Das Schachbrett des Teufels: Die CIA, Kennedy-Attentat und Amerikas heimliche Regierung

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Jene resoluten Stimmen im öffentlichen Leben Amerikas, die weiterhin die Existenz einer Verschwörung zur Ermordung Präsident Kennedys leugnen, argumentieren, dass in diesem Fall schon „irgendjemand geredet hätte“.

Dieses Argument wird häufig von Journalisten vorgebracht, die selbst keine Anstrengung unternommen haben, den wachsenden Fundus an Beweisen zu sichten und selbst zu recherchieren.

Das Argument verrät ein rührend naives Vorurteil über die Medien: den Glauben, dass man auf das amerikanische Medien-Establishment, den großen schlummernden Wachhund, zählen könne, um ein so monumentales Verbrechen aufzuklären, eines, das gerade jenem Herrschaftssystem entsprang, von dem die Medienunternehmen ein fester Bestandteil sind.

Die offizielle Version des Kennedy-Attentats bleibt – trotz Myriaden von Unwahrscheinlichkeiten, die mit der Zeit nur noch unglaubwürdiger geworden sind – fest im Bewusstsein der Medien verankert, so wenig in Frage gestellt wie das Gesetz der Schwerkraft.

Tatsächlich haben viele Leute im letzten halben Jahrhundert geredet, darunter einige, die in direkter Beziehung zum Komplott gegen Kennedy standen („Inside Job“: Rätsel um JFK-Attentat angeblich gelöst (Video)).

Ein Spezialauftrag für das Weiße Haus

Aber die Medien haben sich schlicht geweigert, ihnen zuzuhören. Eines der fesselndsten Beispiele dafür ist die Beichte, die der alte und kränkliche Howard Hunt vor seinem Sohn Saint John ablegte. Saint, wie sein Vater ihn schlicht nannte, war ein loyaler, liebevoller Sohn, der wie der Rest der Familie unter den Verwerfungen im Leben des Spions litt.

Eines späten Abends im Juni 1972 im Haus der Familie in Witches Island im vorstädtischen Maryland hatte Hunt seinen achtzehnjährigen Sohn ganz aufgelöst geweckt. „Ich muss dich bitten, genau zu tun, was ich dir sage, und keine Fragen zu stellen“, bat Hunt, der so verschwitzt und zerzaust aussah, wie ihn sein Sohn nie zuvor gesehen hatte.

Er befahl Saint John, Fensterreiniger, Lappen und Gummihandschuhe aus der Küche zu holen und ihm zu helfen, Fingerabdrücke von einem Haufen Spionageausrüstung abzuwischen, darunter Kameras, Mikrofone und Funksprechgeräte.

Später half Saint seinem Vater, die Ausrüstung in Koffer zu verstauen, die sie dann in den Kofferraum des Pontiac Firebird seines Vaters legten. Hunt und sein Sohn fuhren durch die Dunkelheit zum Chesapeake and Ohio Canal, wo der Agent ausstieg und die Koffer in das trübe Wasser warf. Auf dem Weg zurück nach Hause erzählte Hunt seinem Sohn, dass er einen Spezialauftrag für das Weiße Haus erledigt habe, der schiefgegangen sei.

Beginn des Watergate-Skandals

Es war der Beginn des Watergate-Skandals, bei dem Howard Hunt eine Hauptrolle als Anführer der „Klempner des Weißen Hauses“ spielte, fünf Einbrecher, die verhaftet wurden, als sie in das nationale Hauptquartier der Demokratischen Partei eindrangen.

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Alle fünf Männer waren langjährige Bekannte von Hunt aus den frühesten Tagen des Untergrundkriegs gegen Castro, und mindestens zwei – Frank Sturgis und Virgilio Gonzalez – spielten Gerüchten zufolge eine Rolle beim Mord an Kennedy.

Während der Watergate-Skandal seinen Lauf nahm, zog Hunt seinen Sohn Saint und seine übrige Familie tiefer in sein sich auflösendes Leben. Saints geliebte Mutter Dorothy – eine exotische Schönheit mit eigenem Spionagehintergrund – starb bei einem Flugzeugabsturz inmitten der Watergate-Krise, als sie für ihren Mann einen geheimnisvollen Kurierauftrag erledigte.

Als ihre Maschine vom Washingtoner Dulles Airport bei der Landung auf dem Chicagoer Midway Airport im Dezember 1972 verunglückte, trug Dorothy Hunter über zwei Millionen Dollar Bargeld und Zahlungsanweisungen bei sich, von denen einige später zu Präsident Nixons Wiederwahlkomitee zurückverfolgt werden konnten.

