Brandbrief von Goldman-Sachs-Manager – Die Abrechnung

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Ein Manager von Goldman Sachs hat am Mittwoch für einen Paukenschlag an der Wall Street gesorgt. Der Banker erklärte seinen Rücktritt via Gastbeitrag in der „New York Times“. Nach zwölf Jahren im Unternehmen – zehn davon in New York, zwei in London – könne er voller Überzeugung sagen: „Die Atmosphäre in der Bank ist so vergiftet und zerstörerisch, wie ich es noch nie erlebt habe.“

So beginnt der Brandbrief von Greg Smith. Ein Mann, der bei der US-Großbank für Derivategeschäfte in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika zuständig war. Der Titel: „Why I am leaving Goldman Sachs“. Auf deutsch: Warum ich Goldman Sachs verlasse. Smith schimpft, die Interessen der Kunden hätten in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung verloren. „Es macht mich krank, wie abgestumpft Mitarbeiter davon erzählen, wie sie ihre Kunden abzocken.“ Im vergangenen Jahr habe er gehört, wie fünf verschiedene Top-Manager von ihren Kunden als „Muppets“ sprachen. Nach der gleichnamigen TV-Show werden in Großbritannien abfällig Menschen bezeichnet, die keine Ahnung haben.

Der Brandbrief sorgte in den USA und Großbritannien prompt für eine Masse an Kommentaren. „Jeder an der Wall Street hat das gelesen“, sagt Erik Schatzker, Moderator beim Wirtschaftssender Bloomberg TV. Seine Kollegin Sara Eisen ergänzt: „Es ist ein Desaster für Goldman Sachs.“

In Internetforen, Blogs und auf Twitter wird fleißig über die Bank gespottet. Der Blog „Business Insider“ nennt den Abschiedsbrief von Smith „einen weiteren PR-Alptraum“ für Goldman. Die britische Website „The Daily Mash“ veröffentlichte bereits eine Satire: „Warum ich das Imperium verlasse, von Darth Vader“.

Smith schreibt, Integrität werde in der Bank immer seltener. Er wisse zwar nichts von illegalen Aktivitäten, aber: „Verkaufen Mitarbeiter komplizierte Produkte an Kunden, obwohl es nicht die passenden oder gar einfachsten Investments sind? Unbedingt. Und zwar jeden Tag.“

Als er angefangen habe, sei es noch darum gegangen, das Beste für den Kunden herauszuholen, schreibt Smith. „Es ging nicht nur darum, Geld zu machen.“ Heute würden dem Kunden dagegen tagtäglich Produkte angedreht, die er gar nicht brauche oder die die Bank einfach loswerden wolle.

Die häufigste Frage, die er von Nachwuchsmitarbeitern vernehme: „Wie viel Geld kriegen wir aus dem Kunden heraus?“ Das sei eine logische Folge dessen, was die Jungen im Konzern jeden Tag zu hören bekämen. „Wer den ganzen Tag nur Gerede über Muppets und Kohle machen hört oder davon, jemandem die Augäpfel rauszureißen, der wird kaum zu einem vorbildlichen Bürger werden. Das liegt auf der Hand.“

Goldman Sachs wies die Vorwürfe in einer schmalen Erklärung zurück: „Wir widersprechen den geäußerten Ansichten, sie spiegeln nicht die Art und Weise wider, wie wir unser Geschäft betreiben“, sagte eine Sprecherin. „Unserer Meinung nach sind wir nur dann erfolgreich, wenn auch unsere Kunden erfolgreich sind.“

Für Goldman kommt die Attacke von Smith zur Unzeit. Seit der Finanzkrise steht die viertgrößte Investmentbank der Welt immer wieder im Fokus der Kritik. So sorgten 2010 interne E-Mails und Memos für Aufregung, die die US-Börsenaufsicht SEC veröffentlichte. In dem Dokument wurde das zynische Geschäftsgebaren der Banker offenkundig. So schrieb der Goldman-Trader Fabrice Tourre im Januar 2007: „Das ganze Gebäude wird jetzt jeden Moment zusammenbrechen. Einziger potentieller Überlebender der fabelhafte Fab, der inmitten all der komplexen, hoch fremdverschuldeten exotischen Händel steht, die er geschaffen hat, ohne all die Implikationen dieser Monstrositäten zwingend zu verstehen.“

Ende 2009 sorgte der Goldman-Chef für Entrüstung. Lloyd Blankfein verteidigte Gehälter und Macht der Investmentbanker mit dem Satz, sie täten „Gottes Werk“.

Smith schreibt am Ende seines „New York Times“-Beitrags, er hoffe, dieser könne ein Weckruf sein. Der Kunde müsse wieder im Mittelpunkt stehen. Ohne Kunden könne niemand Geld machen. Sein Appell: „Schmeißt alle moralisch verkommenen Leute raus, egal, wie viel Geld sie machen. Und bringt die Unternehmenskultur auf Vordermann. Nur dann werden hier auch wieder Menschen aus den richtigen Gründen arbeiten wollen.“ Smith schließt mit einer Warnung: „Mitarbeiter, die nur ans Geldmachen denken, werden die Firma nicht mehr lange am Leben halten.“

Quelle: cte/dpa/Reuters/Der Spiegel vom 14.03.2012

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