Euro-Zone schummelt sich „Brandmauer“ zurecht – Zusätzliche 150 Milliarden Euro an IWF

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Mit einem simplen Trick versuchen die Finanzminister, den Euro-Rettungsschirm auf eine Billion aufzublähen: Sie rechnen in Dollar, nicht mehr in Euro. Auch Griechenland-Hilfen fließen mit ein.

Die „Sprache der Finanzmärkte“ müsse man sprechen, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), um zu verstehen, was die Märkte wollten.

Nach dem Treffen der Euro-Finanzminister in Kopenhagen wirkt es, als spreche Schäuble diese Sprache sehr gut. So gut, um die Märkte und einige seiner Amtskollegen glauben zu machen, er habe einer viel größeren Aufstockung der europäischen Notmittel zugestimmt als von ihm geplant.

Schäuble hat sein Ziel erreicht, die Rettungsschirme in den Augen der Finanzmärkte so hoch wie möglich aussehen zu lassen und sie gleichzeitig mit so wenig Geld wie möglich auszustatten. Nun stehen 500 Milliarden Euro für neue Rettungsaktionen zur Verfügung – 200 Milliarden mehr als ursprünglich verabredet.

Auch der Internationale Währungsfonds und auch die Partner in den USA forderten die Schallgrenze der Billion. Für sie alle könnten 700 Milliarden Euro mickrig aussehen. Deswegen entschlossen sich die Finanzminister zu einem buchhalterischen Trick: Ganz offiziell zählt nun auch Geld zum europäischen Rettungsschirm, das tatsächlich schon auf dem Konto der Empfänger gelandet und von denen auch schon wieder ausgegeben ist.

Das sind 53 Milliarden Euro aus dem ersten Griechenland-Programm und 49 Milliarden Euro aus einem Rettungstopf, der aus dem regulären EU-Haushalt gespeist wurde, in dem heute fast nichts mehr liegt.

Schäuble selbst hatte dieses Rechenspiel am Abend zuvor bei einem Vortrag vor Studenten in Kopenhagen ins Spiel gebracht und überraschte seine Zuhörer mit einer Zahl von nunmehr 800 Milliarden Euro, von denen zuvor nie die Rede gewesen war. Ihr Charme liegt in der Umrechnung in Dollar.

Am Freitag lief eine Kamera, als Schäuble mit Bundesbankpräsident Weidmann im Sitzungsraum im Bella Center, dem Kopenhagener Kongresszentrum, sich über den Finanztrick freute. Denn: „Diese 800 Milliarden machen eine Billion US-Dollar aus“, sagte Österreichs Finanzministerin Maria Fekter, die sich als erste aus der Sitzung der Euro-Gruppe stahl, um den wartenden Journalisten von den Ergebnissen zu berichten – ohne den Auftrag ihrer Kollegen.

So sehr die Vereinbarung der Minister Ergebnis europäischer Diplomatie ist, so groß die Summe für diejenigen aussieht, die sie groß wollen, so sehr verstieß Fekter mit diesem Vorgehen gegen den Comment auf der europäischen Bühne.

Es ist gute Gepflogenheit, dass der Sitzungsleiter das Recht und die Pflicht hat, ein Ergebnis zu verkünden – in diesem Fall also Jean-Claude Juncker, der Chef der Euro-Gruppe. Juncker habe sich, sagte ein Luxemburger Diplomat, sehr geärgert. Und sagte zur Strafe und aus Bockigkeit die Pressekonferenz ab.

Zunächst entfernte ein Mitarbeiter der dänischen Gastgeber sein Namensschild vom Podium, dann fiel auf, dass es ohne Juncker nicht recht geht – und die Veranstaltung wurde ganz abgeblasen. Verteilt wurde nur die Abschlusserklärung der Euro-Gruppe, und deren Mitglieder nahmen wieder Platz in der Runde, am Nachmittag erweitert um die zehn Nicht-Euro-Staaten.

