Iran soll Atombombe in Nordkorea getestet haben

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Seit Jahren verdächtigt die internationale Staatengemeinschaft den Iran, neben seinem zivilen auch ein militärisches Nuklearprogramm zu betreiben. Zwar mehren sich die Anzeichen für ein solches militärisches Programm, doch Teheran bleibt hartnäckig bei seiner Aussage, lediglich die friedliche Nutzung der Kernenergie anzustreben.

Noch immer schenkt auch so mancher westliche Rüstungskontrollexperte diesen Beteuerungen Glauben. Trotz zahlreicher Indizien gelte schließlich auch für den Iran die Unschuldsvermutung. Erst wenn eine Nation einen Nukleartest durchgeführt habe, seien ihre militärischen Absichten eindeutig bewiesen. Und im Iran habe definitiv noch nie ein Test stattgefunden.

Was aber, wenn der Iran bereits eine Nuklearwaffe getestet hätte? Und dies nicht etwa auf iranischem Territorium, sondern dort, wo ohne Rücksicht auf die Weltmeinung noch immer Nukleartests durchgeführt werden und wo man bislang stets bereit war, nukleare Expertise und Technologie gegen harte Devisen zu exportieren – in Nordkorea?

Ausgelöst hat diese Debatte ein Bericht der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ im vergangenen Monat. Hierin werden Erkenntnisse des schwedischen Nuklearphysikers Lars-Erik de Geer vorgestellt, der für die Swedish Defence Research Agency in Stockholm Radioisotope in der Atmosphäre erforscht. De Geer hatte Daten ausgewertet, die von verschiedenen Messstationen in Südkorea, Japan und Russland im Auftrag der Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO) gesammelt worden waren.

Die Organisation selbst hatte keine eigene Auswertung unternommen. De Geer zufolge hat Nordkorea im Jahr 2010 wahrscheinlich zwei geheime Nuklearwaffentests durchgeführt. Zwar gab es sofort Widerspruch von anderen Nuklearwissenschaftlern. Die Datenbasis des Schweden ist jedoch ziemlich solide, zumal er auf umfangreiche Erfahrungen aus dem Kalten Krieg bei der Interpretation von Messdaten sowjetischer Nukleartests zurückgreifen kann.

De Geers Aussage beruht auf der Entdeckung verschiedener kurzlebiger Radioisotope, die nur künstlich erzeugt worden sein können. So kann insbesondere die Existenz des gemessenen Barium-140 nur durch ein plötzliches nukleares Ereignis erklärt werden. Ähnliches gilt für das Verhältnis von Xenon-133 und 133 m (ein energiereiches, halbstabiles Isotop.) Doch das ist noch nicht alles.

Die Zusammensetzung aller gemessenen Radioisotope lässt nur den Schluss zu, dass das Ausgangsmaterial der Tests Uran gewesen sein muss. Soweit die Forschungen de Geers. Sein Bericht erscheint in der April/Mai-Ausgabe der Zeitschrift „Science and Global Security“.

Natürlich hat de Geer versucht, seine Daten zu interpretieren. Dabei ist er allerdings wenig überzeugend. So spekuliert er schließlich, wahrscheinlich habe Nordkorea zwei sprengkraftverstärkte („boosted“) Gefechtsköpfe getestet. In diesem Verfahren werden in den spaltbaren Kern eines nuklearen Sprengsatzes circa drei Gramm eines Deuterium-Tritium-Gemisches eingebracht.

Hierdurch erhöht sich die Sprengkraft auf das Doppelte. Die Atomwaffen der klassischen Nuklearwaffenstaaten sind überwiegend „boosted“. Allerdings haben diese Waffen den Nachteil, dass der Tritium-Anteil wegen der Halbwertszeit dieses Materials von zwölf Jahren regelmäßig in eben diesem Intervall ergänzt werden muss. Tritium ist nur in einem komplizierten Reaktorvorgang zu erzeugen.

