Der „Tag gegen Lärm“ stellte am Mittwoch die Ursachen und Folgen von Lärm in den Fokus. Experten warnen: Besonders Straßenlärm und laute Musik können gesundheitliche Probleme machen – auch wenn wir das erst gar nicht bemerken.
Lärm ist allgegenwärtig und schädlich. Doch oft nehmen wir ihn gar nicht mehr bewusst wahr. Die Deutsche Gesellschaft für Akustik (DEGA) hatte deshalb mit dem am Mittwoch (27.04.2016) begangenen „Tag gegen Lärm“ auf Ursachen und Folgen von Lärmbelastung aufmerksam machen. Denn Lärm sei ein erhebliches Umweltproblem und mindere die Lebensqualität, heißt es von der DEGA.
Was genau ist eigentlich Lärm? „Es handelt sich dabei um Geräusche, die uns Menschen beeinträchtigen“, sagt der Berliner Lärmforscher Michael Jäcker-Cüppers. „Das können bewusst wahrgenommene Beeinträchtigungen, aber auch unbewusste Lärmbelästigungen sein.“ Letztere können zum Beispiel durch Lärm an viel befahrenen Straßen entstehen, der den Schlaf beeinflusst, aber nicht wach macht. „Das kann dann aufgrund steigender Ausschüttung von Stresshormonen auch gesundheitliche Folgen haben“, erklärt Jäcker-Cüppers (Unterwasserlärm: Ostsee so laut wie eine Disco).
Straßenverkehr belastet am meisten
Doch nicht jeder Mensch reagiert auf Geräusche gleich. „Manche Musik ist für den einen gefühlt genau richtig, für den anderen viel zu laut oder unangenehm“, sagt Dirk Schreckenberg, Umweltpsychologe und Lärmforscher aus Hagen. „Nicht jede Lärmquelle ist immer gleich lästig.“
Nach einer Studie des Umweltbundesamtes fühlen sich die meisten Menschen vom Straßenlärm am intensivsten belästigt, noch vor Fluglärm oder Bahngeräuschen. „Das liegt allerdings auch daran, dass es wesentlich mehr Straßen gibt, als Flughäfen oder Bahnstrecken“, erläutert Schreckenberg. Bei gleichem Dauerschallpegel empfinden Menschen dagegen Fluglärm am lästigsten.
Wie viel Lärm verträgt der Mensch? „Ab einem äußeren Dauerschallpegel von 65 Dezibel am Tag oder 55 Dezibel in der Nacht erhöht sich das Risiko für gesundheitliche Schäden durch Verkehrslärm deutlich“, sagt Lärmforscher Jäcker-Cüppers.
Auch das Ticken eines Weckers oder das Brummen eines Kühlschranks kann mit 30 Dezibel bereits zu Schlafstörungen führen. „Der Mensch wird von verschiedensten Lärmquellen gestört, was auch die gesamte Stresssituation erhöht.“ Deshalb sollte man auch die Gesamtbelastung im Blick haben, sagt Jäcker-Cüppers.
Ein gefährlicher Unruhestifter: die Angst vor der Stille.
Ernst Ferstl
Lärm führt zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Die Lautstärkemessung des Lärms allein reicht aber nicht aus, um jede Lärmbelastung festzustellen. „Oft kommt es auf die Geräuschfrequenz oder bestimmte Eigenschaften des Geräuschs an“, erklärt Jäcker-Cüppers. Rattert es oder ist es ein pfeifender Ton? Handelt es sich um eine Dauerbeschallung oder eine unregelmäßige Störung? „Wenn diese Geräusche unsere Aufmerksamkeit wecken, können sie wesentlich lästiger sein, als ein dumpfes Rauschen vom Straßenverkehr“, so der Lärmforscher.
Die gesundheitlichen Folgen können verheerend sein. „Bei Lärm können Herz-Kreislauf-Effekte auftreten“, sagt Dirk Schreckenberg. Akut steigen Blutdruck und Herzrate und dies kann langfristig zu Erkrankungen führen. Bei steigendem Dauerschallpegel des Verkehrslärms erhöht sich das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark, sagt der Umweltpsychologe.
Der Lärm hat auch konkrete Auswirkungen auf das menschliche Ohr. „Laute Arbeitsplätze wie in Orchestern sind deshalb ein Problem, aber auch laute Musik hören in Diskotheken oder über Kopfhörer sorgen für Schäden“, erklärt Lärmforscher Jäcker-Cüppers (Der Einfluss des Militärs und der Rockefeller-Stiftung auf die Musik (Videos)).
