Die Befürchtungen der Kritiker von TTIP und anderen geplanten „Abkommen“ scheinen sich immer mehr zu bestätigen, während der medialpolitische Komplex seine Werbekampagne weiter intensiviert und die Gegner als unwissende Panikmacher darstellt. Nicht dass wir in pauschale Medienschelte verfallen wollten, doch wenn Welt, Spiegel und andere „embeddete“ Sprachrohre der Transatlantikbrücke Kritiker lächerlich machen oder mit fadenscheinigen Argumenten in politische Abseits-Ecken drängen, ist normalerweise Skepsis angezeigt. Denn schließlich kennen wir diesen Mechanismus auch von anderen wichtigen zeitgeschichtlichen Themen her.
„Platte Medienschelte“ und andere Vorwürfe hin oder her: was Springer’s Weltzum Besten gibt ist einmal mehr Manipulation der untersten Schublade: „Angst vor TTIP – viele wissen aber gar nicht warum“, titelt ein Redakteur namens Martin Greive – und geht dann der Warum-Frage im Artikel auch wohlweislich selbst gar nicht nach.
Zum einen, weil er sicher weiß, dass diese Unterstellung Unsinn ist, zum anderen, weil ihm über die Schiedsgerichte auch nicht viel mehr bekannt sein dürfte, als dass er positiv darüber zu berichten hat. Dass nebenbei noch die Teilnehmerzahl der letzten Anti-TTIP-Demonstration in Berlin von 250 000 auf 150 000 heruntergelogen wird, sei hier geschenkt (Deutsche lehnen sich gegen Handelspakt mit USA auf: Hunderttausende bei TTIP-Demo (Videos)). Andererseits – man stelle sich das mal vor: eine Viertelmillion Menschen war trotz aller Propaganda und Desinformation auf der Straße. Und das in einem Land, wo normalerweise kaum jemand hinter dem Ofen hervorzulocken ist, solange nicht Bier, Fußball, DSDS und Formel 1 abgedreht werden.
Nun also derart viele Gegner und Kritiker. Die mögen vielleicht tatsächlich nicht alle detailliert Bescheid wissen, doch sie wissen immerhin, dass die Schiedsgerichte im Geheimen tagen und nicht nur deshalb die staatliche Exekutive und die Souveränität der beteiligten Staaten untergraben. Auch ist ihnen bekannt, dass die neoliberale Freihandelsdoktrin zugunsten transnationaler Konzerne dort Vorrang vor allen anderen Interessen hat und deshalb keine juristisch neutralen Entscheidungen mit Rücksichtnahme auf die Interessen von Verbrauchern oder Umweltbelange zu erwarten sind.
Auch vergisst Redakteur Greive zu erwähnen, dass die vielen Menschen ja auch genau wegen der Heimlichtuerei und der fehlenden Aufklärung auf der Straße sind. Das Unwissen ist, anders als Greive uns weismachen will, weniger die Schuld der „überforderten Dummköpfe“ von der Straße, sondern vielmehr der haarsträubenden Intransparenz des Abkommens und seiner Verhandlungen geschuldet.
Wenn Greive konsequent wäre, müsste er auch die Abgeordneten des Bundestags und anderer Parlamente zu den uninformierten Dummköpfen zählen, denn die wissen über die Abkommen und ihre Schiedsgerichte auch nicht viel mehr, als dass sie dafür zu stimmen haben. Zumindest wenn ihre politische und berufliche Karriere nicht einen steilen Abwärtsknick hinlegen soll.
Man wundert sich nur, dass bei Greive die Schlagwörter „rechter Rand“ und „Verschwörungstheorien“ fehlen. Doch keine Sorge, das Schwesternblatt Spiegel bügelt dieses Versäumnis aus, zumindest Das mit dem fehlenden „rechten Rand“. Tatsächlich ist sich das Bertelsmann-Flaggschiff nicht zu blöde, die Rechten-Denunzierung völlig wahllos auch gegen eine Bewegung einzusetzen, die sich politisch wenn schon, dann eher von links her speist.
Und die Demonstranten sind bei weitem nicht allein: den Stopp-Aufruf gegen den neoliberalen Herrschaftsplan haben bereits über drei Millionen Menschen aus ganz Europa unterschrieben. Bei einem solchen Thema, das normalerweise aufgrund seiner scheinbaren Abstraktheit und Kompliziertheit an weiten Teilen der Bevölkerung vorbei geht, kommt eine derartige Mobilisierung schon einem kleinen Wunder gleich. Derart viele engagierte Menschen als dumm und uniformiert abzutun, zeugt nur von der Arroganz der Macht. Denn die wirklich Dummen und Uninformierten zeichnen sich in Fällen wie diesen nicht durch Besorgnis oder Skepsis aus, sondern durch achselzuckende Teilnahmslosigkeit.
