Der Geschenke-Rausch zu Ostern

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Geschenke statt Besinnlichkeit, Konsum statt innerer Einkehr. Ist das Osterfest auf dem besten Weg, das neue Weihnachten zu werden?

Gründonnerstag in der Kölner Innenstadt. Menschen eilen hektisch von Geschäft zu Geschäft. Pralle Einkaufstaschen, die meisten offenbar gefüllt mit Kleidungsstücken. Dass bald Ostern ist, merkt man spätestens, wenn man in die Schaufenster guckt: Die Dekoration ist der Saison angepasst. Bunt bemalte Eier neben Sommerkleidern, Plüschosterhasen zwischen Schuhen.

Osterdekoration in Schaufenstern der Kölner Innenstadt (Foto: Tobias Oelmaier)
Aufnahmedatum: 17.4.2012 

Was haben Ostereier eigentlich mit Parfüm zu tun?

Ich betrete ein großes Kaufhaus mitten in der Fußgängerzone, kämpfe mich durch den aufdringlichen Duft in der Parfümerieabteilung, bis ich vor der „Aktionsfläche“ stehe. Ein Karree von vielleicht zwölf mal zwölf Metern. Nichts als Ostersachen. Armeen von Osterhasen in gold, pink, lila, braun, Ostereier aus Schokolade so groß, als wären sie vom Vogel Strauß gelegt, Ostergeschirr, Osterservietten, Ostertischdecken, Osterküken aus Porzellan, aus Holz und aus Plastik als Dekomaterial.

Eine Frau fragt gerade eine Verkäuferin nach Tassen mit Ostermotiven für ihre Kinder. Es sind zwei Töchter, höre ich mit. „Ja, die haben wir. Ich zeige sie Ihnen“, bekommt sie zur Antwort. Zwei Tassen mit goldenen Osterhasen drauf, gefüllt mit Schokohäschen, 9,90 Euro das Stück. Die Kundin erschrickt: „Das sind ja 20 Euro zusammen!“. Sie runzelt die Stirn, legt ihren Kopf auf die Seite, erläutert der Verkäuferin: „Wissen Sie, meine Töchter sind gerade vier und sechs Jahre alt, die lassen die Tassen möglicherweise schon am ersten Tag fallen, dann war das Geld zum Fenster rausgeworfen.“ Die Verkäuferin zieht die Mundwinkel nach oben, die Schultern auch, lächelt verlegen. Die junge Mutter kauft die Tassen trotzdem.

Nach einer aktuellen Umfrage von myToys.de, einem großen Spielwarenhändler, planen 91 Prozent der befragten Online-Kunden, ihren Kindern ein Ostergeschenk zu machen. Dafür geben Mütter und Väter durchschnittlich 48 Euro aus. Der österliche Bezug findet sich dabei nur bei den Süßigkeiten. Aber damit lassen sich heute offenbar nur noch Kleinkinder abspeisen. Ich habe mich bei Freunden umgehört, was sie so schenken werden: Roller, Inline-Skates, Fahrräder, Bücher und Spielzeug fanden sich da auf den Wunschzetteln. Richtig – manche Kinder schreiben schon an den Osterhasen, was er ihnen denn bringen soll. Wie an Weihnachten.

Der Handel hat die kirchlichen Feiertage längst für sich entdeckt. Mit dem Slogan „Auf die Eier, fertig, los!“ wirbt der Internethändler sportprofi.de für seine Sonderaktion zu Ostern. Immerhin deutlich weniger aggressiv, als es zu Weihnachten noch eine große Elektronikkette getan hatte. Da hieß es „Weihnachten wird unterm Baum entschieden“. Kirchenvertreter, aber auch religiöse Laien liefen Sturm gegen diese, wie sie meinten, „Geschmacklosigkeit“. Der aktuelle Osterslogan desselben Unternehmens klingt so, als hätte man es eingesehen: „Ei, zwei, drei, alles versandkostenfrei.“

