Finanzkrise: „Bundesbank verharmlost eine finanzielle Atombombe“

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Verwunderlich war eigentlich nur, dass der Bund der Steuerzahler so lange schwieg. Immer wieder war er von besorgten Bürgern auf die drohenden Gefahren in der Bilanz der Bundesbank aufmerksam gemacht worden, ohne jedoch zu reagieren. Erst jetzt, nachdem die Risiken bereits die Höhe zweistelliger Milliardenbeträge erreicht haben, schlägt der „Bund der Steuerzahler in Bayern e.V.“ Alarm. Nun allerdings hält er über die Bundesbanker in zuvor kaum erwarteter Härte Gericht. Er spricht von der „Verharmlosung einer finanziellen Atombombe“.

Zunächst einmal erhebt der Verein schwere Vorwürfe gegen Bundesbank-Präsident Jens Weidmann. Dieser habe die Öffentlichkeit wissentlich falsch informiert, indem er die wahren Risiken für den deutschen Steuerzahler heruntergespielt habe. Die Bürger seien getäuscht worden. So sei der „derzeitige ,Aufschwung’ in Deutschland unmittelbar aus der Kasse der Bundesbank – also von den Deutschen selbst – finanziert“ worden.

„Bald ist die Kasse leer und der Wendepunkt erreicht“, schreibt Rolf Hohenhau, Präsident des bayerischen Steuerzahlerbundes in einer im Internet verbreiteten Stellungnahme. „Fällt ein Euroland, fällt die Eurounion. Folglich werden wir so lange weitere ,Rettungsaktionen’ von Euroländern sehen, bis alle Finanzmittel und Vermögen, insbesondere die der deutschen Bürger, erschöpft sind.“

Anlass für diese Kritik ist ein Beitrag Weidmanns für die „FAZ“ mit dem Titel „Was steckt hinter den Target-2-Salden?“ Darin schrieb der Bundesbankpräsident: „Mit diesem Zahlungssystem wird in der Währungsunion grenzüberschreitend Zentralbankgeld zwischen den nationalen Notenbanken übertragen.“

Dazu sagt der Steuerzahlerbund: „Diese Darstellung ist nicht richtig.“ Richtig sei vielmehr, dass die Zentralbank des anderen EU-Mitgliedslandes „nur einen Zahlungsauftrag“ auslöse und die Bundesbank „nach den Target-2-Regeln gezwungen ist, diesen im Inland mit eigenem Geld zu bezahlen“. Sie selbst erhalte also kein Geld, sprich es komme zu keiner Überweisung oder Übertragung aus dem Ausland.

Das funktioniert so: Ein griechisches oder portugiesisches Unternehmen bestellt Waren in Deutschland, und die Bundesbank muss dafür sorgen, dass der deutsche Lieferant sein Geld bekommt.

„So entsteht (täglich) ein Erstattungsanspruch gegen die Auftrag gebende ausländische Zentralbank“, schreibt der Steuerzahlerbund. Dieser werde nach den Target-2-Regeln um 24 Uhr gelöscht. Zum Ersatz dafür erhalte die Bundesbank eine Forderung in gleicher Höhe gegen die Europäische Zentralbank (EZB) zugewiesen.

Da die ausländische Zentralbank einen Zahlungsauftrag erteilt habe, ohne tatsächlich selbst zu zahlen, erhalte sie eine entsprechende Verbindlichkeit gegen die EZB zugewiesen. „Dieser Mechanismus erzeugt zwangsläufig Dauerkredit“, schreibt Hohenau.

Auf diese Weise haben sich von 2007 bis heute 865 Milliarden Euro an Forderungen gegenüber anderen EU-Ländern in der Bilanz der Bundesbank angesammelt. Das ist mehr als doppelt soviel wie der gesamte Staatshaushalt der Bundesrepublik. Diese Summe sei entstanden, so der Steuerzahlerbund, weil zwar Auszahlungsaufträge an die ausländischen Zentralbanken erteilt wurden, diese selbst aber nicht bezahlt worden seien. In der Vergangenheit hatte die Bundesbank auf Nachfragen von „Welt Online“ stets behauptet, daraus ergebe sich kein Risiko für den deutschen Steuerzahler.

