Rettung andersrum: Die griechische Regierung hat 6,25 Milliarden Euro an die EZB und den IWF überwiesen. Athen hatte die nötigen Mittel zuvor von den europäischen Steuerzahlern erhalten. 1,9 Milliarden stammen vom deutschen Steuerzahler. Immerhin: 0,5 Milliarden bleiben als zusätzliche Liquidität für die griechischen Banken.
(Bild: Vom Steuerzahler gerettet und sichtlich amüsiert: Mario Draghi bei der Pressekonferenz der EZB in Frankfurt am Donnerstag)
Griechenland hat nach Informationen aus dem Finanzministerium die Zahlung von insgesamt 6,25 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) und den Internationalen Währungsfonds (IWF) angewiesen. 4,2 Milliarden Euro würden termingerecht an die EZB gezahlt, hieß es am Montag. Hinzu kämen 2,05 Milliarden an den IWF, die seit 30. Juni überfällig seien. Außerdem zahle die Regierung einen 500 Millionen-Euro-Kredit an die Notenbank des Landes zurück. Diese Rückzahlung gibt den Banken etwas Liquidität, womit die Gefahr eines Zusammenbruchs kurzfristig abgewendet ist.
Für die EZB und den IWF wäre ein Crash in Griechenland äußerst peinlich geworden. Noch nie hätte der Internationale Währungsfonds einen derartigen Verlust gemacht. Nach der Zahlung dürfte beim IWF die Lust auf neue Kredite an Griechenland steigen (IWF: Griechenlands Verschuldung ist nicht tragfähig).
Griechenland hatte vergangene Woche eine Brückenfinanzierung in Höhe von 7,16 Milliarden Euro vom europäischen Rettungsfonds EFSM erhalten. Damit soll die Zahlungsfähigkeit des Landes bis zur Einigung auf eine neue Kredit-Linie gewährleistet werden.
Damit steht fest: Die griechische Bevölkerung könnte nun etwas besser über die ELA-Kredite der EZB versorgt werden. Diese werden schrittweise erhöht – vermutlich je nachdem, wie das Wohlverhalten der Syriza-Regierung bei den Verhandlungen ist. Das Sperrkonto für Großbritannien ist ein Novum: Bereits in der Krise 2011 hatte Wolfgang Schäuble die Einrichtung eines solchen Sperrkontos für die Euro-Staaten vorgeschlagen.
Anders als die Euro-Retter hat London knallhart auf rechtlichen Sicherheiten bestanden und sich innerhalb kurzer Zeit durchgesetzt.
Damit kann die Rettung der EZB und des IWF durch die europäischen Steuerzahlern als erfolgreich abgeschlossen betrachtet werden. Zur Belohnung müssen die Euro-Steuerzahler die volle Haftung für Großbritannien übernehmen. Der Gouverneursrat des Euro-Rettungsfonds ESM beschließt formal die Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland über ein drittes Hilfsprogramm. Die Institutionen würden nun das „Memorandum of Unterstanding“ mit der griechischen Regierung aushandeln, teilt der ESM mit. Parallel dazu erarbeite der ESM einen Vorschlag für die finanzielle Beistandsvereinbarung (FFA).
(Screenshot)
The Ponzi-Games must go on.
Grexit hat immer noch die meisten Chancen
Ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone scheint immer noch die meisten Chancen zu haben und wird möglicherweise sogar infolge einer Revolte geschehen.
Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras hätte niemals Yanis Varoufakis zu seinem Finanzminister machen dürfen. Oder er hätte auf ihn hören und ihn behalten müssen. Stattdessen wählte der griechische Premierminister die schlimmste Alternative von allen.
Er befolgte den Rat des Herrn Varoufakis bezüglich der Ablehnung des Vorschlags der Gläubiger – bis zu vergangenen Woche. Während Herr Tsipras dies tat, machte er jedoch einen wahrscheinlich kritischen Fehler, indem er den Plan B des Herrn Varoufakis für den Moment zurückwies, in dem die Banken des Landes schlossen: umgehende Einführung einer parallelen Währung – von IOUs, ausgegeben von dem griechischen Staat, jedoch auf Euro lautend.
Tsipras verpasste den Zeitpunkt für die Einführung einer Parallelwährung
Eine Parallelwährung hätte den Griechen gestattet, ihre alltäglichen Geschäftsvorgänge abzudecken, als die Barabhebungen auf 60 Euro pro Tag eingeschränkt wurden. Ein vollständiger wirtschaftlicher Zusammenbruch wäre abgewendet worden. Herr Tsipras schritt damit nicht voran, und auch nicht mit irgend einem anderen Plan B. Stattdessen kapitulierte er. An diesem Punkt war er nicht mehr in der Lage, den Grexit – ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozonen zu wählen.
Die wirtschaftliche Voraussetzung für ein taktisches Ausscheiden wäre ein primärer Haushaltsüberschuss und ein entsprechender Überschuss auf dem privaten Sektor gewesen. Griechenland hat keine Devisenreserven. Hätten die Griechen gewählt, die Drachme wieder einzuführen, hätten sie für alle ihre Importe mit den Devisenverdiensten zahlen müssen, die ihre Exporte einbringen. Diese minimalen Voraussetzungen existierten im März 2015, jedoch nicht (mehr) im Juli 2015.
Somit gelangte Herr Tsipras – wie auch seine Vorgänger – bei einer weiteren schlechten Rettungsvereinbarung an. Und diese weist die selben grundsätzlichen Nachteile wie auch die vorherigen auf. Und dies führt zu der Schlussfolgerung, dass der Grexit letztendlich der wahrscheinlichste Ausgang bleibt.
