Leider können sich Erwachsene nur vereinzelt an ihre ersten Kindheitserlebnisse erinnern. Erinnern an dieses Glücksgefühl, mit dem sie sich als kleines Kind auf den Weg gemacht haben, die Welt zu entdecken. Sie können sich kaum entsinnen an diese unglaubliche Offenheit, Gestaltungslust und Entdeckerfreude.
Sie haben nur eine getrübte Vorstellung von dieser den ganzen Körper durchströmenden Begeisterung über sich selbst und über all das, was es damals zu entdecken und zu gestalten gab. Wären diesen Erinnerungen präsenter, wären viele Sorgen, Probleme und Nöte des Erwachsenseins gar nicht existent.
Zwanzig bis fünfzig mal am Tag erlebt ein Kleinkind einen Zustand größter Begeisterung. Und jedes Mal kommt es dabei im Gehirn zur Aktivierung der emotionalen Zentren.
Die dort liegenden Nervenzellen haben lange Fortsätze, die in alle anderen Bereiche des Gehirns ziehen. An den Enden dieser Fortsätze wird ein Cocktail von neuroplastischen Botenstoffen ausgeschüttet. Jeder kleine Sturm der Begeisterung führt gewissermaßen dazu, dass im Hirn ein selbsterzeugtes Doping abläuft.
Deshalb ist es entscheidend, sich als Heranwachsender oder Erwachsener diese Begeisterung zu bewahren. Leider erleben wir im Laufe unseres Lebens alle zu oft das Gegenteil (Digitalisierung der Schule: „Zum selbständigen Denken unfähig“).
Dazu kommt: den allermeisten Menschen wird es immer wichtiger, gut zu funktionieren. So funktionalisiert diese begeisterungslos gewordene Gesellschaft erst ihre Erwachsenen und am Ende sogar noch ihre Kinder (Schule und Forschung: So schaden Hausaufgaben unseren Kindern – Gesellschaft: Wie wir unsere Kinder zu Materialisten erziehen).
Die werden mit Wissen abgefüllt und es werden ihnen bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten beigebracht, anstatt in ihnen die Fackel der Begeisterung am eigenen Entdecken und Gestalten zum Lodern zu bringen.
Um bei Heranwachsenden die kindliche Begeisterung dauerhaft virulent zu halten und sie immer wieder neu zu entfachen, müssten die Eltern die Rolle des Motivators übernehmen. Sie könnten, ihre Kinder resistent machen gegen Routine, Trägheit und Trübsal.
Das kann aber nur gelingen, wenn sich diese Eltern ihre Befähigung zur Potenzialentfaltung selbst erhalten haben; wenn sie selbst weiter in das Leben verliebt sind und sich für all das begeistern, was dieses Leben tagtäglich in seiner ganzen Buntheit und Schönheit bietet – wie damals, als sie selbst noch kleine Kinder waren.
Video:
https://www.youtube.com/watch?v=2p6l-PTqcQo
Mehr Informationen: http://www.gerald-huether.de
http://www.akademiefuerpotentialentfaltung.org
Etwas mehr Hirn, bitte: Eine Einladung zur Wiederentdeckung der Freude am eigenen Denken und der Lust am gemeinsamen Gestalten
Nur wir Menschen sind in der Lage, unsere Lebenswelt immer besser nach unseren eigenen Vorstellungen zu gestalten. Indem wir uns aber immer perfekter an die so gestaltete Lebenswelt anpassen, verlieren wir allzu leicht auch unsere Fähigkeit, immer wieder nach neuen Wegen zu suchen und dabei aus den eigenen Fehlern zu lernen („Unsere Schulen produzieren leidenschaftslose Pflichterfüller“ (Video)).
Doch: Wir sind frei, wir haben die Wahl. Wir können diese selbstverständlich gewordenen Vorstellungen hinterfragen, wir können sie loslassen und uns entscheiden, unser Leben und unser Zusammenleben anders zu gestalten. Denn der Mensch ist ein soziales Wesen.
Und für die Entfaltung der in uns angelegten Potentiale brauchen wir die Begegnung und den Austausch mit anderen. Die Freude am eigenen Denken und die Lust am gemeinsamen Gestalten sind die großen Themen dieses Buches.
Der Biologe Hüther macht deutlich: Jedes lebende System kann das in ihm angelegte Potential am besten in einem koevolutiven Prozess mit anderen Lebensformen zur Entfaltung bringen.
Oder einfacher: Gemeinsam kommen wir weiter als allein. Und finden zurück zu dem Lebendigen, das uns ausmacht: zu neuer Kreativität, zum Mut zu sich selbst und zu persönlichen Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Wir verfügen über Talente und Begabungen und ein zeitlebens lernfähiges Gehirn, das für die Lösung von Problemen optimiert ist. Wir können Erfahrungen anderer übernehmen und über Generationen weitergeben.
Doch alte, gebahnte Denkmuster verhindern, was für das Entstehen von Potentialentfaltungsgemeinschaften erforderlich ist:
Vertrauen, Austausch, Begegnung. Wenn wir erkennen, dass unser Gehirn sein Potential in Netzwerken mit anderen entfalten kann, dass wir in all unserer Verschiedenheit zusammengehören, voneinander abhängig und miteinander verbunden sind, dann öffnet sich auch der Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft, denn: Gemeinsam verfügen wir über deutlich mehr Hirn als allein!
Literatur:
Die Freilerner – Unser Leben ohne Schule von Dagmar Neubronner
… und ich war nie in der Schule: Geschichte eines glücklichen Kindes (HERDER spektrum) von André Stern
Verdummt noch mal! Dumbing us down: Der unsichtbare Lehrplan oder Was Kinder in der Schule wirklich lernen von John Taylor Gatto
Wie man Kinderbilder nicht betrachten soll von Arno Stern
Quellen: PublicDomain/wirsindeins.org am 04. Juli 2016
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