Frisches Obst und Gemüse aus der eigenen Region wird auch in Frankreich immer beliebter. In Paris gibt es jetzt sogar die ersten Gemüse-Automaten. Geld rein, Gemüse ziehen, fertig.
Zugegeben, der Raum, in dem die Automaten stehen, hat den Charme eines Waschsalons: es ist kühl, natürlich, schließlich wird hier unter anderem Gemüse feilgeboten, in metallischen Boxen mit Glasfenster. Vor dem Laden stehen zwei Pariserinnen, etwas unentschlossen:
„Wir kannten das Konzept noch nicht, wie funktioniert das gleich nochmal?“
Während die eine der anderen also erklärt, dass man da wohl Gemüse aus Automaten ziehen kann, ist Sylvana zielstrebig auf die Boxen zugesteuert.
„Ich nehme immer Basis-Gemüse, also Karotten, Salat, nicht zu kompliziert.“
Nur, was sie heute kochen will, das weiß sie noch nicht – vielleicht diese Auberginen, die sie gerade so anlachen.
„Die sehen wirklich gut aus.“
Sylvana ist eine Paradekundin, seit zwei Monaten kauft sie hier ein, die Preise findet sie OK und auch das Konzept:
„Ich weiß, dass die Produkte aus der Gegend kommen, dass es keine Zwischenhändler gibt, ich bin bisher immer gut gefahren und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt.“
Automaten-Konzept ist denkbar einfach
Bio-Gemüse, – Obst oder Eier kosten in etwa genau so viel wie im Supermarkt, nur hier bestimmt der Produzent den Preis. Das Automaten-Konzept ist denkbar einfach, Vorbild für die beiden Filialen von „Au Bout du Champ“ (Deutsch: Am Ende des Feldes) ist eine mehr als hundert Jahre alte Idee aus Berlin: Wie in den damals für kurze Zeit sehr populären Automatenrestaurants präsentiert der Erfinder Joseph Petit seine Ware in kleinen Metallboxen. Der Mix aus altem Charme und bewusster Ernährung kommt offenbar gut an:
„Sie merken sich die Nummer, die auf der Scheibe der Box steht, drinnen ist auch ein Kassenzettel mit den Angaben zu Gewicht und Preis und dann tippen sie die Nummer beim Kassenautomaten ein, zahlen und zack.“
Sylvana: „Jetzt öffnet sich die Tür, drinnen ist eine recyclebare Tüte, kann man alles einpacken, sehr praktisch.“
Praktisch und transparent: auf einer Schautafel im Laden ist genau angegeben, woher Petit die Produkte bezieht: von Bauern aus einem Umkreis von 100 Kilometern um Paris – nachhaltig und umweltschonend soll es sein:
„Es gibt eine große Nachfrage nach diesen frischen Produkten, von Leuten, die sich umweltbewusst verhalten und ernähren wollen und auf ihren ökologischen Fußabdruck achten.“
Frisch sind Erdbeeren, Bohnen oder Auberginen auf jeden Fall: morgens wird die Ware geerntet, dann nach Paris verfrachtet, ein Mitarbeiter füllt mehrmals am Tag die Boxen nach, wenn sie leer sind. Und leer sind sie schnell:
„Wir müssen am Ende des Tages fast nichts wegwerfen, weil wir 99 Prozent aller Produkte verkaufen, wir bieten ja auch Körbe an, das sind dann mehrere Sachen drin.“
Spätabends gibt es dann auch im Automaten-Laden ein bisschen Markt-Feeling: wenn ein Mitarbeiter seine Waage aufbaut und die Reste aus den Boxen verkauft: von Mensch zu Mensch.
Räume voller Schließfächer
Petit pflegt persönlichen Kontakt zu seinen Lieferanten. Bei welchen Kleinbauern er einkauft, hängt stets vom saisonalen Angebot ab. Die Produktpalette umfasst neben Obst, Gemüse und Eiern auch Kräuter, Pilze und frische Säfte. Zusammengestellt wird das Angebot aus den Erzeugnissen von in der Regel etwa einem halben Dutzend Partnern. Eine Grundregel lautet dabei, dass keiner der Höfe und keines der Felder mehr als hundert Kilometer von Paris entfernt sein darf. Schließlich muss die Ware täglich frisch in die Stadt gebracht werden.