Szenarium A: Die Vereinbarung bleibt unvollendet
Es gibt drei grundsätzliche Wege, die geschehen zu lassen. Der erste ist, dass ganz einfach die Vereinbarung nicht vollendet wird. Das einzige, was in der vergangenen Woche vereinbart wurde, war die Aufnahme von Verhandlungen nebst einer gewissen Zwischenfinanzierung. Die Vereinbarung wird möglicherweise nicht erzielt werden können, da die Hauptbeteiligten misstrauisch sind. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte, den Vorschlag für den Grexit für den Fall in der Schublade zu behalten, dass die Verhandlungen scheitern. Herr Tsipras wies die Vereinbarung in der vergangenen Woche in etlichen Fällen (Punkten) zurück. Und der Internationale Währungsfonds (IWF) sagt, die Zahlen gehen nicht auf und er werde nicht unterschreiben, wenn die europäischen Gläubiger nicht einer Erleichterung der griechischen Verschuldung zustimmen.
Die Deutschen weigern sich, irgend eine Diskussion über dieses Thema zu führen, und berufen sich auf diverse intrigante Regeln, gemäß denen die Länder der Eurozone nicht bankrott gehen dürfen. Das ist juristischer Unfug, der Zweck ist jedoch wahrscheinlich, neue rote Linien in den Verhandlungen zu definieren.
Das wahrscheinlichste ist, dass sie schließlich zu einer Vereinbarung gelangen, diese jedoch – wie es immer geschieht – mit großen Kollateralschäden kommt: geringere Entlastung der Entschuldung, als nötig ist, und mehr Austerität, als Griechenland zu ertragen vermag.
Szenarium B: Das Programm schlägt fehl
Ein wahrscheinlicheres Grexit-Szenarium ist, dass irgend ein Programm vereinbart wird und im weiteren Verlauf fehlschlägt. Die Regierung in Athen mag alle von den Gläubigern geforderten Maßnahmen umsetzen, die Wirtschaft wird jedoch nicht schaffen, sich zu erholen, und die Ziele bezüglich der Verschuldung werden unerreichbar bleiben.
Herr Tsipras vereinbarte bereits in der vergangenen Woche, noch mehr Austerität durchzusetzen, wenn die Lage dies erfordere. Somit wird die Wirtschaft für viele Jahre in einem Teufelskreis gefangen bleiben, außer sie verhält sich in Zukunft sehr viel anders, als sie es in der Vergangenheit tat. An diesem Punkt könnten Herr Tsipras oder sein Nachfolger die Niederlage eingestehen und einen ausgehandelten Grexit als die weniger schmerzhafte Option wählen. Der Grexit könnte ihnen ebenfalls von den Gläubigern aufgezwungen werden.
Szenarium C: Grexit infolge einer Revolte
Unser wahrscheinliches Grexit-Szenarium ist ein noch unterschiedlicheres. Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates, ließ in seinem Interview an die Financial Times in der vergangenen Woche durchklingen, „etwas revolutionäres“ in der Luft zu spüren. Irgend etwas hat ihn argwöhnisch gemacht. Das wahrscheinlichste Szenarium ist das des Grexit mittels einer Revolte. Wenn es einen Spielraum weiterer dreier Jahre geben wird, werden wir nicht überrascht sein, Herrn Tusk und seine Mitarbeiter im Europäischen Rat über noch drastischere Maßnahmen diskutieren müssen zu sehen, um einer Krise zu begegnen.
Griechenland ist noch nicht an diesem Punkt der Erhebung angelangt – trotz der acht Jahre Rezession. Noch zeigen die Meinungsumfragen eine Mehrheit der Leute, welche die Beibehaltung des Euro unterstützt. Im realen Leben wählen die Menschen zwischen einer kleinen Anzahl politischer Alternativen und arrangieren sich mit der, von der sie meinen, sie sei die beste für die Wirtschaft. Sie wählten im Januar 2015 Herrn Tsipras und die SYRIZA, weil es den anderen Parteien misslang, ihre Versprechungen zu realisieren. Wenn auch die SYRIZA scheitert – wovon sicher ist, das es geschehen wird -, werden die Griechen keine weiteren demokratischen Optionen haben.
Vermag Herr Tsipras die Katastrophe noch abzuwenden? Sollten im Herbst 2015 außerordentliche Neuwahlen erfolgen, könnte er sie durchaus gewinnen und im weiteren Verlauf an einem gewissen Punkt die Idee des Herrn Varoufakis bezüglich einer Parallelwährung aufgreifen. Der Zeitpunkt für die Parallelwährung ist jedoch wahrscheinlich zusammen mit ihrem Inspirator verloren gegangen. Das wahrscheinlichste ist, dass Herr Tsipras eine demagogische politische Kampagne führt, mit viel Rhetorik gegen die Gläubiger, und im weiteren Verlauf allem zustimmt, was die Gläubiger fordern, und – seinen dramatischen Gipfel erreichend – das Programm umsetzt.
Literatur:
Der Crash ist die Lösung: Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten von Matthias Weik und Marc Friedrich
Weltmacht IWF: Chronik eines Raubzugs von Ernst Wolff
Die Plünderung der Welt: Wie die Finanz-Eliten unsere Enteignung planen von Michael Maier
Quellen: dpa/http:/griechenland-blog.gr/Deutsche-Wirtschafts-Nachrichten vom 20.07.2015
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