Erst hieß es, das Gasleck an der Bohrinsel Elgin in der Nordsee befinde sich in 4000 Metern Tiefe. Nun verkündete ein Sprecher von Total, es liege etwa 25 Meter über der Wasseroberfläche. Wie geht das zusammen?
Fachleuten ist es gelungen, das Leck an der havarierten Förderplattform in der Nordsee zu lokalisieren. Das Gasgemisch tritt etwa 25 Meter oberhalb der Wasseroberfläche aus, erklärte ein Sprecher des Betreibers Total. Zuvor hieß es, das Leck befinde sich in etwa 4000 Metern Tiefe. Beides sei richtig, erklärt Kurt Reinicke, Professor für Bohr- und Produktionstechnik an der TU Clausthal: „Es gibt zwei Lecks. Bohrungen funktionieren nach einem Schalensystem: Durch das innerste Rohr wird das Gas nach oben gepumpt, um es herum sind mehrere Schalen von Stahlrohren angebracht.“ Die Fachleute registrierten einen Druckanstieg zwischen dem ersten und dem zweiten Rohr. Er kam zustande durch ein Loch im innersten Rohr in etwa 4000 Metern Tiefe, durch das Gas in das zweite Rohr gelangte.
„Durch diesen Überdruck im zweiten Rohr entstand dann die Leckage am Bohrlochkopf“, sagt Bohrtechnikexperte Reinicke, „und dieser befindet sich auf der Förderplattform.“ Man habe nun die Möglichkeit, die Leckage am Bohrlochkopf notdürftig abzudichten, um den Gasaustritt in die Atmosphäre schnell zu unterbinden. Techniker könnten beispielsweise versuchen, einen zweiten Bohrlochkopf über dem ersten anzubringen. „Zusätzlich sollte das Leck in vier Kilometern Tiefe abgedichtet werden“, sagt Reinicke. Welches Verfahren die Fachleute hierfür wählen, hängt davon ab, mit welcher Methode Total das Bohrloch verschlossen hatte, als es vor einem Jahr stillgelegt wurde. Möglicherweise kommt das sogenannte Kill-Verfahren in Betracht, bei dem schwerer Schlamm von oben in das Bohrloch gepresst wird, um so Gegendruck zu erzeugen zu dem Druck, mit dem das Gas nach oben drängt.
Bereits vor einem Jahr hatten Experten das Bohrloch versiegelt. Doch offenbar ist der Versuch, es stillzulegen, gescheitert. Anfang der Woche wurde bekannt, dass Gas aus einem Leck an eben jenem Bohrloch an der Elgin-Plattform des französischen Konzerns Total strömt. Bei den austretenden Stoffen handelt es sich sowohl um Gas als auch um kondensierte höhere Kohlenwasserstoffe, die in flüssiger Form gefördert werden. Das Ganze ist entzündlich und potenziell explosiv. „Das Hauptproblem ist, dass derzeit nur ein leichter Wind geht, so dass das Gas eine Art Wolke bildet. Jetzt genügt ein einziger Funke, und die Plattform fliegt in die Luft“, erklärt Kurt Reinicke.
Wegen dieser Gefahr hat Total die Elgin-Plattform bereits am Sonntag evakuiert. Alle 238 Arbeiter sind in Sicherheit. Von zwei benachbarten Bohrstationen zog der Energiekonzern Shell vorsichtshalber ebenfalls Personal ab. Die Küstenwache errichtete um die leckgeschlagene Plattform eine Drei-Kilometer-Sperrzone für Schiffe, Hubschrauber dürfen nicht näher als fünf Kilometer kommen.
„Besonders beunruhigend an der Situation ist, dass dort draußen immer noch die Gasfackel brennt“, sagt Reinicke. „Wenn das Gas mit der Fackel in Kontakt kommt, ist die Gefahr groß, dass es tatsächlich zu einer Explosion kommt.“ Die Gasfackel wird benötigt, weil Gas unmittelbar nach dem Fördern nicht transportfähig ist. Bevor es ans Festland geleitet werden kann, müssen bestimmte Bestandteile, wie etwa Schwefelwasserstoff, verbrannt werden. Derzeit ist die Wetterlage günstig und treibt das Gas eher von der Flamme weg. Total hält für möglich, dass die Fackel nach einigen Tagen von selbst verlöschen wird. Für den Fall einer Explosion wurden Löschschiffe in Position gebracht. Sie befänden sich in einem Sicherheitsabstand von 3,7 Kilometern von der Plattform entfernt.
PRAVDA-TV: Mittlerweile wurde das Überwachungsschiff „Highland Fortress“ an die Plattform herangebracht, um mit einem auf dem Schiff transportierten ferngesteuerten Mini-U-Boot Unterwasseraufnahmen machen zu können.
Quell: dpa/focus.de vom 30.03.2012