Die Target 2-Salden von Italien und Spanien verzeichneten in den vergangenen Monaten gigantische Ausschläge nach oben. Die ungebremste Aufnahme von Krediten bei der EZB erklärt die Nervosität von Bundesbank-Chef Jens Weidmann: Für Deutschland wächst das Risiko, als Gläubiger auf den Forderungen sitzenzubleiben.
Die neuesten Zahlen aus dem Target 2-Krimi geben jenen Recht, die vor einem weiteren Ungleichgewicht in Europa gewarnt haben. Spanien und Italien haben demnach im Jahr 2012 einen Gesamtstand von Verbindlichkeiten in Höhe von 400 Milliarden Euro kumuliert. Während Premier Mario Monti öffentlich die großen Sparerfolge seiner Regentschaft preist, hat seine Regierung weiter Kredite in Rekordhöhe aufgenommen. Die Grafik am Anfang des Artikels verdeutlicht, wie ungesund die Entwicklung in Italien ist. Das Land hatte jahrelang mehr Forderungen als Verbindlichkeiten. Jetzt gehen die Salden durch die Decke. Die Target 2 Entwicklung bedeutet auch: Die italienische Wirtschaft ist nicht mehr so stark und solide wie noch in den vergangenen Jahren. Denn die Salden spiegeln auch wider, dass Italien mehr importiert und weniger exportiert. Bei Spanien war es in den vergangenen Jahren schon immer unausgewogener, aber auch hier haben sich die Salden in den vergangenen Monaten geradezu explosionsartig entwickelt.
Vor diesem Hintergrund ist die große Nervosität in der Deutschen Bundesbank zu verstehen. Die Grafik am Ende des Artikels zeigt, dass im selben Maß, in dem die Verbindlichkeiten der Südeuropäer gestiegen sind, die Forderungen der Deutschen Bundesbank explodiert sind. Bundesbank-Chef Jens Weidmann hatte deshalb in dieser Woche in einem Brief an EZB-Präsident Mario Draghi gefordert, dass die EZB wieder zu einer Geldpolitik wie vor der Krise zurückkehren müsse. Auch Weidmann ist nun offenbar der Auffassung, dass die Kreditschwemme durch die EZB dazu führt, dass die besonders von der Schuldenkrise geplagten Staaten ihre Reformbemühungen einstellen könnten und sich stattdessen immer mehr billige Kredite bei der EZB verschaffen.
Die Target 2-Salden ergeben sich aus den Krediten, die die EZB vergibt: Sie muss sich selbst dafür immer Geld bei anderen Euro-Staaten leihen. Solange das System weiterexistiert, ist das kein Problem. Geht jedoch ein Land pleite oder zerfällt die Eurozone, dann bleibt Deutschland auf seinen Forderungen sitzen. Das sind derzeit etwa 500 Milliarden Euro. Bisher wurde dieses Thema als nicht besonders kritisch betrachtet. Wenn jedoch Weidmann in einem Gastbeitrag für die FAZ schon einmal festhält, dass er das „Auseinanderbrechen der Währungsunion für absurd“ halte, dann muss die Lage ernster sein als bisher zugegeben. Hielte Weidmann das Auseinanderbrechen nämlich wirklich für völlig absurde, er würde es mit keinem Wort erwähnen.
Quelle: Deutsche Mittelstands Nachrichten vom 15.03.2012