UN-Entwicklungskonferenz in Addis Abeba endet ohne konkrete Ergebnisse. Klar ist nur: Arme Länder sollen für Konzerne bessere Bedingungen schaffen.
Am Donnerstag ist in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba die dritte UN-Konferenz für Entwicklungsfinanzierung zu Ende gegangen. Die Ergebnisse sind ernüchternd, und Hilfsorganisationen sprechen von einer Blamage für die Staatengemeinschaft. Neben Absichtserklärungen habe es keine konkreten Vereinbarungen gegeben. Vertreter der Industriestaaten sehen dagegen einen Erfolg: Konzerne sollen künftig stärker eingebunden werden.
Eigentlich sollte auf der viertägigen Konferenz geklärt werden, wie die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen zu finanzieren sind. Bis 2030 sollen Hunger und extreme Armut in der Welt der Vergangenheit angehören, und jedem Kind soll eine Grundbildung ermöglicht werden. Nach Angaben der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) fehlen den Entwicklungsländern jährlich 2,6 Billionen US-Dollar, um diese Ziele zu erreichen. Letztendlich ging es aber um mehr als Gelder für die Entwicklungshilfe: Die armen Länder drängen auf Änderungen des internationalen Finanzsystems. Denn wie es bisher gestaltet ist, gehen ihnen wichtige finanzielle Ressourcen zugunsten international agierender Konzerne verloren.
Steuertricks für Extraprofite
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat berechnet, dass den Entwicklungsländern jedes Jahr etwa das Dreifache der aktuell gezahlten Entwicklungshilfe verlorengeht, weil Steuern hinterzogen oder vermieden werden. Die Nichtregierungsorganisation Open Society Initiative for West Africa (OSIWA) hat den Steuerverlust westafrikanischer Staaten zwischen 2002 und 2011 auf mehr als 190 Milliarden Euro beziffert. Verantwortlich seien in erster Linie international tätige Konzerne: Durch Tricks schleusen sie Summen aus den Ländern, welche die Entwicklungshilfe deutlich übersteigen. Die Entwicklungsorganisation Oxfam Deutschland schätzt, dass allen Entwicklungsländern zusammen durch Steuervermeidung international agierender Konzerne jährlich 100 Milliarden US-Dollar verloren gehen.
Möglich wird das durch die internationalen Steuerregeln. Bisher werden sie von der OECD und den G-20-Staaten – also den reicheren Ländern – aufgestellt, und es sind die Industriestaaten, die sich einer Änderung widersetzen. Um die Regeln beeinflussen zu können, kämpften die Entwicklungs- und Schwellenländer dafür, die Verantwortung für diesen Bereich den Vereinten Nationen zu übertragen und eine Kommission für die globale Kooperation in Steuerfragen zu schaffen. Durch den geschlossenen Widerstand der OECD-Länder wurde das verhindert. Das Scheitern kommentierte Pirnim Spiegel, Hauptgeschäftsführer der katholische Organisation MISEREOR: »Ohne eine UN-Kommission unter Beteiligung aller Staaten werden die Entwicklungsländer auch weiterhin nur am Katzentisch politischer Entscheidungen in der OECD sitzen.«
(UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon und Nkosazana Dlamini-Zuma von der Afrikanischen Union am 13. Juli in Addis Abeba)
Öffnung für Konzerne
Die Entwicklungsländer sollen mehr Eigenverantwortung zeigen, ist die Forderung westlicher Politiker. Vor dem geschilderten Hintergrund mutet das zynisch an. Aber es wird noch schlimmer: Seit Jahrzehnten versprechen die Industriestaaten, 0,7 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Entwicklungshilfe auszugeben, was sie bisher aber noch nie eingehalten haben. So sagt Uli Post, Leiter der Politikabteilung der Welthungerhilfe, Deutschland sei noch nie über 0,4 Prozent hinausgekommen. Viele andere Staaten hätten die Vorgaben auch noch nie erfüllt.
Zu Beginn der Konferenz hatte der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) »größere Eigenanstrengungen der Entwicklungs- und Schwellenländer« gefordert. Die Regierungen sollten die Korruption in ihren Ländern bekämpfen und die Menschenrechte einhalten. Das seien die Voraussetzungen, um ausländische Investitionen anzulocken und das Wirtschaftswachstum zu stärken. Müller stand damit nicht allein: Vertreter der UNO hatten von Anfang an klargemacht, dass es bei der Konferenz nicht nur um Finanzzusagen reicher Nationen gehe dürfe, sondern auch für den »Privatsektor« bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden müssten.
Auf Betreiben Deutschlands wurde schließlich am Rande der Konferenz eine »Internationale Steuerinitiative« auf den Weg gebracht. Tobias Hauschild von Oxfam Deutschland begrüßte zwar die vorgestellte »Addis Tax Initiative«, mit der Steuerverwaltungen in armen Ländern unterstützt werden sollen, da auch seiner Meinung nach die Steuereinnahmen in armen Ländern gesteigert werden müssten. Doch solche Initiativen könnten nur ergänzend sein und nie die gleichberechtigte Mitsprache bei der »internationalen Steuerregelsetzung« ersetzen.
Eva Hanfstängl, Referentin für Entwicklungsfinanzierung bei »Brot für die Welt«, kritisierte, das Ergebnis der Konferenz vermittle nicht den Eindruck, dass es in erster Linie um die weltweite Überwindung absoluter Armut geht. »Statt dessen tritt die Förderung privatwirtschaftlicher Initiativen in den Mittelpunkt.« Diese seien aber nicht per se entwicklungsfördernd, da sie nur selten ärmeren Regionen zugute kämen oder wenig profitversprechenden Bereichen wie Erziehung und Gesundheit.
Oxfam-Chefin Winnie Byanyima beklagte, dass arme Staaten nun ein politisches Umfeld schaffen sollen, das private Investoren anlockt. Damit habe der Gipfel »Entwicklung einfach an den Privatsektor weitergereicht, ohne angemessene Schutzvorkehrungen zu treffen«.
So werde der globale Trend fortgesetzt, kommentierte Pirnim Spiegel die Konferenzbeschlüsse, private Investitionsflüsse und öffentlich-private Partnerschaften als ein neues Heilmittel für nachhaltige Entwicklungsprozesse zu betrachten. Dabei müsste erst einmal durch verbindliche Standards sichergestellt werden, dass international agierende Konzerne Verantwortung für Menschenrechte übernehmen (siehe auch:Bürgerrechtler kritisieren den Umgang mit Grund- und Menschenrechten in Deutschland).
Literatur:
Ändere die Welt!: Warum wir die kannibalische Weltordnung stürzen müssen von Jean Ziegler
Die Moral-Industrie: Greenpeace, Amnesty, Attac… Wie NGOs unsere Politik machen von Niko Colmer
Nichtregierungsorganisationen (NGOs) (Elemente der Politik) (German Edition) von Christiane Frantz
Ngos als Legitimationsressource von Achim Brunnengräber
Quellen: Reuters/jungewelt.de vom 20.07.2015
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