Schlimm sind die Szenen, die Tierrechtsaktivisten mit Videokameras in Ställen von Massentierhaltern aufnehmen. Tiere, denen vor dem Transport in den Schlachthof Knochen gebrochen werden, die im Stall ohne Wasserversorgung liegen, ohne medizinische Behandlung, und nein, damit ist nicht die regelmäßige Gabe von Antibiotika gemeint.
Doch schlimm ist auch, dass die Politik nicht in der Lage oder nicht willens ist, etwas dagegen zu unternehmen. Denn die Bilder der Aktivisten zeigen nicht nur das Elend der Tiere. Sie zeigen auch: Quälende Haltung scheint sich zu lohnen. Das Risiko, entdeckt zu werden, ist gering, und falls es doch dazu kommt, reichen die Sanktionen nicht, um einem Betrieb wirtschaftlich ernsthaft zu schaden.
Natürlich ist die Misshandlung von Tieren auch eines der Symptome der Massentierhaltung, der Logik, nach der möglichst viele Tiere auf möglichst wenig Raum möglichst schnell zum Stück Fleisch für den Teller verarbeitet werden sollen. Es ist ebenso ein Symptom wie die Antibiotikaresistenzen, die regelmäßig wiederkehrenden Skandale über Schadstoffe im Fleisch, die Umweltverschmutzung und der Gestank, der bis in den weiten Umkreis der Ställe zu riechen ist. Dass ein solcher Stall für jemanden, der Massentierhaltung noch nie aus der Nähe gesehen hat, meist schon ohne zusätzliche Misshandlungen nach Tierquälerei aussieht, zeigt: Es genügt nicht, gegen die Symptome vorzugehen.
Doch wenn die Industrie kein Interesse hat, der Verbraucher knausert und die Politik schläft, ist tatsächlich die Arbeit der Tierschützer die einzige Chance, die Qual der Tiere zu beenden. Wenn sie den Verbraucher erreichen und dieser wenigstens ab und zu den Ekel über den Geldbeutel siegen lässt, dann haben die Aktivisten geschafft, was die Politik versäumt. Das wäre ein großartiger Erfolg. Und gleichzeitig ein Armutszeugnis für alle, die einfach nur zuschauen.
Quelle: taz vom 09.04.2012