Dass Sorgen und Skepsis berechtigt sind, bestätigt sich seit langem durch fast jede Veröffentlichung und jedes Informations-Leak, was über das Abkommenpaket ans Tageslicht gelangt. Die neueste Bestätigung ist die Veröffentlichung des Textes der Trans-Pacific-Partnership, der TTIP-Version für den Pazifikraum. Bei diesem Abkommen wäre nach Ansicht von Analytikern das Schleifen von Umweltschutz und Verbraucherrechten nur die Spitze eines Eisbergs an allgemeinen Verschlechterungen für Nicht-Superreiche. Glaubt man den Kritikern, wäre das Abkommen eine Art Frontalangriff im von Warren Buffett angekündigten Klassenkampf Reich gegen den Rest der Welt
Ein kleines Stück weit muss man Greive und den anderen PR-Textern Recht geben: es stimmt, dass unter Normalbürgern kaum jemand über die Zeit und die Mittel verfügt, die Regelwerke bis ins letzte Detail zu studieren und zu beurteilen. Doch das heißt, anders als diese Kollegen suggerieren wollen, NICHT, dass man dann dafür sein müsste. Vielmehr muss man sich dann überwiegend auf die Analysen Anderer verlassen und eine Entscheidung fällen: glaubt man eher Medienkonzernen wie Bertelsmann und Springer oder eher alternativen Medien, Whistleblowern, Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Bürgerbewegungen?
Kaum Vorteile durch TTIP
Ungarische Regierung hält Studie unter Verschluss, die nur 0,2 Prozent Wirtschaftswachstum durch TTIP vorhersagt – Schlachthöfe, Wein- und Maisanbau werden unrentabel.
Die ungarische Regierung wollte wissen, welche Auswirkungen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA auf die heimische Wirtschaft haben wird und beauftragte einen Think Tank mit einer Studie. Die Ergebnisse wurden im September 2014 vorgelegt – und von der Regierung als „Verschlusssache“ eingestuft. Wir veröffentlichen die Studie in Kooperation mit der ungarischen Wirtschaftszeitung hvg.hu.
Welche Auswirkungen hätte eine Liberalisierung der Märkte für die unterschiedlichen Bereiche der ungarischen Wirtschaft? Das hat das regierungsnahe Századvég-Institut untersucht. Die Regierung von Viktor Orbán fand sie offenbar so brisant, dass sie die Ergebnisse unter Verschluss hält. Offiziell unterstützt die Regierung Orbán das Abkommen.
Die ungarischen Schlachthöfe für Hühner, Rinder und Schweine seien von der neuen Konkurrenz aus den USA bedroht, genau wie Maisbauern und Weinproduzenten. Die amerikanischen Firmen produzierten hier günstiger. Auch die europäischen Elektronikhersteller müssten sich auf härtere Zeiten einstellen. Dieser Wirtschaftssektor trägt in Ungarn maßgeblich zum Bruttoinlandseinkommen bei. Ungarische Weizenproduzenten stünden dagegen besser da als ihre US-Konkurrenten und könnten durch das Abkommen gewinnen (Die Freihandels-Lüge: TTIP schreibt bereits Regeln für EU-Lebensmittelstandards um).
Bescheidener Optimismus
Insgesamt seien die Auswirkungen von TTIP aber gering. „TTIP könnte das Einkommen, die Zahl der Beschäftigten und die Investitionen steigern, aber es bedeutet keine Lösung für die strukturellen Probleme des Landes“, so die Studie weiter. Die ungarischen Ökonomen haben ausgerechnet, dass eine umfassende Liberalisierung ein Wirtschaftswachstum von höchstens 0,2 Prozent auslösen würde. Dies würde im besten Fall 20.000 bis 30.000 neue Arbeitsplätze bedeuten und zusätzliche Investitionen von 16 bis 28 Millionen Euro. Was die wirtschaftliche Auswirkungen angeht, muss man TTIP mit einem „bescheidenen Optimismus“ betrachten.
Wachstum kann sich vor allem die Autoindustrie erhoffen – und damit auch die ungarischen Zuliefererbetriebe für Konzerne wie Opel, BMW oder Audi.
Dagegen dürfte TTIP eine Gefahr für die schwächer entwickelten Regionen des Landes bedeuten: Die Anpassungsphase nach der Marktliberalisierung könnte für die weniger entwickelten Regionen beschwerlich sein. Die Studie erinnert daran, dass die Marktliberalisierung nicht nur in Ungarn, sondern auch in der EU und in den USA von unterschiedlich entwickelten Wirtschaftsbranchen und Regionen eine Anpassung verlangen wird.
Auch die Öffnung der europäischen Märkte für genmodifizierte Pflanzen hätte weitreichende Folgen für Ungarn (Monsantos Untaten rächen sich). Der Abbau von Zöllen könnte ungarische Maiskonserven und Mais-Bioetanol unrentabel machen, weil amerikanische Betriebe, dank weniger strikter Vorschriften, niedrigeren Energiepreisen und der Zulassung von Gentechnik, effektiver und günstiger produzieren.
