Die EU arbeitet an einer Änderung des Lissabon-Vertrages, um die dort verankerte No-Bailout-Klausel auszuhebeln. Die Änderung wird parallel zum ESM verhandelt, beschlossen sollen beide gleichzeitig werden – möglichst ohne erneute Volksabstimmungen in einzelnen EU-Staaten.
Bei Betrachten des Gesetzesentwurfs für den ESM fallen sehr viele Punkte ins Auge, die stark in die Souveränität der nationalen Haushalte eingreifen und dem ESM selbst deutlich mehr Befugnisse zugestehen als noch dem EFSF und der EZB. So sieht der Entwurf vor, dass der Gouverneursrat „Vorkehrungen für Sekundärmarktoperationen in Bezug auf die Anleihen eines ESM-Mitgliedes“ treffen kann. Dies soll entsprechend auf „Grundlage einer Analyse der EZB getroffen“ werden, wenn „das Vorliegen außerordentlicher Umstände auf dem Finanzmarkt sowie Risiken für die Finanzstabilität festgestellt werden“. Doch über diese Möglichkeit hinaus, Staatsanleihen am Sekundärmarkt zu kaufen, kann der Gouverneursrat noch mehr.
Herman Van Rompuy möchte ein komplettes Vertragswerk zur Transferunion. Deshalb arbeitet die EU an einer unauffälligen Änderung des Lissabon-Vetrrages – um Pleitestaaten retten zu können.
Im Gegensatz zur EZB kann der Gouverneursrat, so sieht es der Gesetzesentwurfs vor, auch „Vorkehrungen zum Ankauf von Anleihen eines ESM-Mitglieds am Primärmarkt“ treffen. Genau dies wurde für die EZB ausgeschlossen, da es der No-Bailout-Klausel im Artikel 125 des Lissabon-Vertrages widerspricht. Einer Quelle der Deutschen Mittelstands Nachrichten zufolge arbeiten EU-Beamte und Vertreter des Rats deshalb still und leise bereits an einer entsprechenden Änderung des Lissabon-Vertrages, um Ausnahmen des Bailout-Verbots möglich zu machen. Diese Änderung laufe bereits parallel zur Ratifizierung des ESM-Vertrages. In Brüssel hofft man, dass diese Änderung gleichzeitig mit dem ESM beschlossen werden kann. Man hätte dann aus Brüsseler Sicht eine „komplette Lösung“ für die Einführung einer Transferunion. Offenbar versuchen die Beamten, die Bailout-Möglichkeit in Form eines eher technisches Verweises zu regeln, um nicht wieder eine Diskussion der Zustimmungs-Pflicht zur Vertragsänderung loszutreten.
Darüber hinaus ist der ESM „befugt, zur Erfüllung seiner Aufgaben an den Kapitalmärkten Anleihen von Banken, Finanzinstituten oder sonstigen Personen und Institutionen aufzunehmen“. Er darf „bewegliches und unbewegliches Vermögen“ erwerben und veräußern, Verträge abschließen und der ESM „genießt“ mit samt seinem „Eigentum, seiner Mittelausstattung und seinen Vermögenswerten“ Immunität.
Zudem ist der „ESM von jeglicher Zulassungs- oder Lizenzierungspflicht, die nach dem Recht eines ESM-Mitgliedes für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsunternehmen (…)“ gilt, befreit. Dementsprechend kann der ESM dem Entwurf nach per se wie eine Bank agieren, ohne eine Lizenz erwerben zu müssen.
Quelle: Deutsche Mittelstands Nachrichten vom 21.03.2012