In einem Brief an die 19 Euro-Finanzminister drängt IWF-Chefin Lagarde zur sofortigen Aufnahme von Verhandlungen über einen griechischen Schuldenerlass. Ihrer Ansicht nach hege die EU zu hohe Erwartungen an eine Erholung der Wirtschaft. Die Zeit drängt, weil bald die heiße Phase des Brexit-Wahlkampfes beginnt.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) fordert die Finanzminister der Eurozone auf, unverzüglich mit Verhandlungen zu einem Schuldenschnitt für Griechenland zu beginnen, wie Financial Times schreibt.
Dies geht aus einem Brief von IWF-Chefin Lagarde an alle 19 Finanzminister der Eurozone hervor, welcher der Zeitung vorliegt.
In dem Brief droht Lagarde mit einem Ausstieg des IWF aus dem Kreditprogramm für Griechenland, falls nicht unverzüglich über Schuldenerleichterungen für das Land gesprochen werde. Die seit einem Monat andauernden Verhandlungen mit Griechenland über Einsparungen in Gesamthöhe von rund 3 Milliarden Euro seien aus IWF-Sicht „fruchtlos“ geblieben, wie Financial Times schreibt.
„Wir glauben, dass spezifische Reformmaßnahmen, eine Restrukturierung der Schulden und Fragen der Finanzierung jetzt zeitgleich diskutiert werden müssen. Für uns ist essentiell, dass die Finanzierung und die Schuldenerleichterungen, die Griechenlands europäische Partner fordern, auf Zielen beruhen, die realistisch sind (…)“, schreibt Lagarde demzufolge.
Das von der EU im vergangenen Jahr für Griechenland vorgegebene Ziel eines Primärüberschusses von 3,5 Prozent im Jahr 2018 sei unrealistisch. Der IWF rechnet damit, dass unter den gegebenen Umständen nur ein Primärüberschuss von 1,5 Prozent möglich sei. Ein Primärüberschuss beschreibt den Haushaltsüberschuss eines Landes ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen für Schulden.
Griechenland muss im Juli rund 3,5 Milliarden Euro an Schulden zurückzahlen, wozu es alleine nicht in der Lage ist. Die Zeit für eine Einigung drängt, weil bald die heiße Phase des Wahlkampfes über einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit) beginnt.
Financial Times zufolge haben europäische Politiker ihren griechischen Kollegen bereits zu verstehen gegeben, dass eine schnelle Einigung erforderlich sei.
Falls diese nicht zustande kommt, müsse man bis nach der Entscheidung in Großbritannien warten, weil man „keine tumultartigen Verhandlungen während der Brexit-Kampagne“ wünsche, wie Financial Times schreibt. Demzufolge müsste man eine Notlösung kurz vor Ende der Rückzahlungsfrist im Juli riskieren (Die EU kippt und „Brexit“ könnte das Ende einläuten (Videos)).
Die Gefahren für Griechenland und die EU
Analysten der Economist prognostizieren, Griechenland werde innerhalb der kommenden fünf Jahre aus der Eurozone ausscheiden.
Die Einschätzungen bezüglich Griechenlands in dem Bericht der Economist Intelligence Unit mit Titel „Europa an seinen Grenzen“ sind Unheil verkündend. Laut der Analyse wird damit gerechnet, dass Griechenland irgendwann innerhalb der kommenden fünf Jahre aus der Eurozone ausscheiden wird.
Die Analysten des Economist versuchen, die grundsätzlichen Herausforderungen für das vereinigte Europa zu kodifizieren, welche Folgende sind: Das Immigrantenproblem, der Brexit, der Grexit, die Rolle der Zentralbanken und spezieller der EZB, die niedrige Produktivität, die Beziehungen EU – Russland und schließlich das Erscheinen des Populismus, der die europäischen Demokratien vor ernsthafte Probleme stellt.
Das Hauptproblem für die EU wird auftreten, wenn sie aufgefordert sein wird, mehrere der vorstehend angeführten Herausforderungen gleichzeitig parallel zu handhaben.
Drei ernsthafte Herausforderungen für Griechenlands Regierung
Wenn das neue Stocken in den Verhandlungen Athens mit den sogenannten Institutionen ein Indiz darstellt, ist nicht auszuschließen, dass die Analysten der Economist Intelligence Unit in ihren Prognosen in Zusammenhang mit der Position Griechenlands in der Eurozone Recht bekommen werden. Wie sie anmerken, werden die Bemühung der Regierung des Alexis Tsipras, die in dem im Juli 2015 von ihm selbst unterschriebenen Memorandum No. 3 vorgesehenen Reformen voranzutreiben, zu ernsten politischen Spannungen im Inland führen (Gigantischer Betrug kostet Griechenlands Bürger 40 Mrd. Euro – Alles ändert sich … Alles bleibt beim Alten).
Sie zeigen sogar drei sehr ernsthafte Herausforderungen auf:
Die erste ist die Schwierigkeit, die neuen Maßnahmen umzusetzen. Die Schlussfolgerung, zu der die Autoren des Berichts gelangen, ist, dass die größte Frage keine andere als die ist, ob es irgend eine griechische Regierung gibt, welche die Reformen des dritten Memorandums umsetzen könnte. Und dies wegen der Gegenreaktion etablierter Interessen, aber auch einer Bevölkerung, die von der Austerität heimgesucht worden ist.
