Heute morgen fragte ich in den Hinweisen des Tages noch rhetorisch, was denn nun mit den Datensätzen aus Panama geschieht, die weltweit in den Medien hochgejazzt werden.
Nach einigen Antworten kundiger Leser scheint sich zu bestätigen, was ich bereits zuvor gemutmaßt habe: Schon bald treiben unsere lieben Medien die nächste Sau durchs Dorf und die Kunden von Mossack Fonseca müssen sich keine Sorgen machen.
Nach momentanem Kenntnisstand werden noch nicht einmal die jeweiligen Steuer- und Strafverfolgungsbehörden Einblick in die Daten bekommen. Wie der Guardian bereits meldete, respektieren die beteiligten Medien und Institutionen also die Privatsphäre der Briefkastenunternehmer. Die eigentlichen Dunkelmänner sitzen demnach in den Redaktionen der beteiligten Medienkonzerne.
So sind die Panama Papers vor allem eins – ein Fanal für Whistleblower, brisante Daten nicht exklusiv an Medienkonzerne zu vergeben, sondern Enthüllungsplattformen wie Wikileaks zu benutzen. Von Jens Berger.
Was haben Sie aus den Panama Papers gelernt? Dass afrikanische, russische, ukrainische und asiatische „Eliten“ korrupt sind? Geschenkt, das sollte sich eigentlich auch ohne Panama Papers bereits herumgesprochen haben.
Sicher, es ist immer gut, wenn Stories über derartige Verdunklungsmaschinerien im internationalen Finanzsystem die Runde machen und zumindest für wenige Tage auch politisch debattiert werden. Dass den Debatten keine politischen Schritte folgen, gehört dabei ebenfalls zur festen Choreographie. In der nächsten Woche geht es bereits wieder um ein anderes „Thema des Tages“ und bereits in einem Monat weiß niemand mehr, wie Mossack Fonseca eigentlich geschrieben wird.
Dies sind feste Rituale in unserer Aufmerksamkeitsökonomie, an denen wir nicht rütteln können und es wäre unfair, sich nun ausgerechnet die Panama Papers herauszusuchen, um diese sinnfreien Rituale zu hinterfragen.
Gehen wir die Sache daher anders an: Was hätte ein funktionierender Journalismus mit diesen Daten anstellen können? Dazu sollte man sich vor allem noch einmal vor Augen halten, was eigentlich „investigativer Journalismus“ ist.
Fest steht, dass das ICIJ, also das „Internationale Konsortium investigativer Journalisten“, das die Auswertung der Panama Papers verantwortet hat, investigativen Journalismus offenbar mit Datenjournalismus verwechselt. Diese neue Form des Journalismus nimmt sich eine Datenbank vor und sucht anhand von Filtern und Suchbegriffen nach Infohäppchen, die sich in Schlagzeilen packen lassen. Das ist preiswert und verspricht Quote und Klicks.
Hintergründe, Zusammenhänge und Querverbindungen zu checken und aufzudecken ist hingegen teuer und auch Medienkonzerne müssen sparen.
Die 11,5 Millionen Dokumente der Panama Papers betreffen 214.488 Briefkastenfirmen, hinter denen rund 14.000 Personen stehen. Wie es momentan aussieht, wird keine einzige dieser 14.000 Personen sich jemals vor Gericht für ihre Taten rechtfertigen müssen. Und das hat natürlich auch seine Gründe. In vielen Fällen ist die Dienstleistung von Mossack Fonseca nun einmal überhaupt nicht illegal.
Nehmen wir einmal einen der prominentesten Klienten als Beispiel. Salman Al Saud ist absolutistischer König von Saudi Arabien. Als solcher ist er getreu dem schönen Sprichwort „Der Staat bin ich“ der Staat und steht ohnehin über den Gesetzen Saudi Arabiens, die für Herrn Al Saud nicht gelten. Steuern hinterziehen kann er übrigens per Definition nicht, da er ja der Staat ist.
Welchen Informationswert hat es also, wenn Süddeutsche und Co. melden, dass Salman Al Saud eine Briefkastenfirma auf den Jungferninseln kontrolliert?
Aber auch in anderen Fällen ist der eigentliche Informationswert eher die Information selbst. Und das liegt vor allem am Umstand, dass wir es hier momentan lediglich mit Zeitungsberichten zu tun haben, deren Wahrheitsgehalt sicher ohne weiteres von keinem Gericht der Welt als Beweis gesehen wird.
So lange die Daten der Panama Papers nicht in die Hände nationaler und internationaler Ermittler gelangen, werden die „Enthüllungen“ daher auch keine praktischen Folgen haben.
(Geographische Verteilung der Mossfon-Kunden, die namentlich von den Medien gennat werden)
Unter dem Strich sieht es also so aus, als ob die beteiligten Medienkonzerne den unverhofften Datenschatz nur verwendet haben, um ein wenig Quote und Auflage zu machen. Entscheidende Fragen bleiben dabei immer noch offen: Warum befindet sich denn nun kein namhafter US-Amerikaner unter den „Beschuldigten“?
