Griechenland-Referendum: „Nein“ zum EU-Spardiktat

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Kampf um Köpfe und Herzen: Vor dem Referendum zu den Sparauflagen der EU moblisieren beide Lager ihre Anhänger.

Bei dem Referendum in Griechenland deutet sich nach Umfragen mehrerer Fernsehsender eine knappe Mehrheit für die Spargegner an. Der Privatsender Alpha berichtete, 49,5 bis 50,5 Prozent der Griechen hätten mit „Nein“ gestimmt, 45,5 bis 50,5 Prozent mit „Ja“. Der Sender Star berichtete zwischen 49 bis 54,5 Prozent der Griechen hätten mit „Nein“ und zwischen 45,5 bis 49,5 Prozent mit „Ja“ gestimmt. Diese seien aber „keine Prognosen“ sondern nur Schätzungen von Demoskopen, die noch von den Ergebnissen der ausgezählten Stimmen bestätigt werden müssen. Offizielle Ergebnisse wollte das Innenministerium frühestens zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale gegen 20.00 Uhr MESZ bekanntgeben.

Die Griechen sollten in dem Referendum entscheiden, ob sie die Sparvorschläge der Gläubiger akzeptieren oder nicht; die Regierung hatte für ein Nein geworben.

Die Beteiligung an der Volksabstimmung in Griechenland soll nach übereinstimmenden Berichten griechischer Medien am frühen Sonntagnachmittag die 40 Prozent übertroffen haben. Damit werde das Ergebnis des Referendums über das griechische Sparprogramm rechtskräftig sein, hieß es. Die Medien berufen sich auf Informationen aus dem Innenministerium. Bei Volksabstimmungen muss in Griechenland die Wahlbeteiligung bei mindestens 40 Prozent liegen. Anderenfalls hat das Ergebnis keine Wirkung.

Nachtrag 19:32 Uhr:

Wie das Athener Innenministerium mitteilte, stimmten nach Auszählung von knapp neun Prozent der abgegebenen Wahlzettel 59,9 Prozent mit „Nein“ und 40,1 Prozent mit „Ja“.

Die griechische Regierung hat unmittelbar nach dem Referendum über die umstrittenen Sparvorgaben neue Verhandlungen mit den Geldgebern angekündigt. Noch am Sonntagabend wolle man substanzielle Gespräche mit den internationalen Partnern beginnen, erklärte der griechische Regierungssprecher Gabriel Sakellaridis im Fernsehen vor der Bekanntgabe des offiziellen Ergebnisses. „Das Mandat (des Volkes) ist klar. Ein neuer Versuch beginnt (seitens Athens) für eine für beide Seiten günstige Einigung, als gleiche Partner und nicht als eine Schuldenkolonie“, sagte Sakellaridis.

Nachtrag: 21:12 Uhr:

Bislang wurden 60 Prozent der Stimmen ausgezählt, davon haben 61 Prozent für nein gestimmt. Hier eine interaktive Grafik zu der Abstimmung.

Nachtrag 5:43 Uhr:

Alle Stimmen ausgezählt
Jetzt ist offiziell: Griechenland lehnt das Spardiktat der Gläubiger ab. Die Verteilung nach der Auszählung aller Stimmen:
„Ja“ (Zustimmung zu Programm der Gläubiger): 38,69 Prozent
„Nein“ (Ablehnung): 61,31 Prozent
Wahlbeteiligung: 62,50 Prozent
Ungültige/leere Stimmzettel: 5,8 Prozent
Am 13. Juli muss Athen eine Rate von knapp 500 Millionen Euro an den Internationalen Währungsfonds zurückzahlen, am 20. Juli sind 3,5 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank fällig.

Die „fette“ Rechnung für Griechenland und wer sie bezahlen wird

Unabhängig von dem Ausgang des Referendums wird Griechenland eine fette Rechnung erhalten, die das Volk und das Land zu bezahlen haben werden.

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Unabhängig von dem Ergebnis der Volksabstimmung wird am darauffolgenden Montag die griechische Regierung den Gläubigern politisch schwach gegenüber stehen müssen. Welche auch immer die Regierung sein wird.

Die kumulierten Verluste aus der Schließung der Banken und deren Auswirkungen auf die griechische Wirtschaft, die stetige Ausweitung der „Rechnung“ aus den Maßnahmen im letzten Zeitraum und die direkte Abhängigkeit des Staates und der Banken von dem Eurosystem und die Gefahr eines völligen Zusammenbruchs gestatten keinerlei ernsthafte Verhandlung, ganz gleich wie viele Vorwände auch immer gewahrt bleiben werden.

Der „Tag danach“ wird das Geschehen auf Monate oder Jahre bestimmen

Aus genau diesem Grund fokussierte die Zeitung „Pontiki“ sich auf der Titelseite der Donnerstagsausgabe (02. Juli 2015) nicht auf das Referendum, wegen dem ein ungeheurer Kommunikationskrieg ausgetragen wird, sondern auf den Tag danach. Den Tag, der darüber entscheiden wird, was in den kommenden Monaten und Jahren im Land vorherrschen wird. Unabhängig von dem Referendum, den politischen Entwicklungen und der Form, welche die Regierung haben wird, ist daher die „Rechnung“ das Thema und der kritische Punkt.

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Die Seite der Europäer („Das Europa der Schande“, wie wir es vor einer Woche charakterisierten) drängte die Dinge bis hierher wo wir angelangten, mit einer Regierung, die in dem perfekten Gewitter gefangen ist, welches der Abfluss dutzender Milliarden Euro von den Banken schuf. Das dringliche Thema ist heute jedoch nicht die Zuweisung der Verantwortungen an jene, welche die heutige Sackgasse verursachten oder dazu beitrugen.

