„Broken Arrow“: Wie die USA eine Atombombe verbummelten

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Klingt unglaublich, ist aber wahr: 1958 verloren die US-Streitkräfte eine Atombombe im Meer, die bis heute noch nicht wieder aufgetaucht ist. Offiziell ist sie ungefährlich, doch das glaubt keiner.

Im Meer vor der Küste von Savannah im US-Bundesstaat Georgia lauert eine unsichtbare Gefahr. Ein Untier von vier Meter Länge. Menschenfressende Haie oder Nesselquallen sind Schoßtiere dagegen. Wenn dieses Jahr wieder Tausende Urlauber an den Strand von Tybee Island strömen, sollten sie die Augen offen halten. Übersehen kann man das Monster eigentlich nicht: eine Dreieinhalb-Tonnen-Bombe mit einer nicht genau bekannten Ladung Uran und fast 200 Kilo Sprengstoff. Ach ja, und: Wenn Sie etwas sehen – bitte Bescheid sagen!

Die Mark-15-Bombe ist eine von vermutlich Hunderten sogenannten Broken Arrows („abgebrochenen Pfeilen“), also Atombomben, die bei Luft- oder Seeunglücken verloren gingen. Sie musste im Winter 1958 abgeworfen werden, im Rahmen einer geheimen Mission, bei der ein Luftangriff auf eine sowjetische Stadt simuliert wurde. Die B-47, die die Bombe an Bord hatte, stieß kurz nach Mitternacht mit einem F-86-Kampfflugzeug zusammen und musste auf einer Fliegerbasis bei Savannah notlanden – zuvor allerdings ließ der Pilot, Oberst Howard Richardson, die Bombe ein paar Meilen vor der Insel ins Wasser fallen.

Die Besatzung überlebte, Richardson wurde für sein Handeln das Distinguished Flying Cross verliehen. Die Air Force suchte zwar nach dem Vorfall zwei Monate lang nach der Bombe, aber das Wetter war schlecht, das Wasser kalt und die Sicht miserabel. Am 16. April 1958 erklärte das Militär die Bombe für „unwiederbringlich verloren“. Heute rät es dazu, sie in Ruhe zu lassen – von ihr gehe bloß geringe Gefahr aus, es sei sehr unwahrscheinlich, dass sie explodiere. Diese Einschätzung beruht auf einer handschriftlichen Empfangsbestätigung, auf die mit Tinte ganz oben das Wort „simulated“ (simuliert) gekritzelt wurde.

Hundertmal stärker als die Hiroshima-Bombe

Laut der US Air Force bedeutet das, die Bombe habe keinen Zünder und könne keine Nuklearexplosion herbeiführen. Allerdings gibt es Zweifel, ob das stimmt. „Das ist lächerlich“, sagt der Militärhistoriker und Bestsellerautor Douglas Keeney. „Dieser Zettel – das entdeckt man jetzt, 50 Jahre später –, eines von Tausenden Dokumenten, ist der einzige, auf dem es heißt, sie sei nicht scharf. Das ist doch albern.“ Er weist darauf hin, dass etliche vorab zensierte Dokumente anders lauten. Dazu gehört eine Aussage von 1966 vor dem Kongress, die besagt, die Bombe sei vollständig und enthalte nicht nur Uran, sondern auch Plutonium – das erst macht sie zur Höllenmaschine. Sollte sie detonieren, so wäre die Explosionswirkung hundertmal stärker als die Hiroshima-Bombe. Ihr Atompilz wäre meilenweit sichtbar, ihr Feuerball hätte fast zwei Kilometer Durchmesser.

„Das sind Aussagen unter Eid vor dem Kongress. Zwei Gruppen – eine zivile, eine militärische – müssten ins Gefängnis, wenn sie gelogen hätten“, sagt Keeney. Aber warum hätten sie lügen sollen? Mit der Aussage, die Bombe sei scharf, hätten sie schließlich nichts zu gewinnen gehabt.

Zwar hat die Regierung die Suche nach der Bombe offiziell aufgegeben. Doch die Einheimischen haben sie keineswegs vergessen. Sie ist inzwischen Teil der Lokalhistorie, was sich unter anderem in „A-J’s Dockside Restaurant“ niedergeschlagen hat, vormals Sitz des Tybee Island Bomb Squad, das 1958 nach der Bombe suchte. An der Wand sieht man Utensilien aus dieser Zeit. Neuankömmlinge erschrecken immer wieder, wenn sie hören, dass so nah vor der Küste eine Bombe liege – aber dann tut man das lachend als harmlosen Irrsinn ab.

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Gab es wirklich „nur“ 32 Kernwaffen-Unfälle?

Manche Pessimisten jedoch befassen sich mit den Risiken, die die Bombe für Umwelt und Gesundheit bedeutet, selbst wenn sie nicht detonieren kann. Derek Duke, Oberstleutnant der Air Force im Ruhestand, ging einen Schritt weiter und leitete 2004 eine Suche nach der Bombe. In den flachen Gewässern vor der Küste von Savannah machte er hohe Strahlung aus; Nachforschungen ergaben aber, dass die Werte für die dort natürlich vorkommenden Mineralien normal waren. Trotzdem: Der heute 70-jährige Duke meint, das sei „eine unglaubliche Geschichte, und sie hält sich – wie Bigfoot“. Er glaubt, die Regierung betrachte die Bombe als politisch heikles Thema. Sollte die Bombe eine Sprengkapsel haben, so könnte sie gegen Amerika benutzt werden, sobald ein Feind sie fände.

Ob nun Todesgefahr von ihr ausgeht oder nicht: Die vergessene Bombe ist nur einer von Tausenden Unfällen mit Nuklearwaffen, die sich zwischen 1950 und 1968 ereigneten, glaubt man kritischen Dokumenten aus dem Pentagon über Broken Arrows, die der Historiker und Buchautor Eric Schlosser zusammengetragen hat. In seinem Buch „Command and Control“ weist er die offizielle Pentagon-Liste von Kernwaffenunfällen in den USA – angeblich waren es „nur“ 32 – zurück und behauptet, es seien vielmehr über 1000 gewesen. „Dieses Thema unterliegt überhaupt großer Geheimhaltung“, sagt Schlosser. „Zweifellos gab es viel mehr Unfälle, und die Liste des Pentagons ist im Wesentlichen wertlos.“

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Auch andere meinen, da seien noch Fragen offen. Zum Beispiel der Bombeningenieur Robert Peurifoy, der sagt, er habe bloß im Hintergrund mitgewirkt, als die Bombe abgeworfen wurde. „Ich wundere mich, dass man keine Bombentrümmer gefunden hat“, sagt Peurifoy. Er wurde später Vizepräsident des von der Regierung finanzierten Nuklearwaffenlabors Sandia, heute ist er über 80 Jahre alt. „Nicht, dass sich die Air Force nicht selber wundert. Aber man sollte doch meinen, die könnten der Sache auf den Grund gehen.“

Literatur:

Das Szenario eines Dritten Weltkriegs: Die geheimen Pläne des Pentagons zur Errichtung einer Neuen Weltordnung von Michel Chossudovsky

Am Vorabend des Dritten Weltkriegs: Was Hellseher für unsere nahe Zukunft prophezeien und was politische Fakten bestätigen von Peter Orzechowski

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The Day After – Der Tag danach (Limited Uncut Edition) von Gayne Rescher

Bikini: Über ein Atom-Versuchsgelände in der Südsee von Fritz Kramer

Quellen: PublicDomain/WeltOnine vom 07.08.2015

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