Bei den Gegnern von Wladimir Putin wächst die Wut: Nach der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl haben in Moskau und St. Petersburg Tausende Russen gegen dessen Wiederwahl demonstriert. In der Hauptstadt versammelten sich nach Angaben der Veranstalter bis zu 20.000 Teilnehmer in der Innenstadt. Als mehrere hundert Demonstranten sich weigerten, den Puschkin-Platz zu verlassen, gingen Polizisten gewaltsam gegen die Protestierenden vor.
Sie nahmen mindestens 50 Regierungskritiker fest, darunter prominente Putin-Gegner. Der bekannte Blogger Alexej Nawalny sei ebenso abgeführt worden wie der Linkspolitiker Sergej Udalzow, meldete die Agentur Interfax am Montagabend. „Gruß an alle aus dem Polizeiwagen“, twitterte der 35-jährige Nawalny am Abend. Auch die Oppositionellen Jewgenija Tschirikowa und Ilja Jaschin, ebenfalls Führungsfiguren der Anti-Putin-Bewegung, und Schriftsteller Eduard Limonow, Führungsmitglied der Bewegung Anderes Russland, wurden abgeführt.
Zuvor waren bereits bei einer zweiten, nicht genehmigten Kundgebung in der Hauptstadt mindestens hundert radikale Oppositionelle festgenommen worden. Zahlreiche Putin-Gegner zogen zum Roten Platz vor dem Kreml weiter, den Sicherheitskräfte hermetisch abriegelten. Rund 12.000 Polizisten und Soldaten sind in Moskau im Einsatz, wie die Nachrichtenagentur ITAR-TASS unter Berufung auf das Innenministerium meldete. In der Nähe des Kremls feierten nach offiziellen Angaben etwa 10.000 Jugendliche bei einer erlaubten Versammlung die Rückkehr von Putin in den Kreml.
In St. Petersburg wurden bei einer nicht genehmigten Kundgebung etwa 300 Demonstranten abgeführt, sagte ein Sprecher der Behörden nach Angaben der Agentur Interfax. Bei der Versammlung mit insgesamt 800 Menschen in der zweitgrößten Stadt Russlands seien auch Molotow-Cocktails auf Polizeiwagen geworfen worden, hieß es. Proteste gab es auch in Nischni Nowgorod.
Noch-Ministerpräsident Putin kam bei der Wahl am Sonntag nach vorläufigem amtlichen Endergebnis auf 63,6 Prozent der Stimmen. Das teilte die Zentrale Wahlkommission nach Angaben der Agentur Interfax mit. Putin zieht im Mai zum dritten Mal nach 2000 und 2004 als Staatschef in den Kreml ein, nach einer Verfassungsänderung beträgt die Amtszeit künftig sechs statt bisher vier Jahre.
Die Opposition und unabhängige Beobachter werfen der Regierung Wahlbetrug vor. Die Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprach von „ernsthaften Problemen“. Der Missionschef der OSZE, Tonino Picula, erklärte am Montag, es habe keinen echten Wettbewerb gegeben. Durch den Missbrauch von Regierungsmitteln sei sichergestellt worden, dass es am endgültigen Sieger niemals einen Zweifel gegeben habe. Die Bedingungen für die Abstimmung seien klar auf den Regierungschef Putin zugeschnitten gewesen. Konkret bemängelten die Beobachter, dass die Staatsmedien vor allem über Putin berichtet hätten.
Bei der Abstimmung selbst hat es laut OSZE in jedem dritten Wahllokal Unstimmigkeiten gegeben. In einem Drittel der Wahllokale sei die Auszählung „schlecht“ verlaufen. Bereits während des Urnengangs waren von Wahlbeobachtern massive Vorwürfe des Betrugs zugunsten des künftigen PräsidentenWladimir Putin erhoben worden.
Die USA riefen die russische Regierung auf, Berichte über Verstöße bei der Wiederwahl von Putin zu untersuchen. Es müsse sich um eine „unabhängige, glaubwürdige Untersuchung aller berichteten Wahlverstöße“ handeln, forderte das Außenministerium in Washington am Montag.
Das Ministerium erklärte, die USA würden nach der Bestätigung des Wahlergebnisses mit „dem designierten Präsidenten“ zusammenarbeiten, nannte aber Putin nicht namentlich. Auch gratulierte das Ministerium Putin nicht.
Quelle: SPIEGEL/heb/dpa/AFP/Reuters/dapd vom 05.03.2012