An dem Punkt, an dem wir uns befinden, ist die Frage, was am kommenden Montag (06. Juli 2015) geschehen wird. Wir hoffen und glauben, dass den unmittelbaren Themen – wie dem Ergebnis der Volksabstimmung und wie ihm die Europäer begegnen werden, welche Regierung wir haben werden (die umgehenden Neuwahlen schloss jedenfalls Alexis Tsipras selbst aus), wie die elementare Normalität im wirtschaftlichen Betrieb des Landes wiederhergestellt werden wird und die schweren Gegenleistungen, welche die Gläubigern verlangen werden um zu dieser Normalisierung beizutragen – zügig begegnet wird.

Je „dicker“ die Rechnung, desto stärker die politische Erschütterung

Was jedoch als Erbe aus den Entwicklungen der kommenden Woche und aus der finalen Last der „Rechnung“ verbleibt, wird höchstwahrscheinlich die Lage komplizieren, in der sich das politische System in der nächsten Zeit befinden wird.

● Wenn es die Regierung Tsipras sein wird, welche die neue schwere Vereinbarung unterschreiben wird, wird sie offensichtlich nicht in der Lage sein, die politischen Folgen auszuhalten und unversehrt zu regieren, speziell in einem Umfeld der nicht regulären Funktion des Bankensystems, von dem unbekannt ist, wann es zu dem Zustand zurückgelangen wird, in dem es sich vor der Schließung der Banken befand. Darüber wird nicht einmal diskutiert.

● Wenn die Regierung Tsipras ihre Position einem „ökumenischen“ Schema überlässt, so wie dies von den Gläubigern und ihren inländischen Verbündeten verlangt wird, wird es zwangsweise keine große Lebensdauer haben und früher oder später Neuwahlen abhalten müssen. Die „technokratischen“ Schemata vom Typ Papadimos haben selbst mit ökumenischer Unterstützung nicht die Fähigkeit, über längere Zeit den Steuersturm, die Kürzung der Renten und die dramatischen Folgen aus den drastischen Kürzungen der öffentlichen Ausgaben politisch zu handhaben, während eine „farblose“ politische Persönlichkeit sehr bald das Feuer der Volksbasis aller Parteien auf sich konzentrieren wird.

Die Gefahr aus der gleichzeitigen Abwertung fast des gesamten politischen Personals und der Parteien ist bereits sichtbar und jeder kann sie selbst feststellen, indem er betrachtet, wie viele politische Zombies in diesen Tagen angesichts des Referendums auferstanden. Der gesamte politisch geschmähte Klüngel der letzten Jahre verlangt seine „Rehabilitierung“ und beansprucht wieder eine politische Rolle. Nur dass er – falls er sie gewinnen sollte – auch die Last der neuen „Rechnung“ zu übernehmen haben wird.

Die dem Vorstehenden entspringende nächste kritische politische Frage ist, was im Fall von Neuwahlen geschehen wird. Hier heben wir die Hände, da die Relation zwischen „Ja“ und „Nein“ bei dem Referendum uns unabhängig von dem Ergebnis keine sicheren Rückschlüsse über den Zustand des politischen Systems am Folgetag einer Wahlauseinandersetzung liefern kann. Jedenfalls ist die politische Ungewissheit die ernsthafteste Möglichkeit und ihre Dauer ist unbekannt. Je „dicker“ die Rechnung ist, die das griechische Volk bezahlen wird, um so größer wird auf jeden Fall auch die politische Erschütterung für den sein, der sie präsentieren wird.

Die Verantwortung Europas

Genau hier kommt die Rolle der europäischen Gläubiger, die ebenfalls ihre Entscheidungen zu treffen haben. Nachdem sie bereits aufeinanderfolgende Regierungen politisch „erstickt“ und die demokratischen Reserven des griechischen politischen ausgeschöpft haben – wie wir bereits seit 2010 voraussahen! -, haben sie einen ernsthaften Beschluss zu fassen. Ob sie ein lebendiges oder ein Griechenland im Zustand eines Zombies haben wollen, das in Zukunft – zwangsweise – ein ständig größeres Risiko für Europa schaffen wird.

1. Wenn sie eine reibungslose Handhabung des griechischen Problems wählen, bestehen Chancen, dass das Land auf eine Bahn des Aufstiegs gebracht wird. In diesem Fall werden auch die demokratischen Kräfte des politischen Systems die kritische Zeit für seine Weiterentwicklung und sein Überleben gewinnen.

2. Wird dagegen wieder der Weg des Schocks gewählt, ist keine Möglichkeit langfristig überlebensfähig. Das bereits geschwächte politische System wird die Erschütterungen nicht aushalten – weder innerhalb und noch viel weniger außerhalb des Euro. In diesem Fall wird auch die Gefahr ausgemerzt werden, die bereits von der extremen Rechten aufgekeimt ist – die im übrigen Europa in den letzten Jahren in ihrem gesamten Ausmaß beschäftigt und als die ernsthafteste systematische Gefahr bewertet wird.

Außer, unsere westlichen Verbündeten haben beschlossen, die „Zwangsverwaltung“ des Landes an … Davutoglu abzutreten, der sich bereits bereit erklärt hat, uns zu „helfen“. In diesem Fall ändert sich die Diskussion und die Bedeutung der nationalen Gefahr steigt auf ein anderes, kaum fassbares Niveau an …

Literatur:

Die Plünderung der Welt: Wie die Finanz-Eliten unsere Enteignung planen von Michael Maier

Der Crash ist die Lösung: Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Vermögen retten von Matthias Weik und Marc Friedrich

Weltmacht IWF: Chronik eines Raubzugs von Ernst Wolff

Quellen: dpa/n24.de/griechenland-blog.gr vom 05.07.2015

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