Mittlerweile ist einiges über die physiologischen Auswirkungen von Meditation bekannt. Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass sie das Gehirn verändert, neue Nervenverbindungen erzeugt und sogar epigenetische Auswirkungen auf unsere DNA hat.
Mittlerweile beschäftigt sich mit der kontemplative Neurowissenschaft eine ganze Forschungsrichtung mit den Veränderungen, die Meditation im Gehirn auszulösen vermag.
Eine 2011 publizierte Studie beweist, dass bereits acht Wochen regelmäßiger Meditation messbare Veränderungen in Hirnregionen hervorrufen, die beispielsweise für Erinnerung, Selbstwahrnehmung, Empathie und Stress verantwortlich sind.
Die Studie weise nach, dass Praktizierende sich durch die Meditation nicht nur subjektiv besser fühlen, sondern psychische und kognitive Vorteile durch messbare physische Änderungen im Hirn begründet sein könnten, so Studienleiterin Dr. Sara Lazar.
Untersucht wurden die Auswirkungen der sogenannten Achtsamkeits-Meditation, bei der das urteilsfreie Beobachten der inneren Vorgänge im Mittelpunkt steht (Gesundheit: Atemrhythmus beeinflusst Gedächtnis und Furcht (Videos)).
Mehr Hirn durch Meditation
Die Studienteilnehmer wurden zwei Wochen vor dem Beginn einer achtwöchigen Meditations-Praxis mittels Magnetresonanztomographie untersucht. Nach Ablauf dieser Zeit wurde ein erneuter Test durchgeführt.
Das Ergebnis: Eine deutliche Zunahme von grauer Gehirnmasse im Hippocampus, der eine wichtige Rolle beim Lernen und Erinnern spielt, aber auch in Strukturen, die mit Selbstwahrnehmung und Mitgefühl in Verbindung gebracht werden. Gleichzeit nahm die graue Hirnmasse rund um die Amygdala ab, die mit Stress und Ängsten in Verbindung gebracht wird.
In der Insula, die für Selbstwahrnehmung verantwortlich ist, konnte keine Veränderung festgestellt werden, die Forscher vermuten, dass hierfür mehr Zeit notwendig ist.
Bei keinem Mitglied einer nicht meditierenden Kontrollgruppe konnten die beschriebenen Veränderungen auch nur ansatzweise nachgewiesen werden, so dass die Schlussfolgerung naheliegt, dass diese durch die Meditationspraxis verursacht sind.
Meditation verstehen
„Andere Studien mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen haben gezeigt, dass Meditation zu bedeutenden Verbesserungen einer Vielzahl von Symptomen führen kann. Jetzt untersuchen wir die zugrunde liegenden Mechanismen im Hirn, wie sie diese Veränderungen ermöglichen. Es ist faszinierend zu sehen, dass unser Hirn eine derartige Plastizität aufweist und dass praktizierte Meditation eine aktive Rolle in diesen Veränderungen spielen kann“, kommentierte Dr. Britta Hölzel von der Universität Gießen, die an der Studie mitgewirkt hat.
Das gerade aufkeimende große Interesse der Wissenschaft an der Meditation ist zu begrüßen, vielleicht gibt es dann ja bald neben dem Sportunterricht an den Schulen ja auch Meditationsstunden (Meditation für Anfänger: Tipps zum Einstieg).
Das Konzept der Achtsamkeit
Drei Viertel aller Studien zur positiven Wirkung von Achtsamkeit als ein wesentlicher Bestandteil der Meditation wurden in den vergangenen zehn Jahren veröffentlicht. Achtsamkeit verspricht mehr Zufriedenheit und Freude im Leben. Aber was genau steckt hinter dem Modewort, das Einzug in viele Lebensbereiche genommen hat und als Allzweckwaffe zur Verbesserung der Lebensqualität erscheint?
Den Moment achten ohne zu bewerten
Achtsamkeit bedeutet im Hier und Jetzt zu sein und zwar nicht nur körperlich, sondern auch mental. Das ist für die meisten Menschen kein Normalzustand. Viele hängen mit ihren Gedanken entweder in der Vergangenheit fest, beschäftigen sich mit Sorgen oder denken über die Zukunft nach. Dieses Denken ist meist von der Hoffnung begleitet, dass sich irgendwann ein zufriedener Zustand einstellen wird.
Ein achtsamer Mensch hingegen achtet auf den Moment, ohne ihn jedoch zu bewerten. Das ist der zweite entscheidende Aspekt der Achtsamkeit. Wir neigen dazu, alles permanent zu bewerten.
Achtsam sein bedeutet, diese Bewertung sein zu lassen und sich auf das zu konzentrieren, was gerade außerhalb der Gedanken ist. Eine einfache Übung dazu ist, sich auf den Atem zu konzentrieren und dadurch Distanz zu den Gedanken zu schaffen.
Mittlerweile sind auch viele Wissenschaftler davon überzeugt, dass mit Achtsamkeit – oft wird auch von Achtsamkeitsmeditation gesprochen – das Wohlbefinden gesteigert werden kann.
