Als das Europäische Patentamt (EPA) im Vorjahr erstmals zwei Pflanzenzüchtungen patentierte, wurde in der EU mit einer Politik begonnen, gegen die nun von vielen Seiten Sturm gelaufen wird.
Wenn Tiere und Pflanzen – also Leben – patentiert werden können, bewirke das, dass die großen Konzerne, die den internationalen Saatgutmarkt schon jetzt kontrollieren, noch stärker werden, warnen Kritiker. „Kleinbauern werden zu Lizenzgebühren gezwungen, wenn sie spezielles Saatgut verwenden“, sagt Thomas Fertl von Bio Austria.
Die biologische Artenvielfalt werde noch mehr bedroht, als es ohnedies schon der Fall sei. Bisher war es in der EU so, dass Patente auf Pflanzen (und Tiere) nur dann vergeben wurden, wenn diese gentechnisch verändert waren. Um 7.500 Gentech-Patente auf Pflanzen und 5.000 auf Tiere (vor allem Labortiere) wurde angesucht, erteilt wurden dann immer noch Patente auf 2.400 Pflanzen- und 1.400 Tierzüchtungen.
Konventionelle Züchtung galt zumindest in der EU als nicht patentierfähig – „weil die Natur ja keine Erfindung ist“, erläutert Christoph Then von der Interessenvertretung No Patents on Seeds (Gentechnik: Monsanto im Team mit dem World Wildlife Fund (WWF) (Video)).
Dominanz auf Saatgutmarkt
Der Richtungsschwenk des Vorjahrs im Patentamt wird damit erklärt, dass es sich um Kreativität und geistiges Eigentum handle, wenn Produkte wie Brokkoli mit mehr gesunden, angeblich krebsvorbeugenden Inhaltsstoffen auf den Markt kommen. Oder Paradeiser, die wegen eines niedrigeren Wassergehalts leichter zu Ketchup verarbeitet werden können.
Natürlich stecken hinter diesen Entwicklungen große Konzerne, die sich schon jetzt 75 Prozent des internationalen Saatgutmarkts teilen, beispielsweise Syngenta, Monsanto und Bayer (Monsantos Untaten rächen sich).
Ihr Businessmodell: Landwirte, die das Saatgut verwenden, müssen Lizenzen zahlen. Eine mittelständische Saatgutwirtschaft, wie sie etwa in Österreich noch existiert, wäre im Nachteil (Monsanto fälschte eigene Studien über Glyphosat: Krebsrisiko seit den 80ern bekannt).
Hohe Entwicklungskosten Andererseits argumentieren die Konzerne damit, dass sie die hohen Forschungs- und Züchtungskosten nicht aufwenden würden, wenn nicht ein entsprechender Entwicklungsschutz gegeben ist. Bei einem europäischen Patent liegt der Schutz bei 20 Jahren (Tribunal Monsanto Den Haag, 12. bis 16. Oktober 2016).
Organisationen wie Arche Noah, die sich dem Erhalt von altem Saatgut widmet, stört, dass die Konzerne gezielt oft in weniger entwickelten Ländern des Südens nach alten Sorten mit speziellen Wirkstoffen suchen. Für die oftmals indigenen Gemeinschaften dort wird dadurch der traditionelle Gebrauch der Pflanzen eingeschränkt. Denn auch da können solche alten Kulturpflanzen patentiert werden (Aus für Monsanto: Venezuela verbietet endgültig genetisch verändertes Saatgut).
Pflanzeneigenschaften verstärken
Ein Beispiel, das Arche Noah zusammengetragen hat: Syngenta erhielt ein Patent auf insektenresistente Chili- und Paprikapflanzen. Um diese Neuzüchtung zu erhalten, wurde ein wilder Paprika aus Jamaika, der von Natur aus insektenresistent ist, mit kommerziellen Paprikapflanzen gekreuzt. Obwohl die Resistenz natürlicherweise vorkommt, beansprucht Syngenta die insektenresistente Pflanze, ihr Saatgut und ihre Ernte als Erfindung (Pestizid: Behörde hat Bevölkerung über Krebsgefahr im Dunklen gelassen).
Das riesige Geschäft, das die Konzerne mit konventioneller Saatzucht wittern, wird dadurch belegt, dass seit der wegweisenden Entscheidung des Patentamts die Behörde mit Anträgen zur Genehmigung konventioneller Züchtungen förmlich überrannt wurde (Frankenstein lebt: Patente für Klon-Tiere – Zika-Virus aus dem Labor).
Laut No Patents on Seed gibt es rund 100 Patentanträge, die konventionelle Pflanzenzüchtungen betreffen. Richtungsentscheid in der EU Da es bei dem Thema zu einer grundsätzlichen politischen Richtungsentscheidung kommen muss, wird im EPA, und zwar im Verwaltungsrat, demnächst über die zukünftige Vorgehensweise diskutiert.
Die Niederlande, die derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehaben, haben das Thema „Patente auf Pflanzen“ auf die politische Agenda gesetzt. An einer Überarbeitung der EU-Biopatentrichtlinie wird derzeit in Brüssel gearbeitet.
Gefordert wird, dass Patente auf Pflanzen und Tiere unmissverständlich verboten werden (Pflanzen selbst vermehren, alte Sorten pflegen – von der Saatgutindustrie autark leben).
Literatur:
Handbuch Samengärtnerei. Sorten erhalten. Vielfalt vermehren. Gemüse genießen von Pro Specie Rara
Saat der Zerstörung. Die dunkle Seite der Gen-Manipulation von F William Engdahl
Die Lügen der Lebensmittelindustrie: Was uns alles schmeckt! von Thomas Biehlig
Tödliche Ernte: Wie uns das Agrar- und Lebensmittelkartell vergiftet von Richard Rickelmann
Quellen: PublicDomain/derstandard.at am 18.02.2016
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