Warum aber sollte Nordkorea um die Tests zweier „geboosteter“ Nuklearwaffen eine solche Geheimniskrämerei betreiben, nachdem es die früheren Tests ja medienwirksam vermarktet hatte? Vor allem aber trägt de Geers Interpretation der Brisanz seiner wissenschaftlichen Erkenntnisse in keiner Weise Rechnung.

Denn das eigentlich Sensationelle an de Geers Feststellungen ist, dass das Ausgangsmaterial beider Tests Uran gewesen ist. Nordkoreas jahrelangen Beteuerungen zufolge besaß das Land aber gar kein waffenfähiges Uran. Die Ende 2010 erstmals öffentlich vorgeführte nukleare Anreicherungsanlage konnte in diesem Zusammenhang naturgemäß keine Rolle spielen. Die Waffen in den beiden bekannten Tests von 2006 und 2009 hatten dann auch einen Kern aus Plutonium.

Woher also stammt das waffenfähige Uran für die beiden 2010 getesteten Sprengsätze? Hierfür gibt es nur zwei mögliche Erklärungen, die auch die strenge Geheimhaltung der Tests sinnvoll und notwendig erscheinen lassen. Zum einen könnte es sich um waffenfähiges Uran aus Nordkoreas eigener geheimer Produktion handeln. Zwar hat das Land bis zum Herbst 2010 bestritten, Uran anzureichern.

Inzwischen steht aber längst fest, dass Nordkorea ab dem Jahr 1998 Uran mit ursprünglich pakistanischen Zentrifugen des Typs P-1 angereichert hat. In den Jahren bis zu den beiden Tests von 2010 hätte Nordkorea problemlos hochangereichertes Uran für zwei Sprengköpfe produzieren können. Die Notwendigkeit zur Geheimhaltung der Tests ergäbe sich in diesem Fall aus der Absicht des nordkoreanischen Regimes, das Lügengebäude um seine langjährigen Anreicherungsaktivitäten unter allen Umständen aufrechtzuerhalten.

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Die zweite Erklärung wäre, dass Nordkorea einen nuklearen Fremdtest durchgeführt hat – in diesem Fall eines iranischen Sprengsatzes. Das wäre zwar eine Sensation, allerdings nicht völlig überraschend. Seit einigen Jahren registrieren die Geheimdienste eine enge Zusammenarbeit zwischen nordkoreanischen und iranischen Experten bei der Vorbereitung eines nuklearen Tests. Die Vermutungen gingen bisher allerdings von einem unterirdischen Nuklearwaffentest auf iranischem Gebiet aus.

Und nun der geheime Test einer iranischen Nuklearwaffe durch Nordkorea? Der naheliegende Einwand gegen dieses Szenario wäre, dass der Iran nach den Erkenntnissen der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) bisher noch kein waffenfähiges Uran produziert hat. Doch dieser Einwand steht auf schwachen Füßen.

Die IAEO kontrolliert nur die Anreicherungsanlagen von Natans und Fordo. Das bedeutet, dass die Anreicherung von Uran im Iran mit der Inbetriebnahme von Natans im Jahr 2007 begonnen hat. Zugleich weiß die IAEO aber, wie ihr früherer stellvertretender Direktor vor einiger Zeit unmissverständlich feststellte, dass im Iran spätestens seit 1998 Uran angereichert wurde – wo auch immer. Wenn das aber stimmt – und darüber gibt es keine ernsten Zweifel –, wo ist dann die Produktion aus der Zeit von 1998 bis 2007?

Dieses Problem wäre wohl längst öffentlich thematisiert worden, wenn der viel diskutierte und heftig umstrittene National Intelligence Estimate (NIE) von 2007 nicht die von allen amerikanischen Geheimdiensten getragene Aussage enthalten hätte, der Iran habe zwar ein Nuklearwaffenprogramm gehabt, dieses jedoch 2003 eingestellt. Nun schien alles gut zu werden. Der kritische Blick zurück lohnte sich nicht mehr. Dabei enthielt der NIE 2007 Formulierungen, die nicht verloren hätten gehen dürfen, zum Beispiel:

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„Wir sind uns ziemlich sicher, dass das iranische Militär unter der Führung der Regierung bis 2003 an der Entwicklung von Nuklearwaffen gearbeitet hat.“ Selbst wenn man konzediert, dass der Iran seine gesamten nuklearen Aktivitäten 2003 ausgesetzt hat, bleibt die Frage nach der Produktion aus den Jahren 1998 bis 2003. Und nicht nur das. Es gibt im einschlägigen Expertenkreis kaum noch jemanden, der nicht der Meinung ist, dass sich die zentralen Aktivitäten des iranischen Nuklearwaffenprogramms beim Militär beziehungsweise unter militärischer Aufsicht vollziehen.