Warum haben die Süddeutsche Zeitung und der Guardian die Veröffentlichung vor allem genutzt, um auf unlautere Art und Weise gegen Wladimir Putin Propaganda zu machen? Warum werden die Rohdaten nicht veröffentlicht?
Man kann wirklich nur jedem Whistleblower raten, einen großen Bogen um die Enthüllungskonsortien der Medienkonzerne zu machen, die vom ICIJ verwaltet werden. Schon bei den Offshore-Leaks, den Luxemburg-Leaks und den Swissleaks haben ICIJ und Co. sich nicht mit Ruhm bekleckert und die „bösen Buben“ blieben ungeschoren. Wer was erreichen will, sollte seine Dokumente daher lieber bei Wikileaks veröffentlichen. Nur so ist eine wirklich transparente und demokratische Auswertung der Dokumente möglich.
Quelle: nachdenkseiten.de
Was steckt hinter den „Panama Papers“?
Bei näherem Hinsehen stellt man allerdings fest, dass die Auswahl an Steuersündern zum einen recht einseitig ausfällt und zum anderen außergewöhnlich gut in das Konzept der US-Regierung passt. So werden bisher nicht bestätigte Vorwürfe gegen das Umfeld von Wladimir Putin und die Tochter des chinesischen Ex-Präsidenten erhoben, während man unter den aufgeführten Steuersündern vergeblich nach einem einzigen US-amerikanischen Staatsbürger sucht.
Bei der Enthüllung der Daten handelt es sich auch keinesfalls um eine journalistische Bombe, die über Nacht geplatzt ist, sondern um einen von langer Hand vorbereiteten Coup, bei dem nichts dem Zufall überlassen wurde: 400 Journalisten von 100 Medienorganisationen in rund 80 Ländern waren mehr als 12 Monate lang mit der Auswertung der Daten beschäftigt.
Video:
Die US-Jagd nach Steuersündern
Interessanterweise sollen die 400 Journalisten dem Konsortium für investigativen Journalismus angehören, das 1997 gegründet wurde und zum US-amerikanischen Center For Public Integrity zählt, das sich aus Stiftungen finanziert, darunter die Ford Foundation, Carnegie Endowment, der Rockefeller Family Fund, die Kellogg Foundation und die Open Society Foundation von George Soros.
Da man getrost davon ausgehen kann, dass die betroffenen Medien sich fest in der Hand internationaler Investoren befinden, sollte man von den „Panama Papers“ keine Enthüllungen erwarten, die der internationalen Finanzelite gefährlich werden könnten. Was aber steht dann hinter der Veröffentlichung dieser angeblich so brisanten Informationen?
Die Frage beantwortet sich von selbst, wenn man die Politik der USA gegenüber den größten Steueroasen der Welt in den vergangenen Jahren näher betrachtet (Steueroase Deutschland: Warum bei uns viele Reiche keine Steuern zahlen).
Seit der Jahrtausendwende hat die amerikanische Regierung nichts unversucht gelassen, um an das Geld ihrer eigenen steuerhinterziehenden Bürger heranzukommen. So hat der US-Kongress 2010 das Fatca-Gesetz (Foreign Account Tax Compliance Act) verabschiedet, das außerhalb der USA gelegene Finanzinstitute dazu zwingt, alle Kontodaten von US-Bürgern an die US-Steuerbehörde IRS (Internal Revenue Service) zu melden.
Unter anderen gerieten die Schweiz, Luxemburg, Monako, Zypern, Singapur und die Cayman Islands ins Visier der US-Justiz. Inzwischen haben zahlreiche Schweizer Banken nach Strafzahlungen in Milliardenhöhe das Angebot der USA auf Verzicht auf Strafverfolgung angenommen, ihre Taktiken zur Steuerhinterziehung offengelegt und damit das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses besiegelt.
Die Doppelstrategie der US-Regierung
Das Ergebnis der amerikanischen Härte war allerdings eher ernüchternd: Die Gelder flossen im großen Stil aus den alten in neue Steueroasen. Deshalb suchten die USA nach einem besseren Weg, um an das Geld von Steuerflüchtlingen heranzukommen und änderten die eigene Taktik: Im Rahmen der G 8 und der G 20 spielten sie die eigene Macht aus und erwirkten, dass deren Mitglieder und die der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) einem Abkommen über den Automatischen Informationsaustausch (AIA) zustimmten.
In diesem Abkommen verpflichten sich fast 100 Staaten, gegenüber ausländischen Steuerbehörden, die Vermögensverhältnisse von deren Staatsbürgern offenzulegen.
Nur wenige Länder haben dieses Abkommen nicht unterzeichnet – Bahrain, Nauru, Vanuatu… und die USA.