Der Steuerzahlerbund indes sieht das nun anders: „Die Bundesbank hat es zugelassen, dass über den Target-2-Mechanismus aus ihrem Vermögen, also aus dem deutschen Bürgervermögen, inzwischen 560 Milliarden Euro herausoperiert und durch zweifelhafte Forderungen geringerer Sicherheit gegen die EZB ersetzt wurde“, schreibt Hohenhau. „Wäre dem schon 2007 von der Bundesbank Einhalt geboten worden, gäbe es diese Situation nicht.“

Im Übrigen könne Bundesbank-Präsident Weidmann nicht darüber hinwegtäuschen, dass er selbst „den Euro-System-Kollaps real für möglich“ halte. Diesen Schluss zieht der Steuerzahlerbund aus einem besorgten Brief, den Weidmann an den EZB-Präsidenten Mario Draghi, in dem er diesen vor steigenden Risiken im System der Notenbanken gewarnt und unter Bezug auf die Target-2-Salden einen Forderungsausfall thematisiert habe.

Der Behauptung Weidmanns, letztlich würden sich die Risiken aus dem Target-2-System auf alle Notenbanken der Euro-Zone verteilen, hält Hohenhau einen beispielhaft durchgerechneten Zahlungsausfall Griechenlands, Italiens und Spanien entgegen. Deren Target-2-Schulden betrugen im Februar 485 Milliarden Euro. Bei einem Zahlungsausfall sei das Eurosystem als Ganzes geschädigt, schreibt Hohenhau, daher müssten die Verluste auf die restlichen Länder neu aufgeschlüsselt und verteilt werden. In diesem Fall müsse Deutschland rund 40,3 Prozent des gesamten Zahlungsausfalls tragen, die anderen Staaten zusammen 59,7 Prozent.

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„Wir schätzen das Ausfallrisiko aufgrund geringerer Sicherheiten auf 50 bis 75 Prozent“, so der Steuerzahler-Präsident. Schon bei nur einem Ausfallrisiko von 50 Prozent betrage der Anteil der Bundesbank 97 Milliarden Euro. Falle nur Griechenland aus, sei die Bundesbank mit 15 Milliarden Euro betroffen. „Sollten neben Griechenland weitere Euro-Länder zahlungsunfähig werden, verläuft die Haftungskurve exponentiell“, warnt Hohenhau.

Ganz offensichtlich in Erwartung schwerer Zeiten hatte die Bundesbank Enden letzten Jahres ihre Risikorückstellungen massiv auf über zwölf Milliarden Euro ausgeweitet. Zusammen mit ihrem Eigenkapital und dem Grundkapital verfügt sie damit über 17 Milliarden Euro. „Schon im Falle einer Griechenlandpleite wäre die Bundesbank schwerstens angeschlagen und müsste vom Bund – also von den Bürgern – rekapitalisiert werden“, schreibt der Steuerzahlerbund.

Hohenhau fordert Weidmann auf, „die weitere Plünderung der Bundesbank“ zu beenden, indem entweder Target-2 sofort gestoppt oder ein monatlicher Ausgleich durch Gold und andere „werthaltige Sicherheiten“ eingeführt werde.

Aufgrund ihrer Treuhandstellung gegenüber dem Bundesbürger sei die Bundesbank verpflichtet, „durch geeignete Worte und Taten eine unwillige Regierung und die EZB auf den richtigen Kurs zu zwingen. Wir können nicht erkennen, dass dies in den vergangenen Jahren tatsächlich versucht wurde“, schreibt Hohenhau. Schärfer hätte er Bundesbank und Regierung kaum verurteilen können.

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Quelle: Die Welt vom 23.03.2012

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