Von da ist es nicht mehr weit zu der Überlegung der jüngst verstorbenen Forschungsdirektorin der französischen Atomenergiebehörde, Therèse Delpech, das ganze sichtbare zivile Nuklearprogramm des Iran sei nichts weiter als ein groß angelegtes Täuschungsmanöver – teuer zwar, aber offensichtlich wirksam.

Jedenfalls war das iranische Militär durchaus in der Lage, 2010 einen zündfähigen nuklearen Sprengsatz zum Test nach Nordkorea zu schaffen. Es ist daher auch nicht überraschend, wenn einige Geheimdienste inzwischen davon ausgehen, dass Nordkorea tatsächlich 2010 zumindest einen nuklearen Test für den Iran durchgeführt hat.

Zudem wurde vor wenigen Tagen bekannt, dass der IAEO ein Dokument vorliegt, wonach es der religiöse Führer Ayatollah Khomeini selbst war, der bereits im Jahr 1984 entschied, das nach der Entmachtung des Schahs eingestellte Nuklearwaffenprogramm wieder aufzunehmen. Wie sein Nachfolger Ayatollah Chamenei erklärte, betrachtete man eine iranische Atombombe als den einzigen Weg, um die Islamische Revolution zu schützen und sie auf die Ankunft des Imam Mehdi vorzubereiten. Ein iranisches nukleares Arsenal ist nach den Worten von Chamenei eine Abschreckung in den Händen der Gotteskrieger.

Mit diesem sensationellen Bericht aus dem inneren Führungszirkel Teherans wird deutlich, dass es sich bei Khomeinis oft zitierter Fatwa (islamisches Rechtsgutachten), derzufolge Nuklearwaffen nicht mit dem Islam vereinbar seien, um ein reines Täuschungsmanöver handelt. Der Iran ist seit Jahrzehnten fest entschlossen, Nuklearmacht zu werden.

Natürlich werden die Beteiligten all dies dementieren. Unmittelbare praktische Konsequenzen werden sich nicht ergeben, wohl aber werden die offenen und latenten Vorbehalte gegen die iranische Führungsriege weiter wachsen und die politische Atmosphäre endgültig vergiften.

Hätte Nordkorea einen nuklearen Sprengkopf des Iran getestet, wäre dies zwar eine Überraschung, der Vorgang als solcher ist in der Geschichte der Atomwaffen nicht ungewöhnlich. Nukleare Tests durch befreundete Nationen beziehungsweise auf fremdem Territorium hat es regelmäßig gegeben. Am bekanntesten ist der als „Vela Incident“ in die Geschichte eingegangene Test einer israelischen Neutronenwaffe in unmittelbarer Nähe der zu Südafrika gehörenden Prince-Edward-Inseln, 2500 Kilometer südlich von Kapstadt.

Zwar bestreiten alle Beteiligten offiziell bis heute diesen Test; Aussagen südafrikanischer Marineangehöriger und Nuklearexperten lassen inzwischen aber keinen ernsthaften Zweifel mehr zu, dass die amerikanischen „Vela“-Satelliten am 22.September 1979 keinen Blitzschlag, sondern eine nukleare Explosion registriert haben.

In den 90er-Jahren gab es mehrere Fremdtests. So führten die USA in Nevada mehrere Versuche für ihren engsten Verbündeten Großbritannien durch. China hat wohl Pakistans erste Nuklearwaffe am 26.Mai 1990 in Lop Nor gezündet. Letzteres wird zwar bestritten, die Fakten sind jedoch eindeutig. Unsicher ist dagegen nach wie vor, ob Pakistan im Zuge einer Versuchsreihe von insgesamt sechs Tests in nur zwei Tagen im Mai 1990 ein nordkoreanisches Produkt mitgetestet hat.

