Der unmenschliche Staat: Hartz-IV-Sanktionen gegen Minderjährige

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Hartz-IV-Sanktionen gegen Minderjährige: Arbeitsministerium lehnt Stellungnahme ab, Familienministerium fühlt sich nicht zuständig.

Man trifft sie vor Bahnhöfen oder in Parks: Jugendliche, die Passanten anbetteln. Über 20.000 Minderjährige und gut 30.000 18- bis 27jährige leben auf Deutschlands Straßen abgekoppelt von allen Hilfesystemen, wie kürzlich das Deutsche Jugendinstitut in einer Studie schätzte.

Nach Ansicht von Jörg Richert vom Berliner Verein »Karuna« könnten die Zahlen noch höher liegen. Durch Agenda 2010 hat sich die Lage verschärft: Für unter 25jährige, die Hartz IV beziehen, kann eine nicht geschriebene Bewerbung schon drei Monate Leistungsentzug bedeuten. Das betrifft auch Minderjährige ab dem 15. Geburtstag. Rund 1.500 dieser nur eingeschränkt geschäftsfähigen Jugendlichen waren 2014 monatlich durch Jobcenter sanktioniert, mehr als 200 von ihnen sogar vollständig (Armut in Deutschland: Immer mehr Kinder leben von Hartz IV).

Das räumte die Bundesagentur für Arbeit (BA) vergangene Woche auf Nachfrage ein. Wie passt das mit dem Jugendschutz zusammen? Das Bundesfamilienministerium fühlte sich nicht zuständig, verwies an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Dessen Sprecher Christian Westhoff lehnte es am Dienstag auf Nachfrage ab, Stellung zu nehmen. Die BA habe bereits alles gesagt, erklärte er im Auftrag seines SPD-geführten Ministeriums.

Die BA hatte nur die interne Statistik übermittelt und auf Gesetzesvorgaben verwiesen. Danach zählen minderjährige Hartz-IV-Bezieher ab 15 Jahren – rund eine Viertelmillion – als »erwerbsfähig«. Diese müssen »alles unternehmen, um ihre Hilfebedürftigkeit zu beenden«. Die »Handlungsfähigkeit« der Jugendlichen gegenüber Behörden regele das Sozialrecht gesondert. Eltern seien lediglich über den Leistungsentzug zu informieren, so die BA. Allgemein gilt für unter 25jährige: Nach der zweiten »Pflichtverletzung« fällt neben dem Regelsatz auch der Mietzuschuss weg, und, sofern sie nicht kostenlos familienversichert sind, auch die Beiträge zur Krankenversicherung.

Bis vor zwei Jahren war es üblich, dass Eltern den Mietanteil für ihr sanktioniertes Kind aus dem eigenen Regelsatz bestreiten mussten, da Wohnkosten von den Jobcentern auf die Familienmitglieder aufgeteilt werden. Zwar sind mehrere Fälle bekannt, in denen dies auch 2014 und 2015 so praktiziert wurde. Doch habe die BA nach einem dem entgegenstehenden Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Mai 2013 (B 4 AS 67/12 R) ergänzende »fachliche Hinweise« herausgegeben, erläuterte die ehemalige Jobcenter-Angestellte und heutige Hamburger Parlamentsabgeordnete Inge Hannemann (Die Linke). Danach müsse der gestrichene Mietanteil den Eltern ausgezahlt werden. Handelten einzelne Sachbearbeiter anders, sei dies »Willkür«, erklärte sie (Bundesverfassungsgericht stellt klar: Kinder gehören dem Staat).

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Auf eine Verbesserung ihrer Lage unter der CDU/CSU-SPD-Koalition brauchen Erwerbslose und Aufstocker unterdessen nicht zu hoffen (Armut und Ungleichheit: Deutschland ist kein Musterland in Europa). Vergangene Woche beschloss der Bundesrat die sogenannte »Anpassung« der Hartz-IV-Sätze: eine Minierhöhung um einstellige Eurobeträge. Die geplante Hartz-IV-Reform, mit der zumindest die härteren Strafregeln für unter 25jährige an die für Erwachsene angeglichen werden sollten, liegt allerdings auf Eis. Grund: Die CSU sträubt sich gegen ein Aufweichen des »Erziehungseffekts«.

Literatur:

Der stille Putsch: Wie eine geheime Elite aus Wirtschaft und Politik sich Europa und unser Land unter den Nagel reißt von Jürgen Roth

Die Hartz-IV-Diktatur: Eine Arbeitsvermittlerin klagt an von Inge Hannemann

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Die Plünderung der Welt: Wie die Finanz-Eliten unsere Enteignung planen von Michael Maier

Quelle: jungewelt.de vom 22.10.2015

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