Der Diplompsychologe und Meditationsforscher Ulrich Ott von der Universität Gießen beschreibt die positive Wirkung mit folgendem Bild: „Ich gehe beim Meditieren auf einen Berg und schaue hinunter ins Tal. Das heißt, ich bin nun in einer Position, die ein bisschen dem Alltagsgeschäft enthoben ist und kann auf das Ganze herunterschauen.“
Dadurch seien wir nicht mehr völlig mit den eigenen Gefühlen und Gedanken identifiziert. Dieser Abstand lasse ein zunehmendes Vertrauen entstehen, dass „sich sogar die größten inneren Dramen wieder auflösen, wenn wir es schaffen, nicht auf die entsprechenden Gedanken einzugehen“, sagt der Psychologe Peter Malinowski von der Universität Liverpool. Das wiederum führe langfristig zu mehr Zufriedenheit und Lebensfreude.
Das Konzept der Achtsamkeit stammt aus dem Buddhismus, in dem Meditationen eine große Rolle spielen. Die Achtsamkeit ist eine Haltung, die allen Meditationen zu Grunde liegt.
Keine Meditation kommt also ohne Achtsamkeit aus, jedoch kann man auch ohne zu meditieren achtsam sein. Insofern vermischen sich häufiger die Begrifflichkeiten. Wenn etwa Wissenschaftler die Wirkung von Meditation erforschen, ist damit zwangsläufig auch die Achtsamkeit gemeint.
Der Molekularbiologe Jon Kabat-Zinn gilt als Vater der modernen Achtsamkeitspraxis in den westlichen Kulturen. Kabat-Zinn lehrte an der University of Massachusetts und entwickelte Ende der 1970er Jahre das medizinische Achtsamkeitstraining MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction), was Stressbewältigung durch Achtsamkeit bedeutet.
Kabat-Zinn war überzeugter Schüler des Zen-Buddhismus. Er orientierte sich bei der Erstellung seines Programms vor allem an Yoga-Haltungen und Elementen der buddhistischen Vipassana-Meditation, wo es darum geht, sich auf den eigenen Atem zu konzentrieren.
Kabat-Zinns Achtsamkeitspraxis kommt ohne philosophisch-religiösen Überbau aus. Sein MBSR-Programm ist wissenschaftlich vergleichsweise gut erforscht und evaluiert. Es soll auch Menschen ohne spirituellen Bezug bei unterschiedlichsten Problemen helfen.
Achtsamkeitspraxis ist Bestandteil neuerer verhaltenstherapeutischer Verfahren und wird in den USA und in Deutschland bereits in Kliniken angewandt.
Das MBSR-Achtsamkeitstraining nach Jon Kabat-Zinn ist die Methode, die am weitesten verbreitet ist, um Achtsamkeit zu lernen. Ein solches Training läuft in der Regel über acht Wochen. In der Gruppe lernen die Teilnehmer Achtsamkeit, indem sie meditieren, Yoga üben und den sogenannten body scan durchführen. Dabei beobachten sie systematisch, was sie an verschiedenen Stellen im Körper gerade wahrnehmen, ohne dies zu bewerten.
Beim Meditieren geht es vor allem um die Konzentration auf den Atem. Die wöchentlichen Sitzungen sind zwei bis drei Stunden lang. Zudem sollen die Teilnehmer täglich am besten 45 Minuten allein üben. Vor allem die Übernahme des Trainings in den Alltag erfordert viel Disziplin (Yoga und Meditation können das Gehirn jung halten).
Michael Huppertz, Psychiater und Psychotherapeut, ist davon überzeugt, dass man Achtsamkeit nicht nur mithilfe eines strengen MBSR-Trainings lernen kann, sondern auch durch einfache Alltagsübungen.
Statt täglich mindestens 30 Minuten zu meditieren, was vielen Menschen – jedenfalls anfangs – sehr schwerfällt, empfiehlt Huppertz achtsame Momente auf den gesamten Tag zu verteilen. Huppertz‘ Vorschläge für solche Momente umfassen schon das Aufstehen, bei dem morgendliche Routinen beobachtet werden sollen.
Andere Gelegenheiten, Achtsamkeit in den Alltag zu integrieren, können sein:
•unter der Dusche auf das wärmende Wasser konzentrieren, anstatt über die To-Do-Liste des Tages nachdenken
•beim Frühstücken auf den Geschmack des Essens fokussieren – nicht auf den Einkaufszettel
•auf dem Weg zur Arbeit beim Radfahren die frische Luft wahrnehmen oder in der Bahn bewusst auf die Umgebungsgeräusche achten
Achtsamkeit kann auch bedeuten, Alltägliches aus einer anderen Perspektive zu betrachten und Routinen zu durchbrechen: etwa einen anderen Weg als üblich zu nehmen, Musik zu hören, die man sonst nie hört, oder mit der linken anstatt der rechten Hand zu essen (Meditation baut Gehirnzellen auf, Harvard-Studie dokumentiert den Beweis (Video)).
Generell gilt, Übung macht den Meister…
Literatur:
Das Achtsamkeitstraining: 20 Minuten täglich, die Ihr Leben verändern von Mark Williams
Achtsamkeit für Anfänger von Jon Kabat-Zinn
Meditation: Meditieren Lernen für Anfänger: Der ultimative Guide wie du durch Meditieren Ängste, Stress und Übergewicht los wirst und neue Energie, Gelassenheit, Glück und Freude tankst. von Thomas Gamsjäger
Video:
https://player.vimeo.com/video/171981270
Quellen: PublicDomain/sein.de/planet-wissen.de am 15.01.2017
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