Die Geschäfte selbst sehen ein bisschen so aus wie Räume voller Schließfächer. Die einzelnen Türchen sind durchsichtig, so dass die Kunden die Ware stets erst genau ansehen können. Wenn sie am Automaten dann bezahlen, lassen sich die jeweils ausgewählten Fächer öffnen.
Dass die Idee so gut funktioniere, habe viel mit seinen Preisen zu tun, sagt Petit. Da er für den Verkauf kein Personal benötigt, kann er die hochwertigen Bioprodukte vergleichsweise günstig anbieten. Und die Geschäfte sind an allen sieben Wochentagen von 8 bis 22 Uhr geöffnet.
Die fast durchgehende Verfügbarkeit wissen viele Kunden zu schätzen. „Ein Vorteil für mich ist der, dass ich hier oft vorbeikomme“, sagt die 28-jährige Marine Clappier. „Wenn mir in meinem Kühlschrank etwas fehlt, komme ich lieber hierhin, als irgendwo einen Burger oder eine Pizza zu kaufen.“ Besonders wichtig sei für sie, dass es sich in dem Automatenladen um stets frische und zugleich regionale Produkte handele.
Video:
Frische ist das wichtigste Argument
„Unsere Erdbeeren werden am Morgen gepflückt und stehen dann schon am selben Nachmittag in der Verkaufsbox, die Leute kaufen die Erdbeeren also praktisch genau so, wie wir sie vom Bauern bekommen haben“, sagt Petit. Diese tägliche Frische sei für die meisten Kunden das wichtigste Argument. Für viele sei es geradezu eine „Wiederentdeckung des Geschmacks“. Insgesamt habe er in beiden Geschäften täglich etwa 100 Kunden, an Wochenenden seien es oft doppelt so viele.
Eine ähnliche Strategie wie Petit verfolgt auch der schottische Kartoffelbauer Peter Grewar. Auf seiner Farm in der Grafschaft Perthshire erhielt er früher ständig Besuch von Leuten, die ihre Kartoffeln gerne direkt bei ihm kaufen wollten. Seinem Nachbarn erging es ähnlich. Also boten sie ihre Produkte in aufgestellten Metallboxen an, die der Kollege ursprünglich zum Frischhalten von Eiern genutzt hatte.
Auch in diesem Fall wurden die Verkaufsautomaten gut angenommen. Bald schlossen sich weitere Bauern aus der Umgebung an und erweiterten damit zugleich das Angebot. In den Automaten wurden nun auch etwa Blumenkohl, Brokkoli und Beeren verkauft. Einzige Voraussetzung: „Es müssen schottische Produkte sein und sie müssen saisonal sein“, sagt Grewar. Gemeinsam haben die Landwirte inzwischen an vier Standorten Automaten aufgestellt, sogar in einem Einkaufszentrum in der Großstadt Dundee.
Den Grundsätzen treu bleiben
Auch in Paris könnte die Zahl der Automatengeschäfte für Bioprodukte bald steigen. Neben seinen beiden Filialen in Levallois und Clichy will der französische Jungunternehmer Petit noch in diesem Jahr zwei weitere Standorte eröffnen, 2016 sollen dann noch fünf weitere hinzukommen.
Doch auch wenn er expandiert, will er seinen Grundsätzen treu bleiben – so schwer dies in manchen Fällen sein mag. „Man muss vielen Leuten überhaupt erst wieder klarmachen, dass es Salat von Oktober bis April einfach nicht gibt, und dass dies vollkommen normal ist“, sagt Petit. Sollte ihm das gelingen, könnte auch das alte Prinzip der Berliner Automaten wieder zunehmende Verbreitung finden – wenn auch in stark abgewandelter Form.
Literatur:
Wo ein Wille, da ein Weg: Naturheilwissen, Erfahrung und Kräuterpraxis – des Agrar-Rebellen von Sepp Holzer
Meine eigene Samengärtnerei von Constanze von Eschbach
Der eigene Naturkeller von Mike & Nancy Bubel
Naturkeller: Neubau und Umbau von Räumen zur Frischlagerung von Obst und Gemüse von Claudia Lorenz-Ladener
Quellen: WeltOnline/deutschlandradiokultur.de vom 21.07.2015
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