Kaum ein Schaufenster ist frei von Osterdekoration

Dennoch wird Ostern offenbar für viele inzwischen im Nest entschieden. Als ich einen Kunden in besagtem Kölner Warenhaus frage, was denn an Ostern gefeiert wird, sieht er mich freundlich aber hilflos an. „Irgendwas Christliches“, stammelt er sichtlich verlegen, um gleich auszuweichen: „Für uns ist das ein Familienfest, das sind Tage, die wir zusammen verbringen, und es gibt kleine Geschenke.“ Die richtige Antwort: die Kreuzigung Christi und seine anschließende Auferstehung, bekomme ich erst beim vierten Versuch. Zwei junge Mädchen wissen sofort, worum es geht. Nach verschiedenen Umfragen gehen nur rund 30 Prozent der Deutschen an den Ostertagen in die Kirche, obwohl doch der Ostersonntag als höchster christlicher Feiertag gilt.

Ich verabrede mich mit Monsignore Wilfried Schumacher, dem höchsten katholischen Würdenträger Bonns, zu einem Gespräch. Ihm ist die Thematik offenbar so wichtig, dass er sich sogar am Karfreitag für mich Zeit nimmt. Die Minuten bis unserem Treffen nutze ich, um einen Blick ins Bonner Münster zu werfen. Still knien die Menschen – um die fünfzig werden es wohl sein – auf den Kirchenbänken und beten.

Der Bonner Stadtdechant Wilfried Schumacher ist ein imposanter Mann. Groß und stattlich, mit kurzem Vollbart. Ich konfrontiere ihn mit den Umfragedaten: 48 Euro für Ostergeschenke … „Das wundert mich nicht“, sagt er. „Je weniger die Menschen wissen, was an Ostern gefeiert wird und je weniger sie davon überzeugt wird, desto mehr wird Ostern ein normales Fest für sie. Das heißt: Geschenke machen, kaufen.“ Wird die Kirche nicht instrumentalisiert von der Wirtschaft? Schumacher wiegelt ab: „Der Handel nutzt alle Gelegenheiten, um Geschäfte zu machen. Das kann ich auch verstehen. Ähnlich ist es an Weihnachten oder am Valentinstag. Das alles zeigt doch nur, wohin der Weg in der Gesellschaft geht.“

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Was wäre dann also aus Sicht der Kirche ein angemessenes Ostergeschenk für Kinder?

„Eine Osterkerze“, antwortet Monsignore Schumacher spontan. „Wenn man dann in der Lage ist, den Kindern zu erklären, worum es geht: Dass das Licht die Dunkelheit besiegt, wie das Leben den Tod besiegt. Die Kinder tun mir heute oft sehr leid, denn oft wissen sie überhaupt nichts mehr mit dieser Botschaft anzufangen.“

Sein Dekanat will alte christliche Symbole wieder in den Mittelpunkt rücken. Auch auf kulinarischer Ebene. Im Bonner Münster-Laden werden Schokoladenlämmer verkauft. Das Osterlamm gibt es schon seit dem Judentum, es hat also eine viel längere Tradition als Osterhasen, Küken oder Eier. Kostenpunkt: 2,80 Euro – und wer ein gebackenes haben möchte, muss 5,50 Euro anlegen. Gutes Gewissen inklusive, denn 50 Cent davon gehen an ein Projekt der Bonner Caritas.

Szenenwechsel. Zurück ins Kölner Stadtzentrum. Einen Tag später. An der Kasse eines anderen Kaufhauses drängen sich zwei Jungen um ihren Vater. Sie mögen im Grundschulalter sein. „Bitte, Papa, ein Schokoosterei!“, quengeln sie. Nach kurzem zögern gibt der Vater nach. „Danke!“ Mit glänzenden Augen schälen die Kinder die Folien von den Eiern und beißen genüsslich hinein. Es ist Karsamstag, der letzte Tag der christlichen Fastenzeit.

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Quelle: Deutsche Welle vom 08.04.2012

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