sicherheitskräften steigen immer weiter an. Die Polizei setzte bereits mehrmals Tränengas ein und Dutzende Demonstranten wurden verhaftet.
Die Quebecer Provinzregierung beschloss die jährlichen Studiengebühren von derzeit durchschnittlich Can$ 2.600 (€ 2.000) im Laufe der kommenden fünf Jahre um Can$ 1.625 (€ 1.230) zu erhöhen, was massive Protestaktionen durch die Betroffenen zur Folge hatte.
In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass unverschämte Erhöhungen von Gebühren in Kanada durchaus üblich sind und von der Bevölkerung meist stillschweigend hingenommen werden. So wurde vor Jahren eine Zwangsversicherung für Medikamente eingeführt, die zuerst Can$ 75 kostete, im Folgejahr 150, dann 250 und mittlerweile 400 (€ 307). Das allgemeine Gesundheitswesen wird vom öffentlichen Budget getragen. Dies bedeutet, dass die Einkommensteuer in Kanada etwa gleich hoch ist, wie in Deutschland Steuer + Sozialabgaben. Seit dem Fiskaljahr 2011 wird zusätzlich eine Pauschalgebühr von Can$ 100 (€ 77) für die Krankenvorsorge eingehoben. Die Information wird vorläufig nur von Steuerberatern weiter gegeben. Die Medien fanden es bis jetzt nicht der Mühe wert, darüber zu berichten.
Die Proteste gegen die drastische Anhebung der Studiengebühren, die vor rund fünf Wochen einsetzen, fanden anfangs breite Unterstützung. Sowohl Familienmitglieder und Freunde schlossen sich den Studenten an als auch Passanten und Angestellte, die vorsorglich mit öffentlichen Verkehrsmitteln ins Zentrum von Montreal fuhren. Wie in dem besagten Artikel vom 23. März erläutert wurde, handelt es sich bei einer friedlichen Blockade des Stadtzentrums um die wohl effizienteste Form von Protesten. Durch die Lahmlegung des Verkehrs werden die wirtschaftlichen Schaltstellen an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen.
Wurden bezüglich der Aktionen im März noch entsprechende Warnungen ausgesprochen, formierten sich während der vergangenen Wochen immer wieder Gruppen von einigen hundert bis zu einigen tausend Studenten, die plötzlich durch eine Straße marschierten und den Verkehr unvorbereitet zum Erliegen brachten. Abgesehen vom steigenden Unmut von Seiten der Autofahrer, mischen sich mittlerweile regelmäßig vermummte Gestalten in die Menge, zertrümmern Fensterscheiben und setzen gelegentlich Objekte in Brand. Ob es sich bei den Gewalttätern um Mitglieder von Straßenbanden handelt oder um gezielt eingeschleuste Provokateure, wie u. a. bei den Demonstrationen gegen das Treffen der G-20-Staaten im Juni 2010 in Toronto, lässt sich zum gegebenen Zeitpunkt schwer beurteilen. Den Autoritäten könnten die Ausschreitungen jedenfalls durchaus willkommen sein, steht der Gewaltanwendung durch die Sicherheitskräfte somit nichts mehr im Wege.
Quelle: Russia Today/theintelligence.de vom 27.04.2012
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