In Syrien gefährden die trotz der Waffenruhe anhaltenden Gewaltaktionen den Beobachtereinsatz der Vereinten Nationen (UN).
Die Organisation Observatorium für Menschenrechte, die Berichte von Oppositionellen übermittelt, meldete am Dienstag aus den Provinzen Deraa im Süden und Idlib im Norden Zwischenfälle, bei denen es Todesopfer gegeben habe. Auch hätten in der Rebellenhochburg Homs, die zu weiten Teilen bereits in Schutt und Asche liegt, die Regierungstruppen bereits Samstag wieder mit ihrem Beschuss begonnen – zwei Tage nach Inkrafttreten der Waffenruhe. Am Montag sollen 23 Menschen getötet worden sein. Die US-Botschafterin bei den UN, Susan Rice, sagte, die Realität könnte die Pläne für den Ausbau des UN-Einsatzes zur Kontrolle der Waffenruhe gefährden.
„Sollte die Gewalt anhalten und die Waffenruhe, oder treffender der Verzicht auf Gewalt, nicht halten, wird es fraglich, ob es weise und durchführbar ist, die Beobachtergruppe auf ihre volle Stärke aufzustocken“, sagte Rice in New York. Seit Sonntag sind die ersten UN-Beobachter vor Ort. Das Vorauskommando aus sechs Militärs nahm am Montag die Arbeit auf. Insgesamt sollen mindestens 250 entsandt werden.
Präsident Baschar al-Assad hatte vor mehr als drei Wochen einem Friedensplan zugestimmt, der mit dem Sondergesandten von UN und Arabischer Liga, Kofi Annan, ausgehandelt worden war. Doch die Kernforderung – eine Waffenruhe sowie der Abzug von Panzern, Soldaten und schweren Waffen aus bewohnten Gebieten – wird von der Regierung offenbar teilweise ignoriert. In dem seit 13 Monaten andauernden Volksaufstand sind nach UN-Berechnungen mehr als 9000 Menschen getötet worden. Ein Beobachtereinsatz der Arabischen Liga war im Januar nach einem Monat gescheitert.
US-Außenministerin Hillary Clinton bezeichnete die Lage in Syrien in vielen Teilen des Landes nun als ruhiger als vor dem formalen Beginn der Waffenruhe. Der Beschuss auf Homs gehe aber weiter, sagte sie. „Wir wissen, der Waffenstillstand ist noch nicht vollkommen.“
Russland warf unterdessen ausländischen Kräften vor, die Befriedung Syriens zu verhindern. Dies geschehe unter anderem durch Waffenlieferungen an die Opposition, sagte Außenminister Sergej Lawrow im Fernsehen. Außerdem würden die Rebellen zu täglichen Angriffen auf Regierungsziele und auf zivile Einrichtungen ermutigt. Um wen es sich bei diesen „ausländischen Kräften“ handelt, sagte Lawrow nicht.
Ob die verhängten Sanktionen gegen Syrien die Regierung bald zum Einlenken bewegen werden, ist offen. Französische Diplomaten sagten, die ausländischen Währungsreserven Syriens hätten sich in Folge der Sanktionen bereits halbiert. Am Dienstag trafen sich in Paris Vertreter aus fast 60 Ländern, um über die Wirksamkeit der Sanktionen gegen das Land zu beraten. „Kofi Annan braucht uns, um Druck auszuüben durch gezielte und koordinierte Sanktionen, so dass Syrien keine Wahl hat“, sagte ein französischer Diplomat. Weitere Strafmaßnahmen könnten bei einem Treffen der EU-Außenminister in Brüssel nächste Woche beschlossen werden.
Quelle: Reuters vom 18.04.2012