 

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Die dunkelsten Geheimnisse Amerikas

Zwielichtige Geldsummen wurden hin- und hergeschoben, als Nixon seine Verstrickung in den immer weitere Kreise ziehenden Skandal hektisch zu vertuschen suchte. Verzweifelt war der Präsident bemüht, Hunts Schweigen sicherzustellen; bei einem Treffen im Weisen Haus äußerte Nixon die Einschätzung – wie die Abhöranlage aufzeichnete -, dass es „eine Million in bar“ kosten würde.

„Wir könnten uns eine solche Summe beschaffen.“ Hunt war der Meinung, dass Nixon ihm und seinem Team etwas schuldig war. „Ich hatte fünf Männer, deren Familien unterstützt werden mussten“, sagte Hunt später. „Und ich hatte ein großes Haus, Ställe für sechs PferdeFinden Sie jetzt Ihr neues Haustier!, Kinder auf der Privatschule – ich brauchte einen Beitrag, der größer war als bei durchschnittlichen Leuten. … Es gibt eine lange Tradition: Wenn ein Kämpfer in Gefangenschaft gerat, sorgt der Kommandeur für seine Familie.“

Nixon wusste, dass Howard Hunt eine führende Rolle bei einigen der dunkelsten Geheimnisse Amerikas gespielt hatte. Am 23. Juni 1972 – während er den Watergate-Einbruch mit H.R. Haldeman erörterte, seinem ergebenen politischen Vertrauten und Stabschef im Weißen Haus – ist Nixon auf dem Abhörband mit den Worten zu hören:

„Hunt … wird eine Menge Dinge aufdecken. Wenn der Schorf aufbricht, kommt verdammt viel Zeug heraus. Das betrifft diese Kubaner, Hunt und einen Haufen böse Sachen, mit denen wir selbst nichts zu tun haben.“

Diese ganze Schweinebuchtsache

Nixon wollte, dass sein Stabschef Richard Helms, den damaligen CIA-Direktor, mit einer Warnung unter Druck setzte: Wenn die Spionagebehörde nicht mithalf, den sich ausweitenden Watergate-Skandal zu ersticken, „ist der Präsident der Meinung, dass das diese ganze Schweinebuchtsache aufrollen wird … und dass es die CIA schlecht aussehen lässt, es wird Hunt schlecht aussehen lassen, und es wird wahrscheinlich die ganze Schweinebuchtsache auffliegen lassen … und wir glauben, das wäre sehr unglücklich für die CIA und für das Land zu dieser Zeit.“

Nixons List ging nicht auf. Als Haldeman den CIA-Direktor in sein Büro holte und ihm die kaum verhohlene Drohung des Präsidenten über „die Schweinebuchtsache“ vortrug, explodierte der normalerweise eiskalte Helms.

„Die Schweinebucht hatte nichts mit dieser Sache zu tun!“, schrie er. Nixon erreichte nur, eine sehr mächtige Washingtoner Institution, die noch zu weit größerer Verschlagenheit fähig war als er selbst, noch mehr gegen sich aufzubringen.

Was meinte Nixon mit „diese ganze Schweinebuchtsache“? Laut Haldeman war es Nixons Art, sich auf das Unaussprechliche zu beziehen: das Kennedy-Attentat. Andere Historiker haben spekuliert, dass es ein Kürzel für die CIA-Mafia-Komplotte gegen Castro war.

In jedem Fall war „diese Schweinebuchtsache“ ein passender Codename – er beschwor den ganzen Intrigensumpf herauf, der die Kennedy-Regierung zu umgeben begann, nachdem Allen Dulles und seine Behörde in Kuba ihre Demütigung erfahren hatten, alles, was die CIA tief verborgen halten wollte. Und Howard Hunt steckte bis zum Hals in diesem Morast.

Endlich reinen Tisch machen

Hunts Spionageeskapaden rissen seine Familie schließlich auseinander und sorgten dafür, dass er für beinahe drei Jahre in ein Bundesgefängnis kam. 2003 lebte der pensionierte Agent mit seiner zweiten, siebenundzwanzig Jahre jüngeren Frau Laura in einem bescheidenen Ranchhaus in Nord-Miami.

Sie hatte sich in ihn verliebt, als sie ein Interview mit ihm aus dem Gefängnis über den Watergate-Fall sah. „Ich mochte all diese Männer – das muss Ihnen komisch vorkommen“, erzählte Laura Hunt dem Reporter vom Miami Herald. „Nicht wegen dem, was er getan hatte – das bewundere ich nicht -, aber ich habe ihn dafür bewundert, dass er seiner Regierung gedient hat, und ich habe seinen Intellekt bewundert.“

Mit vierundachtzig schien Hunt auf sein Ende zuzugehen, er litt unter einer Vielzahl von Krankheiten, darunter Arteriosklerose, was zur Amputation seines linken Beins geführt hatte und ihn an den Rollstuhl fesselte.

