Das umstrittene US-Unternehmen Stratfor scheint vertrauliche Informationen für spekulative Geschäfte mit Fremdwährungen und Staatsanleihen verwendet zu haben. Die Firma erhielt die Ratings von Agenturen vor der eigentlichen Veröffentlichung. Mit an Bord: Ein Mitarbeiter von Goldman Sachs.
Das umstrittene amerikanische Informationsunternehmen Stratfor dürfte sein umfangreiches Netz an Informanten und den reichen Fundus an Informationen unter anderem dazu genutzt haben, um auf den Kapitalmärkten höchst profitable Geschäfte zu tätigen. Dies geht aus E-Mails hervor, welche die Enthüllungsplattform Wikileaks nun veröffentlichte.
Die Beratungsfirma, die sich besonders auf Sicherheitsfragen spezialisiert hat, hatte unter dem schönen Namen StratCap (Capital) ein Tochterunternehmen gegründet. StratCap scheint als Investmentfonds in Staatsanleihen und Währungsgeschäfte spezilaisiert gewesen zu sein und dürfte dabei von den exklusiven Informationen der Muttergesellschaft erheblich profitiert haben.
Neben den Einschätzungen von Informanten aus Politik und Wirtschaft konnte Stratfor nämlich auch noch auf ganz andere Informationen zugreifen. So verfügte das Unternehmen beispielsweise über Einschätzungen von Staaten durch Ratingagenturen, lange bevor diese ihre Berichte veröffentlichten.
In einer Email von November 2010 wurde eine Analyse der Kreditwürdigkeit Irlands durch die Ratingagentur Moody’s versandt. Im Text der Email heißt es: „Noch nicht veröffentlicht. AN NIEMANDEN WEITERLEITEN.“ Üblicherweise hüten die Ratingagenturen ihre Einschätzungen bis zur wohlüberlegten Veröffentlichung wie ein gefährliches Geheimnis. Wer wesentlich früher über diese Informationen verfügt, hat einen klaren Vorteil anderen Marktteilnehmern gegenüber. Nicht zuletzt, weil sie damit auch die Renditen von Investments mitbestimmen. Man fragt sich natürlich auch, wie Moody’s eigentlich dazu kommt, diese Informationen einem offenbar geheimen Bezieher-Kreis zukommen zu lassen. Eigentlich ist das eine Fall, den die US-Börsenaufsicht SEC untersuchen müsste.
Seinen Firmensitz hat StratCap in Südafrika. Doch wer der tatsächliche Inhaber des Fonds ist, wurde durch eine aufwendige Eigentümerstruktur verschleiert. Neben der Muttergesellschaft Stratfor war Wikileaks zufolge auch Shea Morenz, Asset-Manager im Houston/Texas-Büro von Goldman Sachs, wesentlich an der Gründung der Finanztochter beteiligt.
In einer internen Nachricht heißt es, StratCap sei zwar rechtlich unabhängig, die Mitarbeiter von Stratfor sollten es allerdings als Teil des Unternehmens sehen.
Die Praxis der bevorzugten Information zeigt, dass im großen Kasino jene profitieren, die mehr wissen als die anderen. Diese Praxis hat sich bei Goldman Sachs sehr bewährt: So berät das Unternehmen europäische Staaten wie Griechenland, erfährt jede Menge Details und wettet dann gegen den Klienten. Diese Praxis florierte in Europa zu einer Zeit, als der Chef des Risikomanagements für Goldman keine geringerer war als Mario Draghi, der heutige Chef der Europäischen Zentralbank (EZB).
Gerade weil das Geschäftsmodell StratCap auf die besonderen Informationen des Mutterunternehmens aufgebaut war, konnte das Unternehmen wertvolle Daten erfahren, die die anderen Marktteilnehmer erst zu Gesicht bekamen, wenn StratCaps seine Wetten schon gemacht hatte. Stratfor war in der Vergangenheit ständig wegen seiner engen Verbindungen zum US-Geheimdienst und den prominenten Kunden wie dem US-Verteidigungsministerium und großen Rüstungsunternehmen in die Kritik geraten. Diese Verbindungen brachten dem Unternehmen auch den Beinamen „Schatten-CIA“ ein.
Die Hackergruppe Anonymus hatte die Mails zusammen mit anderen Daten Ende vergangenen Jahres auf der Homepage von Stratfor erbeutet. Wikileaks will nun Stück für Stück Mails und Unterlagen des Unternehmens veröffentlichen.
Quelle: Deutsche Mittelstands Nachrichten vom 28.02.2012