Gasleck in der Nordsee eskaliert: Zweiter Energiekonzern zieht Arbeiter von Bohrinsel ab

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Seit Sonntag kämpft der Energiekonzern Total mit einem Gasleck an einer Förderplattform in der Nordsee. Alle 238 Arbeiter hat das Unternehmen bereits in Sicherheit gebracht, die Plattform Elgin-PUQ ist daher zurzeit unbemannt. Jetzt hat auch Shell Arbeiter von der nahe gelegenen Shearwater-Plattform sowie der Hans-Deul-Bohrinsel abgezogen – als Vorsichtsmaßnahme, wie das Unternehmen betont. Die Küstenwacht hat die Region für Schiffe und Flugzeuge gesperrt.

Das Leck an Bord der Total-Plattform entstand nach bisherigen Erkenntnissen bei der Versiegelung eines Bohrlochs, das nicht mehr genügend Gas lieferte. Bei mehreren Aufklärungsflügen über die Bohrinsel wurde ein öliger Film auf dem Wasser gesichtet. Nach Angaben des britischen Energieministeriums erstreckt er sich über eine Fläche von rund 1,4 mal 11 Kilometern. Die Menge an Kohlenwasserstoffen, die den Film verursacht, schätzt das Ministerium auf 2 bis 23 Tonnen. Für die Umwelt sei ein solcher Gasaustritt weniger schädlich als der von Rohöl, hieß es.

Die ausgetretene Mischung aus Gas und Flüssigkeiten besteht zum größeren Teil aus Methan, enthält aber auch andere Kohlenwasserstoffe wie Propan und Butan. Das Gas im Elgin-Vorkommen ist zudem vergleichsweise reich an Kohlendioxid (CO2) und Schwefelwasserstoff (H2S); auch durch Letzteres ist das Gemisch leicht entzündlich.

„Wir haben den Strom auf der Plattform ausgeschaltet, um das Risiko, dass sich das Gas entzündet, zu minimieren“, sagte David Hainsworth, Manager für Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltfragen bei Total. Jake Molloy von der britischen Gewerkschaft RMT, die Arbeiter auf Bohrinseln vertritt, gab Augenzeugenberichte wieder: „Menschen in elf Kilometer Entfernung konnten eine Gaswolke von der Total-Bohrinsel aufsteigen sehen.“ Ingenieure hätten gesagt, dass das Gas mit großer Wahrscheinlichkeit direkt aus dem Vorkommen durch das Bohrrohr austrete.

Möglicherweise muss Total eine Entlastungsbohrung vornehmen, um den Druck zu reduzieren, so dass die Ingenieure das Leck stopfen können. „Das wird wahrscheinlich Monate in Anspruch nehmen und viel Geld kosten. Und in der Zwischenzeit könnte eine Menge Gas in die Atmosphäre gelangen“, zitiert die Agentur Reuters einen namentlich nicht genannten Ingenieur. Eine Entlastungsbohrung war auch Teil der Maßnahmen gegen die Deepwater-Horizon-Katastrophe im Golf von Mexiko. Allerdings könnten die Gegebenheiten rund um die Total-Plattform in der Nordsee die Bohrung einfacher machen.

Total-Manager Hainsworth sagte, außer einer Entlastungsbohrung sei es auch möglich, das Bohrloch mit Schlamm aufzufüllen. „Das beste Szenario wäre, dass das Gasvorkommen nicht sehr produktiv ist und in den nächsten Tagen oder Wochen versiegt“, sagte er.

Total flog nach eigenen Angaben 10 bis 20 Spezialisten ein und heuerte den Dienstleister Wild Well Control an, der auch bei der Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko 2010 zum Einsatz kam. Die Total-Aktie notierte 4,5 Prozent im Minus.

Das Elgin-Feld liegt rund 240 Kilometer östlich der schottischen Stadt Aberdeen, an dieser Stelle ist die Nordsee gut 90 Meter tief. Das Vorkommen liegt jedoch fast sechs Kilometer unter dem Meeresgrund, wo Temperaturen von rund 190 Grad Celsius herrschen. Der Druck beträgt dort bis zu tausend Bar – als würde eine Tonne Gewicht auf einem Fingernagel liegen, wie Total erklärt. Totals Förderkomplex über den Elgin- und Franklin-Vorkommen besteht aus drei Plattformen. Zwei fünf Kilometer auseinander liegende, unbemannte Bohrinseln fördern das Gas. Die dritte Plattform (PUQ) ist bemannt und mit der Elgin-Bohrinsel über eine 90 Meter lange Metallbrücke verbunden. Von der Franklin-Bohrinsel führt eine knapp 5700 Meter lange, im Wasser liegende Pipeline zur PUQ. Nach Angaben von Total liegt die Tagesproduktion bei 230.000 Barrel Öl-Äquivalent.

Es ist nicht der erste Zwischenfall an dieser Stelle: In den im Jahr 2011 vom britischen „Guardian“ veröffentlichten Daten zu Bohrunglücken in der Nordsee taucht PUQ gleich an zweiter Stelle auf. Bei zwei Zwischenfällen traten dort umgerechnet 4920 Kilogramm Gas aus.

Quelle: Reuters/Der Spiegel vom 27.03.2012

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