netzpolitik.org: Wir haben Fragen – Verfassungsschutz stellt Strafanzeige, Generalbundesanwalt ermittelt wegen Berichterstattung

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Am Samstag waren wir etwas verwundert, beim Deutschlandfunk zu lesen, dass der Verfassungsschutz-Präsident Strafanzeige wegen des Verdachts des Verrates von Staatsgeheimnisse gestellt habe und der Generalbundesanwalt jetzt ermitteln würde. Denn es war klar, dass es sich bei beiden Fällen um unsere Berichterstattung dreht und wir davon betroffen sind.

Auch wenn gegen unsere Quellen ermittelt wird und wir dadurch nicht das Ziel der Ermittlungen sind, kommen wir damit trotzdem ins Visier der Strafverfolgungsbehörden. Und diese haben durch die Strafanzeige auch Repressionsmöglichkeiten bis hin zu Überwachungsmaßnahmen und Hausdurchsuchungen gegen unsere Redaktion. Theoretisch hilft uns die Pressefreiheit, praktisch muss man sich das im Detail anschauen. Und dann geht es noch um den Verfassungsschutz, wo mehrere Untersuchungsausschüsse momentan feststellen, dass dort nicht alles so abläuft, wie man sich das rechtsstaatlich vorstellt.

Weder Generalbundesanwalt noch Verfassungsschutz wollen Strafanzeige bestätigen oder dementieren

Wir haben heute versucht, dafür eine Bestätigung zu bekommen. Aber haben sie nicht bekommen, was nicht bedeutet, dass die Information des Deutschlandfunks nicht stimmt. Die Pressestelle des Generalbundesanwaltes wollte uns überhaupt nichts sagen und erklärte, dass man grundsätzlich Ermittlungen nicht kommentieren würde. Das wunderte uns, wo man doch regelmäßig lesen kann, dass andere Medien vom Generalbundesanwalt z.B. erfahren, dass dieser gegen die NSA ermittelt – oder auch nicht. Vielleicht erfahren andere Journalisten mehr, wir würden uns über sachdienliche Hinweise freuen.

Ein Sprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutz erklärte uns gegenüber:

Wir ärgern uns über Durchstechereien, aber wie wir damit umgehen, das kommentieren wir nicht.

Ein Dementi sieht anders aus. Vor zwei Monaten konnte man schon bei der Eröffnungsrede von Verfassungsschutz-Präsident Dr. Hans-Georg Maaßen beim 12. Symposium des BfV am 4. Mai 2015 in Berlin Folgendes lesen:

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt aber auch Skandale, die als Skandale kaum wahrgenommen werden. Nämlich, dass geheime und geheimste Unterlagen aus dem Bereich der Nachrichtendienste in die Medien gelangen, sobald sie den politisch-parlamentarischen Bereich erreichen. Es ist ein Skandal, wenn z. B. der geheime Wirtschaftsplan des Bundesverfassungsschutzes sowie geheime Zusatzinformationen hierzu von den Medien abgedruckt und von einem Bundestagsabgeordneten kommentiert werden. Und die Weitergabe dieser Dokumente ist nicht nur ein Skandal, es ist eine Straftat, und es zerstört das Vertrauen in die Aufrichtigkeit der immer wieder eingeforderten parlamentarischen Kontrolle der Dienste und beschädigt unsere Arbeit erheblich.

Wir halten es für einen Skandal, dass nur Bundestagsabgeordnete der Opposition unsere Anfragen inhaltlich kommentiert haben, obwohl wir jeweils alle Fraktionen angefragt hatten. Der Verfassungsschutz hatte auf unsere wiederholten Anfragen noch nicht einmal eine ablehnende Standardantwort geschickt.

Wir haben Fragen, wer hat die Antworten?

Was uns interessiert: Wann genau wurde die Strafanzeige gestellt? Die Information wurde einen Tag nach dem Beschluss des Bundestages durchgestochen, die Kompetenzen des Verfassungsschutzes auch bei der Netzüberwachung noch weiter auszubauen. Das klingt danach, als ob man das schon länger vor hatte, aber diesen Beschluss abgewartet hat, um eine öffentliche Debatte darüber nicht zu führen.

Eine weitere Frage ist: Ist diese Strafanzeige vom Kanzleramt gedeckt?

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Was wussten Kanzleramtschef Peter Altmaier und Geheimdienstkoordinator Klaus-Dieter Fritsche im Vorfeld von der Anzeige? Peter Altmaier hatte im vergangenen Herbst (potentielle) Quellen von uns gewarnt, um unsere weitere kritische Berichterstattung über den größten Überwachungsskandal in der Geschichte zu behindern.

Konkret geht es übrigens um diese beiden Artikel. Wir bedanken uns beim Verfassungsschutz für die Bestätigung durch die Strafanzeige, dass die von uns veröffentlichen Dokumente echt sind.

Geheimer Geldregen: Verfassungsschutz arbeitet an „Massendatenauswertung von Internetinhalten“

Geheime Referatsgruppe: Wir enthüllen die neue Verfassungsschutz-Einheit zum Ausbau der Internet-Überwachung

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Wir nehmen natürlich weiterhin gerne Dokumente an und veröffentlichen sie in der Regel auch. Dass geheime Dokumente nicht unverschlüsselt durchs Internet geschickt werden sollten, versteht sich von selbst.

Quelle: netzpolitik.org vom 06.07.2015

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