Die zweite Herausforderung bezieht sich auf das Thema der Konjunktur und der öffentlichen Verschuldung. „Für Griechenland wird es schwierig sein, seine Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen und einen erwähnenswerten Fortschritt zu erreichen, während es innerhalb der Eurozone verbleibt„, wird charakteristisch angemerkt.
Die in dem Rettungspaket umfassten strukturellen Reformen sind „Spätzünder“ und bringen kurzfristig gesehen kein Wachstum mit sich. Gemäß den Analysten des Economist reichen jedenfalls die einfache Prolongierung der der Kredite, die Senkung der Zinssätze und die Gewährung längerer tilgungsfreier Perioden nicht aus und es wird ein reiner Verschuldungserlass zu untersuchen sein.
Die dritte Herausforderung ist die Handhabung des Euro-Skeptizismus in der griechischen öffentlichen Meinung. Die gefährliche Prognose lautet, es sei wahrscheinlich, dass die Unterstützung des Verbleibs in der Eurozone „um jeden Preis“ abnimmt, solange die Arbeitslosigkeit nicht fällt und der Aufschwung ausbleibt.
Grexit, Flüchtlingsproblem, Vereinbarung EU – Türkei
Die Prognose lautet also, dass Griechenland aus der Eurozone ausscheiden wird und einfach nur noch nicht der Zeitpunkt genau bestimmt werden kann. Theoretisch wird die Wirtschaft sich nach einem Jahr tiefer Rezession erholen – unter der Voraussetzung einer konsequenten Fiskalpolitik. Die Eurozone ist inzwischen besser vorbereitet, den wirtschaftlichen Folgen eines Grexit’s zu begegnen, jedoch werden die politischen Auswirkungen nicht vernachlässigbar sein. Und dies, weil die Perspektive der selbigen Eurozone in Frage gestellt werden wird.
Viele meinen, der Wendepunkt, der die Eurozone vor der Auflösung rettete, sei Mario Draghis Wende im Sommer 2012 gewesen, „alles Nötige“ tun zu werden, damit Schlimmeres abgewendet wird. Manche meinen, die im vergangenen März zwischen EU und Türkei getroffene Vereinbarung könnte eine entsprechende Bedeutung für die Bewältigung des Immigranten- / Flüchtlingsproblems haben.
Der Erfolg der Vereinbarung ist spezieller für Deutschland und Angela Merkel persönlich kritisch. Das Hauptproblem für Berlin war das Gefühl des Verlusts der Kontrolle und der Schlag für das gesellschaftliche Gerüst durch das unkontrollierte Eintreffen von Flüchtlingen auf deutschem Boden (Geheimer Passus im EU-Türkei-Deal: Merkel will hunderttausende Flüchtlinge direkt nach Deutschland umsiedeln).
Diese Vereinbarung enthält jedoch „gefährliche Kurven“, in denen sie entgleisen könnte. Erstens kann ihre Rechtmäßigkeit angezweifelt werden. Zweitens stützt ihre Umsetzung sich sehr auf den guten Willen Ankaras. Drittens bleibt unbekannt, ob Griechenland über die erforderliche Verwaltungseffizienz verfügt, um all das zu schaffen, wozu es sich selbst verpflichtet hat. In diesem letzten Punkt darf auch nicht übersehen werden, dass Griechenland parallel die Verhandlungen mit dem „Quartett“ (sprich den Vertretern seiner ausländischen Gläubiger) zu handhaben hat.
Anhaltende Ungewissheit in den Beziehungen EU – Russland
Die Beziehungen zwischen der EU und Russland werden in den nächsten Jahren von Ungewissheiten gekennzeichnet sein. Im Zentrum befindet sich natürlich die Sache mit der Ukraine. Die Europäer haben die Aufhebung der Sanktionen, die sie nach der Okkupation der Krim und den Zusammenstößen in der Ost-Ukraine verhängten, mit der Umsetzung des Abkommens Minsk II verknüpft.
Kurzfristig werden jedoch keine erschütternden Entwicklungen erwartet, spezieller nicht hinsichtlich der Schlüssel-Bestimmung, dass Moskau die völlige Wiederherstellung der Kontrolle der Grenzen der Ukraine zu Russland gestatten muss (Feindbild Russland: Wie der Westen das Szenario eines Dritten Weltkriegs heraufbeschwört (Videos)).
Für die kommenden fünf Jahre wird das Ukraine-Thema jedoch zu einem „eingefrorenen Konflikt“ werden. Die Analysten der Economist Intelligence Unit erwarten eine Erneuerung der Sanktionen im Juli 2016, sehen jedoch im weiteren Verlauf deren Mäßigung voraus.
Literatur:
Die Wahrheit über Griechenland, die Eurokrise und die Zukunft Europas: Der Propagandakrieg gegen Syriza von Giorgos Chondros
Weltmacht IWF: Chronik eines Raubzugs von Ernst Wolff
Die Banker Satans: Aktualisiert Erweitert Unzensiert von Andrew Carrington Hitchcock
Quellen: PublicDomain/Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten/griechenland-blog.gr am 06.05.2016
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