Mit den zwei Kindern, die er mit Laura hatte, lebte er nun in einer neuen Familie. Doch Saint John Hunt spürte, dass es für seinen Vater an der Zeit war, um seiner ersten Familie willen endlich reinen Tisch zu machen.

 

Das Kennedy-Attentat

Nach Jahren der Entfremdung verbrachte Saint John wieder Zeit mit seinem Vater, schaute mit ihm in seinem Haus in Miami gemeinsam seine Lieblingsnachrichtensendung auf Fox News und grub, wenn der alte Herr dazu aufgelegt war, in der Vergangenheit. Laura wollte nicht, dass Saint John die alten Geschichten aufwärmte, aber er hatte das starke Gefühl, dass sein Vater ihm aufrichtige Antworten schuldig war.

Nachdem seine Familie auseinandergefallen war, war Saint John als Rockmusiker durchs Land gezogen und hatte mit Drogen gehandelt, bis es ihn schließlich in die Küstenmammutwälder Nordkaliforniens verschlug.

Als er wieder Kontakt zu seinem Vater knüpfte, war Saint ein nüchterner, gesetzestreuer Bürger in mittleren Jahren, bestrebt, seinem früheren Leben einen Sinn zu geben. Er war besonders daran interessiert, mit seinem Vater über das Kennedy-Attentat zu sprechen – mit dem sein Vater, wie er aus der Verschwörungsliteratur wusste, seit langem in Verbindung gebracht wurde.

Saints Vater hatte immer darauf beharrt, mit Kennedys Tod nichts zu tun zu haben, und behauptet, am Tag seiner Ermordung zu Hause in Washington gewesen zu sein, nicht in Dallas, wie viele JFK-Forscher vermuteten.

Nach eigener Aussage hatte Hunt an jenem Abend in einem chinesischen Lebensmittelladen Einkaufe für das Abendbrot mit seiner Frau getätigt, als die Nachricht über Kennedy im Autoradio kam.

Das Geheimnis des Aufenthaltsorts

Aber Saint, der zu dieser Zeit in der fünften Klasse war, erinnerte sich nicht, dass er seinen Vater an jenem Tag zu Hause antraf, als er früher aus der Schule entlassen wurde, und er kam auch nicht später am Abend. Das Alibi der Einkäufe für ein chinesisches Abendessen, das Hunt in einem mit dem Kennedy-Attentat in Verbindung stehenden Prozess unter Eid angab, fand Saint John absurd.

„Ich kann Ihnen sagen, das ist der größte Schwachsinn aller Zeiten“, sagte er 2007 dem Rolling Stone. „Mein Vater in der Küche? Beim Gemüseschnipseln mit seiner Frau? Tut mir schrecklich leid, aber das wäre nie passiert. Nie.“

Seine Mutter erzählte Saint John um die Zeit des Attentats herum, dass sein Vater in Dallas war. Das Geheimnis des Aufenthaltsorts seines Vaters plagte Saint viele Jahre. Er war entschlossen, seinen Vater auf das Thema anzusprechen, bevor es zu spät war.

2003 war Howard Hunt endlich bereit zu reden. Er fürchtete, dass sein Ende nahte, und bereute sehr, seiner Familie nur wenig hinterlassen zu können nach allem, was sie durchgemacht hatte. Eine Zeitlang liebäugelte er mit der Idee, die ganze Geschichte dem Schauspieler Kevin Costner zu erzählen, der die Hauptrolle in Oliver Stones Film JFK gespielt hatte (JFK, RFK und Martin Luther King wurden von den gleichen Kräften getötet).

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Erbe der Wahrheit

Costner lockte Hunt mit einem großen Geldbetrag, falls er alles offenbarte, was er über Dallas wusste, aber als das Geld nie kam, tat Hunt den Schauspieler schließlich als „Hohlkopf“ ab. Dennoch drängte Saint John seinen Vater weiter, die ganze Wahrheit zu erzählen, solange er noch bei klarem Verstand war.

Er bat ihn darum in einem langen Brief, in dem er schrieb, es sei an der Zeit, endlich zu offenbaren, was er wusste – er sei es „sich selbst, der Nation und seiner Familie [schuldig], ein Erbe der Wahrheit zu hinterlassen statt des Zweifels“.

Bald darauf rief Hunt seinen Sohn in Kalifornien an und rief ihn zu sich nach Miami. Am 7. Dezember 2003 flog Saint John nach Florida – wo sich ein so großer Teil des Lebens seines Vaters abgespielt hatte -, um sein Testament zu hören.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Das Schachbrett des Teufels. Die CIA, Allen Dulles und der Aufstieg Amerikas heimlicher Regierung“ von David Talbot.

Quellen: PublicDomain/huffingtonpost.de am 24.09.2016

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