So dürfte sich das der als Wundermann gefeierte Mario Draghi mit dem Geldsegen nicht vorgestellt haben: Was als Liquiditätshilfe für die europäischen Banken gedacht war, damit diese die Realwirtschaft wieder ankurbeln, entpuppt sich nun als billige Liquiditätszufuhr für in Schwierigkeiten geratene Tochterunternehmen in den Ländern der europäischen Peripherie. Der UBS-Analyst Alastair Ryan sagte dem Wall Street Journal, er schätze, dass etwa 11% der 530 Milliarden Euro aus dem Februar-Tender dazu verwendet wurden, dass Banken ihren Töchtern jenes Geld verschafften, welches sie offenbar selbst nicht mehr zuschießen wollten – weil ihnen die Lage in den jeweiligen Ländern zu riskant wurde.
Unter den Banken, die dies praktiziert haben, gehören die die britischen Banken Barclays und Lloyds, die französische Crédit Agricole und die belgische KBC. Die Methode ist einfach: Die Muttergesellschaften wollen ihre Töchter nicht mehr finanzieren. Also beschaffen sich die Gesellschaften aus den südeuropäischen Staaten das Geld von der EZB. Für die Finanzkonzerne hat das gleich mehrere Vorteile: Sie schotten sich besser gegen die Ansteckung ab, die von ihren eigenen Töchtern aus Südeuropa kommen könnte. Zugleich brauchen sie den eigenen Töchtern keine Liquiditätszufuhr zu verschaffen: Das übernimmt über den Umweg von Target 2 auf diesem Weg die Deutsche Bundesbank. Beobachter interpretieren dieses Verhalten als massives Misstrauen der Banken in die Stabilität der Euro-Zone: Offenbar erwarten mehrere Institute ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone. Die Banken verfahren nach dem auch in der Realwirtschaft bekannten Grundsatz, dass man schlechtem Geld kein gutes hinterherwerfen solle. Sie nehmen daher das Geld derdeutschen Steuerzahler EZB, um zum Abschied aus der europäischen Peripherie leise Servus zu sagen.
Die Abzweigung von EZB-Geldern zum Stopfen von Liquiditätslöchern in den eigenen Konzernen erklärt auch die wieder auf ein Rekordhoch gestiegenen Übernachteinlagen der Banken bei der EZB. Die Banken denken nämlich gar nicht daran, das Geld jemand anders zu leihen. Der zweite große Brocken, für den das Geld verwendet wird, ist die Refinanzierung der eigenen Schulden (mehr dazu in Kürze).
Besonders absurd wird die Aktion am Beispiel der griechischen Emporiki-Bank: Diese gehört der Crédit Agricole und ist schon seit langem in größten Schwierigkeiten. Weil sie in ausländischem Besitz ist, darf sie keine Rettungsfonds der griechischen Notenbank anzapfen. Schon beim ersten Tender hatte die Emporiki 1,8 Milliarden bei der EZB geliehen. Die Crédit Agricole hat mittlerweile 5,5 Milliarden Euro an faulen Krediten an die eigene Tochter umgeschuldet. Wie viel Emporiki beim Februar-Tender geliehen hat, ist nicht bekannt. Fest steht jedoch: Auch im Kleinen laufen über die EZB zahlreiche heimliche Banken-Bailouts. Finanziert wird das neue EZB-Programm „Rette sich wer kann!“ vor allem von den deutschen Steuerzahlern. Wie schon öfter in dieser Krise wissen diese – und ihre Kanzlerin – allerdings noch nichts von ihrem Unglück.
Quelle: Deutsche Mittelstands Nachrichten vom 05.03.2012