Eine neue Studie der Northwestern University im US-Bundesstaat Illinois hat ergeben, dass der Atemrhythmus neurale Aktivitäten beeinflussen kann, die das Erinnerungsvermögen und das emotionale Beurteilungsvermögen erhöhen.
Beim Atmen geht es nicht nur um Sauerstoff – es wird von nun an auch mit Hirnfunktionen und Verhalten in Verbindung gebracht.
Medizinische Wissenschaftler der Northwestern University haben zum ersten Mal entdeckt, dass der Atemrhythmus elektrische Aktivitäten im menschlichen Gehirn hervorruft, die das emotionale Urteilsvermögen und die Gedächtnisleistung erhöhen.
Diese Auswirkungen auf das Verhalten hängen in entscheidender Weise davon ab, ob man ein- oder ausatmet, und ob man durch die Nase oder den Mund atmet.
In der Studie waren Versuchspersonen in der Lage, ein angsterfülltes Gesicht viel schneller zu identifizieren, während sie ein- statt ausatmeten. Die Versuchspersonen konnten sich auch mit größerer Wahrscheinlichkeit an einen Gegenstand erinnern, dem sie während des Atemholens begegneten, als denjenigen, denen sie beim Ausatmen begegneten. Der Effekt verschwand beim Atmen durch den Mund.
„Eines der wichtigsten Ergebnisse bei dieser Studie ist, dass es während des Einatmens einen drastischen Unterschied bei der Gehirnaktivität in der Amygdala und im Hippocampus gibt, im Vergleich zum Ausatmen“, sagte die Mitautorin Christina Zelano, Assistenzprofessorin der Neurologie an der Feinberg School of Medicine der Northwestern University.
„Wir entdeckten, dass man beim Einatmen überall im limbischen System, im olfaktorischen Cortex, der Amygdala und im Hippocampus Neuronen stimuliert.“ Die Studie wurde am 6. Dezember im Journal of Neuroscience veröffentlicht. Der Hauptautor ist Jay Gottfried, Neurologieprofessor bei Feinberg (Meditation baut Gehirnzellen auf, Harvard-Studie dokumentiert den Beweis (Video)).
Die Wissenschaftler der Northwestern University entdeckten diese Unterschiede bei der Gehirnaktivität, während sie sieben Epilepsie-Patienten untersuchten, die am Gehirn operiert werden sollten. Eine Woche vor der Operation implantierte ein Chirurg Elektroden in die Gehirne der Patienten, um den Ursprung ihrer Anfälle zu identifizieren.
Dies ermöglichte es den Wissenschaftlern, elektrophysiologische Daten direkt aus ihren Gehirnen zu gewinnen. Die aufgezeichneten elektrischen Signale zeigten, dass die Gehirnaktivität während des Atmens schwankte. Die Aktivität geschieht in Hirnregionen, in denen Emotionen, Gedächtnis und Gerüche verarbeitet werden.
Diese Entdeckung veranlasste die Wissenschaftler zu der Frage, ob kognitive Funktionen typischerweise mit diesen Hirnregionen verbunden sind – insbesondere die Verarbeitung von Angst und Gedächtnis könnte auch durch Atmen beeinflusst werden.
Die Amygdala ist eng verknüpft mit der Verarbeitung von Emotionen, insbesondere angstbezogenen Emotionen. Und so baten die Wissenschaftler ungefähr 60 Versuchspersonen, während des Atmens schnelle Entscheidungen in Bezug auf emotionale Eindrücke in der Laborumgebung zu treffen.
Indem ihnen Bilder von Gesichtern gezeigt wurden, die entweder einen angsterfüllten oder überraschten Ausdruck aufwiesen, mussten die Versuchspersonen so schnell wie möglich angeben, welche Emotion jedes der Gesichter ausdrückte.
Wenn die Gesichter ihnen während des Einatmens begegneten, erkannten die Versuchspersonen sie schneller als angsterfüllt, als wenn dies während des Ausatmens geschah. Dies galt allerdings nicht für Gesichter mit einem überraschten Gesichtsausdruck (Holotropes Atmen: Ausflüge des Bewusstseins (Videos)).
Diese Effekte verringerten sich, wenn die Versuchspersonen die gleiche Aufgabe ausführten, während sie durch den Mund atmeten. Daher trat der Effekt nur bei angsterfüllten Reizen während des Atmens durch die Nase auf.
Bei einem Experiment, das darauf abzielte, die – mit dem Hippocampus verbundene –Gedächtnisfunktion zu bewerten, wurden den Versuchspersonen auf einem Computerbildschirm Bilder von Objekten angezeigt, an die sie sich später erinnern sollten.
Später wurden sie gebeten, sich diese Gegenstände wieder ins Gedächtnis zu rufen. Die Forscher fanden heraus, dass das Erinnerungsvermögen besser war, wenn ihnen die Bilder während des Einatmens begegneten.
Die Ergebnisse besagen, dass schnelles Atmen Vorteile mit sich bringt, wenn sich jemand in einer gefährlichen Situation befindet, so Zelano.
Video:
„Wenn man sich in einer Paniksituation befindet, wird der Atemrhythmus schneller”, sagte Zelano. „Daher verbringt man dabei verhältnismäßig mehr Zeit mit Einatmen als wenn man sich in einem Ruhezustand befindet. Daher könnte die angeborene Reaktion unseres Körpers auf Angst durch schnelleres Atmen eine positive Auswirkung auf die Gehirnfunktion haben, und in schnelleren Reaktionszeiten auf gefährliche Umweltreize resultieren.“
Eine weitere potenzielle Erkenntnis dieser Forschung bezieht sich auf die grundlegenden Mechanismen der Meditation oder des konzentrierten Atmens. „Wenn man einatmet, synchronisiert man in gewisser Weise die Gehirnschwingungen des limbischen Systems“, stellte Zelano fest (Meditation für Anfänger: Tipps zum Einstieg).
Literatur:
Gesund durch bewusstes Atmen: Durch gezielte Atemübungen zu einem gesünderen Leben von D. Peters
Im Alltag Ruhe finden: Meditationen für ein gelassenes Leben von Jon Kabat-Zinn
Video:
https://vimeo.com/171981270
Quellen: PublicDomain/neurosciencenews.com am 01.01.2017
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