Nach den Terroranschlägen von Paris fordern französische Sicherheitsbehörden massive Einschnitte in den freien Zugang zum Internet. Dies geht aus Gesetzesentwürfen des französischen Innenministeriums hervor, aus denen die Tageszeitung Le Monde zitiert.
Dem Bericht zufolge soll im Falle eines Ausnahmezustandes, wie er nach den Anschlägen verhängt wurde, öffentliche WLAN-Hotspots verboten werden (Die Déjà-vus von Paris: Neue (alte) Erkenntnisse über den Terror und weitere Merkwürdigkeiten (Videos)). Dadurch sollen Internetnutzer einfacher überwacht werden können. In der Konsequenz wären möglicherweise Millionen Franzosen wochen- oder monatelang vom Zugang zum Internet abgeschnitten. Außerdem sollen Hintertüren in Internettelefonie-Dienste (VoIP) eingebaut werden, um dadurch Gespräche einfacher abfangen zu können.
Als dritte Maßnahme schlagen die Sicherheitsbehörden vor, »Kommunikation über das TOR-Netzwerk zu blockieren oder zu verbieten«, berichtet die Le Monde. Dabei handelt es sich um einen Zusammenschluss tausender privater Rechner, der es Nutzern ermöglicht, sich weitgehend anonym im Netz zu bewegen. Neben Kriminellen nutzen auch Journalisten, Whistleblower oder politische Aktivisten den Anonymisierungsdienst, um staatlicher Überwachung zu entgehen (EU will Links im Internet verbieten).
Wie genau die französischen Behörden das Netzwerk lahmlegen wollen, geht aus den in der Le Monde zitierten Passagen des Gesetzesentwurfes nicht hervor. Im Jahr 2013 zeigte ein durch Edward Snowden geleaktes Dokument, dass selbst die NSA beim Versuch, das Netzwerk zu infiltrieren, weitgehend scheiterte. Vorbild für die französischen Sicherheitsbehörden könnte stattdessen China seien. Das Regime hält seine Bevölkerung von der Nutzung des Netzwerkes ab, in dem es die öffentlichen Zugangspunkte blockiert. Allerdings gibt es auch Möglichkeiten diese Sperren zu umgehen (Hinter der Maske: Zunehmende Kritik an Anonymous wegen Kooperation mit FBI (Videos)).
Eine weitere Möglichkeit, um Franzosen von Tor fernzuhalten, könnte ein Gesetz sein, das Internetnutzern verbietet, Tor zu verwenden. Dazu müssten die Internetprovider verpflichtet werden, festzustellen, ob ihre Kunden Tor nutzen und diese Information anschließend an die Sicherheitsbehörden weiterleiten.
Die Konsequenz wäre allerdings auch hier die Kriminalisierung von hunderttausenden unschuldigen Franzosen. Fraglich ist zudem, ob sich potenzielle Terroristen durch eine vergleichsweise geringe Strafe für die Nutzung des Tor-Netzwerks abschrecken lassen (Internet: BGH erlaubt Sperrung von Webseiten).
Schon in den vergangenen Wochen hat Frankreich in Reaktion auf die Anschläge eine Reihe von Sicherheitsgesetzen verschärft. So wurde der Zeitraum für den Ausnahmezustand auf drei Monate ausgedehnt, die Sperrung von Webseiten wurde vereinfacht und die Bedingungen, unter denen Ermittler Computer durchsuchen dürfen, wurden gelockert.
In der Diskussion ist außerdem ein Gesetz, das schon den Besuch von Terror relevanten Webseiten unter Strafe stellt (Anschlag in Paris: False Flag, Teile und Herrsche, Spiel mit der Angst – die neue Ordnung aus dem Chaos (Videos)).
Wann und ob die neuen Gesetze zu WLAN-Hotspots und Tor in Kraft treten könnten, ist noch nicht klar. Wie die Le Monde schreibt, wird sich das französische Parlament frühestens im Januar mit den Entwürfen befassen.
Ob diese dann tatsächlich Terroranschläge wie jenen am 13. November in Paris verhindern könnten, ist noch aus einem weiteren Grund fraglich: Den Befehl zum Angriff gaben sich die Terroristen nicht verschlüsselt über das Internet, sondern per gewöhnlicher SMS.
Literatur:
Die globale Überwachung: Der Fall Snowden, die amerikanischen Geheimdienste und die Folgen von Glenn Greenwald
Bürger im Visier der Geheimdienste
Die Akte Wikipedia: Falsche Informationen und Propaganda in der Online-Enzyklopädie vonMichael Brückner
NSA, BND & Co.: Die Möglichkeiten der Geheimdienste: Technik, Auswertung, Gegenmaßnahmen von Gilbert Brands
Quellen: PublicDomain/neues-deutschland.de am 09.12.2015
Weitere Artikel:
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