All diese Fremdtests wurden amtlich geheim gehalten. Offen angekündigt wurden dagegen die Tests, die von den Produzenten der Nuklearwaffen selbst auf fremdem Territorium durchgeführt wurden: Großbritannien testete seine Nuklearwaffen in Australien, Frankreich zunächst in Algerien, nach 1966 in Französisch Polynesien. Die Ausnahme ist der israelische Versuch in südafrikanischen Gewässern.

Aber es gibt noch weitere Beteiligungsformen. Verbreitet, aber nur in wenigen Fällen amtlich vermerkt, sind offizielle „Beobachter“, die zu einschlägigen Tests und zu anschließenden Auswertungsgesprächen eingeladen werden. So spricht alles dafür, dass iranische Wissenschaftler zumindest beim zweiten nordkoreanischen Test 2009 vor Ort waren. Gängig ist auch der strukturierte Transfer von Testergebnissen. Sicher ist in diesem Kontext, dass die USA Großbritannien und Frankreich auf dem Laufenden gehalten haben.

Einiges spricht dafür, dass Frankreich und Israel eine entsprechende Beziehung hatten. Sehr wahrscheinlich ist darüber hinaus, dass die USA den Israelis Testergebnisse haben zukommen lassen. Als gesichert kann schließlich gelten, dass der pakistanische Atomschmuggler Abdul Q. Khan seinen Kunden (Nordkorea, Iran, Libyen) nicht nur Zentrifugen und diverse Gefechtskopfdesigns, sondern auch nukleare Testergebnisse verkauft hat.

Ein Sonderfall ist das sowjetisch-chinesische Verhältnis. 1957 begann die Sowjetunion, China beim Aufbau eines vollständigen nuklearen Kreislaufs zu beraten. Die Aktivität gipfelte in einem Vertrag, in dem die Sowjetunion sich nicht nur zu umfassender Hilfe bei der Entwicklung eines nuklearen Sprengkörpers verpflichtete, sondern auch die Lieferung einer ersten vollständigen Nuklearwaffe an China versprach. Der Vertrag sollte jedoch nicht lange Bestand haben.

Im Sommer 1959 kündigte Chruschtschow ihn und verweigerte nicht nur die Übergabe eines nuklearen Prototyps, sondern auch die Bereitstellung jeglicher Art nuklearer Materialien. Damit war das sowjetisch-chinesische Verhältnis allerdings noch nicht völlig zerrüttet. Als die Regierung Kennedy 1963 in Moskau die Möglichkeit eines gemeinsamen nuklearen Erstschlages gegen Chinas Atomwaffenprogramm ins Spiel brachte, wurde sie zurückgewiesen.

Sechs Jahre später war alles anders. Als die Sowjets 1969 die USA für einen Entwaffnungsschlag gegen Pekings Nuklearprogramm gewinnen wollten, stießen sie in Washington auf taube Ohren.

Auch wenn die vergangenen 60 Jahre vielfältige Formen nuklearer Zusammenarbeit hervorgebracht haben – der Test einer iranischen Nuklearwaffe durch Nordkorea wäre ein singuläres, ein welthistorisches Ereignis. Gleichsam über Nacht würde sich die Lage im Nahen Osten fundamental verändern: Die angekündigte „Welt ohne Nuklearwaffen“ des amerikanischen Präsidenten Barack Obama hätte sich erledigt; die weltweite Politik der Nichtverbreitung wäre gescheitert.

Noch handelt es sich bei den Erkenntnissen über einen iranischen Nukleartest in Nordkorea um Geheimdienstwissen. Dass dieses umstritten bleiben wird, dafür werden die diversen amerikanischen Geheimdienste sorgen. Wenige Monate vor seiner erstrebten Wiederwahl kann sich Präsident Obama einen Zusammenbruch seiner Außenpolitik nicht leisten.

Quelle: 05.03.2012

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