Der mysteriöse Kampf um Chinas Führung: Verhaftete Blogger und einflussreicher Industrieller inhaftiert

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Putschgerüchte, Mordverdacht, Intrigen: Im Herbst wird in China eine neue Staatsführung eingesetzt. Die Parteispitze ist schon jetzt nervös. Panzer im Zentrum, Militäraufmarsch in der großen Chang’an-Straße, Schüsse im Regierungsviertel: Geht man nach den wilden Gerüchten in der chinesischen Microblogger-Szene, dann muss Peking am 19. März in Aufruhr gewesen sein. Von Staatsstreich war die Rede. Zwei der Mächtigen Chinas sollen darin verwickelt gewesen sein, Zhou Yongkang und Jia Qinling, Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros, dem Zentrum der Macht in China.

Was nach längst vergessenen Revolutionstagen klingt, war aber offensichtlich eine sich selbst verstärkende Gerüchtespirale. Unruhen in Peking hat es keine gegeben. Die Blog-Postings zeigen aber eines: Chinas Führungselite in der Hauptstadt und in den Provinzen ist in erheblicher Unruhe. Am nächsten Tag waren sämtliche Einträge zum Thema verschwunden, Chinas Zensurbehörden arbeiteten ordentlich und verstärkten so nur den Eindruck des Intrigenspiels.

Zusätzlich wurde der Industriemagnat Xu Ming inhaftiert. Das US-Magazin Forbes schätzt Xus Vermögen auf etwa 520 Millionen Euro. Der Geschäftsmann, der als einer der reichsten Männer Chinas gilt, wurde am 15. März festgenommen, berichtete das Magazin ENN Weekly, das von der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua unterstützt wird. Er soll enge Verbindungen zu dem am gleichen Tag entlassenen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei in der Metropole Chongqing, Bo Xilai, gehabt haben. Erst kurz zuvor war Bo Xilai als Parteichef der Metropole Chongqing abgesetzt worden.

Bekannt ist auch, dass im Februar ausgerechnet Bos Ex-Polizeichef und Verbrechensbekämpfer Wang Lijun mit Dokumenten, die Bo belasten, für einen Tag in ein US-Konsulat geflüchtet ist und dann von Beamten der Zentralregierung in Peking in Gewahrsam genommen wurde.

Spätestens hier wird die ganze Geschichte mysteriös, Tatsache und Gerücht sind kaum auseinander zu halten. Einer Räuberpistole gleicht das ganze, seit das Wall Street Journal erstmals davon berichtete, dass der Tod eines britischen Geschäftsmannes namens Neil Heywood mit dem Sturz Bo Xilais zusammenhängt. Heywood soll enge Geschäftskontakte zur Familie Bo unterhalten haben, er starb vergangenen Herbst in seinem Hotelzimmer in Chongqing, nach offiziellen Angaben wegen Alkoholmissbrauchs. Wang Lijun jedoch soll Bo mitgeteilt haben, dieser sei vergiftet worden, im US-Konsulat berichtete er später dasselbe. Wegen der Ungereimtheiten bat daher die britische Regierung die chinesischen Behörden um eine Wiederaufnahme des Falls.

Und die Wirtschaft? Die Regierung versucht, das Wachstum zu bremsen und die allzu kreditfreudigen Banken an die Leine zu nehmen. Denn durch die Konjunkturprogramme ist die Geldmenge aufgebläht, die Inflation schwankt zwischen vier und sechs Prozent und es gibt eine Immobilien-Blase, die jederzeit platzen könnte.

Doch als Folge der Konjunkturprogramme sind heute die lokalen Regierungen – anders als die Zentralregierung – hoch verschuldet. Sie liehen sich in der Krise über Umwege bei Banken Milliarden, um die Infrastruktur aufzubauen. Dass sie all diese Schulden zurückzahlen können, bezweifelt selbst die Regierung. Die Banken könnten auf faulen Krediten in Milliardenhöhe sitzen bleiben.

Um gegenzusteuern, schränkte China die Kreditvergabe ein und schuf sich damit ein neues Problem: die Schattenbanken: Die sammeln Geld bei Privatleuten ein und reichen es an Unternehmen weiter – meist an kleine Firmen, die auf offiziellem Weg keine Kredite mehr bekommen. Einer Studie des japanischen Bankhauses Nomura zufolge liegt der Wert der Schattenbank-Kredite bereits bei mehr als 1,0 Billionen Euro (Devisenreserven ca. 2,0 Billionen Euro), das sind knapp 20 Prozent der gesamten Kreditsumme der Volksrepublik.

China könnte im Falle einer großen Krise seine enormen Reserven also selbst brauchen. Dass es sie in weiten Teilen nutzt, um wackelnde Eurostaaten zu stabilisieren, glauben Experten nicht. „Die ewigen Optimisten haben uns denken lassen, dass China die Devisenreserven anzapfen wird und in Europa auf Einkaufs- und Rettungstour geht“, so der Chef-Stratege Sean Corrigan von Diapason Commodities Management.

Quelle: dpa/PRAVDA-TV/Die Zeit/Tagesspiegel vom 03.04.2012

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