Das sei besonders tückisch, da Hörschäden meistens nicht heilbar sind und sich nur langsam ausbilden. „Eine lärmbedingte Schwerhörigkeit ist so eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensqualität, dass man alles tun sollte um diese zu vermeiden.“ Mittlerweile sei zu lauter Musikkonsum allerdings sehr weit verbreitet. „Bei einem Discobesuch werden Belastungen bis zu 110 Dezibel erreicht“, so der Experte. Dem dürfe man sich nicht zu lange aussetzen.
Die Stille der Nacht oder des Waldes kann der Seele ein Hilfsmittel sein, in ihre eigenen Tiefen hineinzulauschen.
Friedrich Lienhard
Lärmquellen haben sich verändert
Die Art des Lärms hat sich mit den Jahren zudem verändert. „Wir haben heute andere Lärmquellen, die anders zusammengesetzt sind“, erklärt Lärmforscher Schreckenberg. So konnten zum Beispiel die einzelnen Fahrzeuge in der Lautstärke gesenkt werden, die Verkehrsmenge ans sich habe aber stark zugenommen. „Andere Geräusche wie das Piepen des Rückwärtsgangs beim Lkw sind noch dazugekommen.“
Der Lärm von Nachbarn ist eine weitere lästige Lärmquelle. „Dieser alltägliche Lärm taucht in den Lärmkartierungen von Städten und Kommunen gar nicht auf“, sagt Dirk Schreckenberg.
„Dementsprechend gibt es dazu auch keine Schutzpläne.“ Um Nachbarschaftslärm zu vermeiden helfe meistens reden. „Im Gespräch mit dem Nachbarn kann man sich besser aufeinander einstellen und um Verständnis werben“, sagt Schreckenberg. Um Verkehrslärm zu verringern sei auch die Politik gefordert, Schutzmaßnahmen für die Bürger zu treffen. „Als Betroffene sollte man sich aber auch direkt an die Politiker wenden“, rät der Experte (Lärm macht krank – Herz-Kreislauferkrankungen können die Folge sein (Video)).
Auszeiten helfen bei Lärmbewältigung
Wie können wir uns vor Lärm noch schützen? „Wir müssen uns Ruhe- und Auszeiten von den Geräuschen organisieren“, empfiehlt Lärmforscher Jäcker-Cüppers. Außerdem sollte man immer im leisesten Raum schlafen, um möglichst viele Störquellen auszuschließen. Um den Lärmpegel innerhalb der Wohnungen zu senken, können Teppiche und Vorhänge verwendet werden. „Dadurch wird der Lärm geschluckt“, sagt der Forscher.
Die DEGA empfiehlt außerdem ein lärmbewusstes Verhalten. So sollten technische Produkte gekauft werden, die leise sind. Bei der Auswahl helfen Kennzeichnungen, die den Energieverbrauch des Produktes bewerten. Besonders bei Gartengeräten wie Laubbläser oder Rasenmäher sollte auf die Lärmemission geachtet werden, rät Jäcker-Cüppers: „Wenn man beim Kauf solcher Geräte achtsam ist, kann man selbst viel gegen den Lärm tun.“ (Defekte Haushaltsgeräte: Geplanter Verschleiß?)
Die vorgegebenen Ruhezeiten sollten außerdem eingehalten werden. Dann wird Lärm vermieden und Ruhe gewonnen.
Alles bei ihnen redet, nichts gerät mehr und kommt zu Ende. Alles gackert, aber wer will noch still auf dem Neste sitzen und Eier brüten?
Friedrich Wilhelm Nietzsche
Literatur:
Stress – die Hauptursache aller Krankheiten: und die einzige Antwort darauf von Leonard Coldwell
Vernetzte Intelligenz: Die Natur geht online – Gruppenbewusstsein, Genetik, Gravitation von Grazyna Fosar
Lass dich nicht vergiften!: Warum uns Schadstoffe chronisch krank machen und wie wir ihnen entkommen von Joachim Mutter
Im Netz der Frequenzen: Elektromagnetische Strahlung, Gesundheit und Umwelt. Was man darüber wissen muß von Franz Bludorf
Quellen: PublicDomain/wdr.de am 27.04.2016
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