Da Ungarn ein großer Saatguthersteller ist, macht sich das Land gegen den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft stark. Ein entsprechendes Verbot ist neuerdings sogar in der ungarischen Verfassung verankert. Ungarn befürchtet, dass Konzerne im Zuge von TTIP diesen Passus anfechten könnten.
Deutschland
Über die Nachteile des EU-US Freihandelsabkommens reden Regierungen nicht gerne. Auf Anfrage von CORRECT!V hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) geantwortet, dass es zwei Studien über die Chancen und Risiken in Auftrag gegeben habe (Ifo-Studien). Doch die Ergebnisse der Studie wurden von vielen Seiten kritisiert – vor allem wegen der zu optimistischen Prognosen. Dennoch sieht das BMWi keinen Bedarf für weitere konkrete Folgenabschätzungen und arbeitet weiter mit der Ifo-Studie aus dem Jahr 2013. Zu den möglichen Risiken oder Nachteilen des Freihandelsabkommens auf bestimmte Branchen äußerte sich die Bundesregierung bisher nicht.
Neue Medienoffensive für das Freihandelsabkommen
TTIP allerorten. Nachdem sich zahlreiche Medienvertreter und Politiker über den Protest von Hunderttausenden beschwerten, ist die TTIP-Koalition aus Politik und Medien in die Offensive übergegangen. Welt, FAZ und Spiegel berichten und glätten die Wogen … zuletzt meldete sich Thomas Straubhaar zu Wort. Hier Die Welt vom 13. November.
Die FAZ schlägt in die gleiche Kerbe: Sie publiziert ein Vorhaben, das den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen soll. Anders als bislang sollen auch Bundestagsabgeordnete die Dokumente einsehen können. Ein »Offizier« soll zusehen.
Dies hat der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Ramsauer aus den USA als Botschaft mitgebracht. Ein Verhandlungserfolg? Mitnichten. Elektronische Geräte wie Handys oder eben Computer sind nicht erlaubt. Wahrscheinlich sollen sich die Abgeordneten die Dokumentinhalte merken.
Sie könnten sich natürlich auch bestimmte Vorgänge oder Inhalte einfach notieren. Wenn dies wie bislang bei EU-Abgeordneten reglementiert wird, dürfte dies nicht viel nutzen. Die müssen »personalisiertes« Papier verwenden.
Die Bundestagsabgeordneten werden es nicht wesentlich besser haben. Das Mitbringsel aus den USA ist daher eigentlich das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben steht. Fakt ist:
Bislang weiß kaum jemand, wie der Verhandlungsstand zum sogenannten Freihandelsabkommen ist. Bislang weiß noch niemand, über wie viele Vorgänge die nationalen Parlamente überhaupt abstimmen dürfen. Vermutlich, so zeigen es die bisherigen öffentlichen Diskussionen, werden relevante Teile schlicht ausgegrenzt, weil sie angeblich nicht die nationale Souveränität, sondern Europa betreffen.
Bislang tragen auch die Massenmedien fast nichts zur Aufklärung bei. Die vierte Gewalt im Staat versagt. Weder weiß sie etwas, noch beschwert sie sich darüber, dass sie nichts weiß. Was wir aber alle wissen:
Das sogenannte Freihandelsabkommen NAFTA hat in Nordamerika ernüchternde Ergebnisse gebracht. Das ist alles schon zitiert worden. Neu aber ist: Selbst Sicherheitsforscher warnen jetzt vor TTIP.
Allein den verschiedenen Freihandelsabkommen habe ich in der »Großen Enteignung« einige wichtige Abschnitte gewidmet. Mit »Freiheit« haben TTIP und Co. wenig zu tun. Auch, wenn dies mit der jüngsten Kampagne wieder suggeriert wird.
Neuseeland: Tausende gegen TPPA
Am Samstag gab es in 14 Städten in Neuseeland Demonstrationen gegen das Trans-Pacific Partnership Agreement (TPPA), an denen sich insgesamt mehr als 10.000 Menschen beteiligten. Die Demonstranten fordern, dass die neuseeländische Regierung das Abkommen nicht wie vorgesehen Anfang 2016 unterschreibt, sondern eine Volksabstimmung durchführt.
Gefordert werden auch Prüfungen, welche Folgen das Abkommen für Menschenrechte und Umwelt hat und die Aufhebung der Geheimhaltungsabsprachen (Diktat der Unternehmen: Freihandelsvertrag TPP steht kurz vor Abschluss).
Literatur:
38 Argumente gegen TTIP, CETA, TiSA & Co.: Für einen zukunftsfähigen Welthandel von Harald Klimenta
Reich und Arm: Die wachsende Ungleichheit in unserer Gesellschaft von Joseph Stiglitz
Die Freihandelslüge: Warum TTIP nur den Konzernen nützt – und uns allen schadet von Thilo Bode
Ändere die Welt!: Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen von Jean Ziegler
Quellen: krisenvorsorge.com/correctiv.org/info.kopp-verlag.de/rf-news.de vom 16.11.2015
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