In anderen Worten: Die USA haben die ganze Welt mit Nachdruck zur Offenlegung des Steuergeheimnisses gedrängt, die dazu durchgesetzten Vorschriften selbst aber nicht übernommen. Und das ist nicht alles: In den vergangenen Jahren haben sie vier ihrer Staaten in wahre Steuerparadiese für internationales Kapital verwandelt.
Das neue Steuerparadies USA
So galt der Staat Delaware bereits seit langem als idealer Platz zur Steuervermeidung und zur Einrichtung von Briefkastenfirmen. Dort haben, wie die New York Times 2013 ermittelte, in einem einzigen Haus in Wilmington 285.000 Gesellschaften ihren Sitz. Sämtliche Dax-Unternehmen wie auch die Deutsche Bank und internationale Giganten wie Apple und Coca Cola nutzen die Steuervorteile und die Verschwiegenheit der Behörden des dünn besiedelten Staates (Ohne Werte und Moral – was die FIFA und VW gemeinsam haben).
Aber nicht nur Delaware, sondern auch South Dakota und Wyoming zählen inzwischen zu den US-Plätzen, in denen ein uneingeschränktes Bankgeheimnis gilt und in die seit einiger Zeit Milliarden aus aller Welt fließen. Die Genfer Vermögensberatung Cisa Trust, die ultrareiche Südamerikaner berät, ist ebenso nach South Dakota gezogen wie Trident Trust, einer der weltgrößten Anbieter von Offshore-Konten, der der Schweiz und den Cayman Islands den Rücken gekehrt hat.
Und noch ein Staat ist inzwischen hinzugekommen: Nevada. Hier hat die Schweizer Rothschild Bank 2013 in Reno eine Filiale eröffnet, die sich um die Vermögen ultrareicher Familien aus aller Welt kümmert und sich die weltweit wohl einmaligen Vorschriften für Geschäftsfirmen zunutze macht: Keine Stammkapitalpflicht, keine Buchführungs- und Bilanzierungspflicht, keine Aufbewahrungspflicht für Belege und Nachweise zur Mittelverwendung und – bei entsprechender anwaltlicher Beratung – keine Betriebsprüfungen.
Die USA haben es also nicht nur geschafft, den Rest der Welt zu zwingen, ihnen bei der Jagd auf eigene Steuersünder zu helfen, sondern den übrigen Staaten der Welt auch noch deren Steuersünder abspenstig gemacht und so für den Zustrom riesiger Summen ins eigene Land gesorgt. Damit haben sie zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Sie haben die Konkurrenz empfindlich geschwächt und dazu beigetragen, dass der Zustrom von Milliarden von Dollar ins eigene Land die eigene Zahlungsbilanz aufbessert und den kränkelnden Dollar – zumindest vorübergehend — stützt.
Warum dann aber noch die Veröffentlichung der „Panama Papers?“
Mit Hilfe der „Panama Papers“ wird nun dieser Strom noch zusätzlich befördert, und zwar durch die Zurückhaltung von Informationen: Welcher Ultrareiche und welcher Politiker weiß schon, ob er nicht auch noch in irgendeiner Liste auftaucht? Was wird er tun, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen? Vermutlich wird er sein Vermögen so schnell wie möglich in das neue Steuerparadies USA transferieren (Elite: 62 Menschen besitzen so viel wie die halbe Menschheit).
Und ganz nebenbei dienen die „Panama Papers“ auch noch dazu, bisher nicht belastete unliebsame Politiker und Konkurrenten auf dem Finanzmarkt unter Druck zu setzen, denn von einem kann man wohl ausgehen: Die Zahl führender Persönlichkeiten, die angesichts der angekündigten Veröffentlichung zusätzlicher Informationen derzeit gut schlafen können, weil sie sich in der Vergangenheit nichts haben zuschulden kommen lassen, dürfte sich in Grenzen halten.
Video:
https://www.youtube.com/watch?v=FvobcBGbd_c
Literatur:
Die Rockefellers: Ein amerikanischer Albtraum von Tilman Knechtel
Die Banker Satans: Aktualisiert Erweitert Unzensiert von Andrew Carrington Hitchcock
Die große Enteignung von Janne Jörg Kipp
Quellen: PublicDomain/de.sputniknews.com am 05.04.2016
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Destabilisierung Deutschlands und Europas, Trockenlegen der Steueroasen und alles strömt in den „sicheren Hafen“ USA – die haben es auch nötig. Einen mehrstelligen Milliardenbetrag an Kapitalzufluß benötigt man, um sich über Wasser zu halten, trotzdem man bereits 20 % der eigenen Bevölkerung auf den Lebensstandard der Dritten Welt gesetzt hat.
Sehr gut recherchiert und sachlich voll und ganz richtig.Leider lassen sich die vielen schlafenden Schäfchen wieder beeinflussen und wir kämpfen wieder gegen Windmühlen um die wahren Informationen über dieses Leck zu offenbaren.Danke für diesen Bericht