Eine aktuelle Umfrage von Eurobarometer zeigt, dass für eine überwältigende Mehrheit der Europäer Korruption ein großes Problem ist – auf nationaler Ebene ebenso wie auf EU-Ebene. Die Europäer glauben, dass am ehesten Polizei und Gerichte gegen die Korruption vorgehen. Von den Politikern erwarten die Europäer dagegen so wenig Hilfe wie von keinem anderen Berufsstand.
Die neueste Umfrage von Eurobarometer legt einen signifikanten Graben zwischen den Institutionen und den Bürgern offen: 74% der Europäer halten Korruption für ein großes Problem auf allen institutionellen Ebenen. 73% halten die EU-Organisationen für korrupt. Das ist zwar etwas weniger als noch vor zwei Jahren (national: 78%; EU: 76%), zeigt aber, dass es weder den nationalen demokratischen Einrichtungen noch den Brüsseler Behörden gelungen ist, das Vertrauen der Bürger in eine „saubere“ Politik zu stärken. Im Gegenteil: 47% der Befragten glauben, dass die Korruption in den vergangenen Jahren zugenommen hat. 68% glauben, dass Transparenz und Aufklärung unzureichend sind.
Wenn sie sich an jemanden wenden sollen, dem sie die Aufklärung zutrauen, so nennen die meisten Europäer an erster Stelle die Polizei; mit etwas Abstand folgen die Justizbehörden, wobei auch diesen in vielen Ländern eine erhebliche Korruptions-Anfälligkeit zugeordnet wird. Am schlechtesten schneiden hier die Politiker ab: Nur ganz wenige Europäer glauben, dass die nationalen Regierungen (6%) oder die EU-Institutionen (5%) die Korruption effektiv bekämpfen.
Dies ist interessant, weil die überwiegende Mehrheit der Eurobarometer-Befragten der Meinung ist, dass die nationalen Regierungen eigentlich dafür zuständig seien, die Korruption zu bekämpfen. Hier zeigt sich eine gewisse Staatsgläubigkeit – denn nur 12% glauben, dass andere Organisationen die Korruption bekämpfen könnten. Dies ist auch ein schlechtes Zeugnis für die verschiedenen Nicht-Regierungs-Organisationen (NGOs), die sich die Korruptionsbekämpfung auf die Fahnen geschrieben haben und denen mit nur 9% faktisch keine Kompetenz in diesem Bereich zugestanden wird. Die NGOs haben, was die Korruptionsbekämpfung anlangt, in der Sicht der Europäer keine Bedeutung.
Besonders kritisch wird die Korruption innerhalb der EU-Institutionen in Österreich und Deutschland gesehen: 81% der Deutschen halten die EU für korrupt, Österreich liegt mit 87% gar an der Spitze aller Nationen. Dies ist bemerkenswert, weil vor kurzem in einer anderen Eurobarometer-Umfrage die Mehrheit der Österreicher angegeben hat, die EU sei besser geeignet, die Probleme des Landes zu lösen als die eigene Regierung.
Die Diskrepanz zwischen der Anspruch und Wirklichkeit führt zu einem gewissen Fatalismus: 70% der Europäer halten Korruption in der Eurobarometer-Umfrage für unvermeidlich – es habe sie immer schon gegeben, und sie werde bleiben. An diesem Befund tragen auch die Medien eine erhebliche Mitschuld: 90% der Europäer fühlen sich in Korruptionsfragen „schlecht informiert“. 64% geben an, dass sie über die Korruption im eigenen Land unzureichend informiert sind, gar 79% sagen, dass sie über die Korruption auf der EU-Ebene nichts erfahren. Auch hier sind in Deutschland die Defizite besonders hoch: Mit nur 22% hält sich eine nur sehr kleine Gruppe für wirklich informiert. Schlechtere Werte weisen in Europa nur noch Frankreich und Luxemburg auf.
Auffallend bei der Umfrage ist, dass die jungen Europäer die Korruption deutlich weniger als Problem ansehen als die älteren Befragten.
Natürlich gibt es auch nationale Unterschiede: 98% der Griechen halten ihr Land für korrupt, während nur 19% der Dänen glauben, dass ihr Land anfällig für Bestechlichkeit ist. In Deutschland ist der Wert mit 57% auch vergleichsweise hoch – und widerspricht dem Image Deutschlands als besonders korrektes und sauberes Land.
Quelle: Deutsche Mittelstands Nachrichten vom 16.02.2012