In der Erklärung listen die Minister noch einmal ganz genau auf, wie die Billionen-Rechnung zustande kommt und wie sie in einer von solchen Summen geprägten Praxis umgesetzt werden wird, auf die das Dokument noch einmal verweist – ob stolz oder trotzig: „Alles zusammen gerechnet, mobilisiert die Euro-Zone eine Brandmauer von etwa 800 Milliarden Euro, mehr als eine Billion Dollar.“

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So soll der künftige permanente Rettungsfonds ESM, der von den Regierungschefs beschlossen und unterschrieben ist und der nun in den Euro-Ländern von den Parlamenten beschlossen werden muss, künftig zwar das „Hauptinstrument“ der europäischen Hilfsbereitschaft sein, wie es in der Abschlusserklärung heißt.

Er wird aber nicht das einzige solcher Instrumente bleiben. Im Juli soll der ESM in Kraft treten und zwei Jahre später über seine volle Schlagkraft von 500 Milliarden Euro verfügen. Die Summe errechnet sich aus Garantien der Länder und aus echtem Kapital, von dem Deutschland nach einem Europäischen Verteilungsschlüssel 22 Milliarden Euro trägt.

Eingezahlt wird es in fünf Tranchen, zwei Raten sind in diesem Jahr fällig, zwei im kommenden, eine letzte Rate im Jahr 2014. Geld aus diesem Topf sollen nur Länder bekommen, die auch den Fiskalpakt ratifiziert und somit eine Schuldenbremse beschlossen haben.

Nebenbei aber und für eine Übergangszeit, in der der ESM noch nicht seine volle Kapitalausstattung erreicht hat, soll der bisherige Rettungsmechanismus EFSF weiter laufen. Kaum einer würde beklagen, wenn das Konstrukt mit dem komplexen Namen „Europäische Finanzstabilisierungsfaszilität“, welcher der Deutsche Klaus Regling vorsitzt, aus den Abkürzungsverzeichnissen der EU verschwände.

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Dennoch kann auch die EFSF bis Mitte 2013 nötigenfalls „neue (Hilfs-)Programme auflegen“, wie es in der Erklärung der Finanzminister heißt. Die EFSF hat derzeit noch 240 Milliarden Euro noch nicht verplantes Geld übrig. Wird dieses Geld nicht gebraucht, soll es einkassiert werden, sobald der ESM voll ausgestattet ist – soweit der Beschluss vom Freitag.

Dass eine Verlängerung der Laufzeit allerdings eine leichte Übung ist, hat der Tag in Kopenhagen gezeigt: Sollte es von einer ausreichend großen Zahl von Ländern als nötig empfunden werden, könnte über eine erneute Verlängerung des EFSF genau das passieren, was die Bundesregierung diesmal vermeiden konnte: Dass Europas Brandmauer nah an die Billion herankommt – diesmal in Euro statt Dollar.

Auszuschließen ist das nicht. In die Zuversicht der Minister, dass Euro-Zone langsam in ruhiges Fahrwasser gleitet, mischte sich am Freitag neue Beunruhigung. Griechenlands Premierminister Lukas Papademos spekulierte öffentlich darüber, ob das zweite, vor wenigen Wochen beschlossene, Rettungspaket für sein klammes Land auch wirklich ausreiche.

130 Milliarden Euro soll Griechenland von Europa bekommen, und das Land werde sich anstrengen, um sich danach wieder am Kapitalmarkt Geld besorgen zu können, sagte Papademos. Das Aber folgte auf dem Fuß. Er könne nicht ausschließen, so der Premierminister, dass das nicht gelinge – und dass aus Europa „weitere finanzielle Unterstützung notwendig sein wird“.

PRAVDA-TV: Für die BRD GmbH bedeutet der in Dänemark gefasste Beschluss, dass das Haftungsrisiko über die vom Bundestag genehmigte Obergrenze von 211 Milliarden Euro auf 250 Milliarden Euro steigt. Laut Herrn Seehofer sollte ja bei 211 Milliarden Schluss sein – die Kohle ist für immer weg!

Ergänzender Artikel:
Zusätzlich zu ESM: Deutschland zahlt 40 Milliarden Euro in den IWF ein

Quelle: Welt Online vom 30.03.2012

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