Hitzewelle: 1540 war es noch schlimmer – Ernteausfälle in Deutschland und der Schweiz.
Das Wetter stellt bayerische Landwirte im laufenden Jahr vor erhebliche Probleme: zunächst Dauerregen im Süden Bayerns und dann anhaltende Trockenheit im Norden. Diese Unterschiede spiegeln sich auch in den Ernteerträgen.
Die Ernte wird heuer voraussichtlich leicht unterdurchschnittlich ausfallen, berichteten der Bauernverband und das Landwirtschaftsministerium bei der traditionellen Erntefahrt. Insbesondere im Vergleich zum Rekordjahr 2014 sind die Erträge zurückgegangen: 2014 wurden 7,8 Millionen Tonnen Getreide geerntet, der mehrjährige Mittelwert liegt bei 6,7 Millionen Tonnen. Temperaturen jenseits der 30 Grad oder sogar bis zu 40 Grad über eine Woche machten den Pflanzen besonders zu schaffen.
„Pflanzen können nicht in den Schatten gehen und sind der Sonne gnadenlos ausgeliefert.“
Walter Heidl, Präsident des Bayerischen Bauernverbands
Trotzdem können die bayerischen Landwirte in diesem Jahr wohl gutes Geld verdienen. Angesichts von erwarteten Ernteausfällen in den USA, in Russland und in der Ukraine könnten die Preise etwas anziehen, sagte der bayerische Bauernpräsident Walter Heidl. „Es ist nicht entscheidend, wie in Bayern die Ernte ist.“ Die Preisentwicklung laufe längst international, so Heidl. Nicht zuletzt wegen der warmen Witterung läuft die Getreideernte bereits auf Hochtouren; die Wintergerste ist zum Großteil schon eingebracht.
Wasser als wichtigster Produktionsfaktor
Das Wetter in Bayern präsentierte sich heuer zweigeteilt. Im Süden war es vor allem im Frühjahr zu nass, im Norden zu trocken. Derzeit sind die Pflanzen im Hitzestress. „Immer mehr wird deutlich, dass Wasser der wichtigste Produktionsfaktor ist“, sagte Agrarminister Helmut Brunner (CSU). Wasserschonende Bodenbearbeitung werde deshalb immer wichtiger. Hier arbeiteten die Fachleute eng mit Wissenschaftlern zusammen. Weil angesichts der aktuellen Trockenheit mancherorts das Futter für die Tiere knapp wird, dürften als Sofortmaßnahme auch ökologische Vorrangflächen beweidet werden, sagte Brunner.
Wasser für den Norden
Bereits seit Anfang Mai wird Wasser aus Altmühl und Donau über den Kanal und andere Systeme in die zum Main führenden Flüsse gepumpt. Die Wasserabgabe in die Main-Zuflüsse stützt laut bayerischem Umweltministerium das Grundwasservorkommen entlang des Mains und macht so landwirtschaftliche Beregnung möglich.
So gelangt Wasser aus dem Süden nach Nordbayern:
Hellblau eingezeichnet ist der Kanal, der den Main im Norden mit der Donau im Süden verbindet. Dunkelblau eingezeichnet sind die Wasserläufe, die für das Fränkische Seenland geschaffen wurden: die separate Pumpstrecke entlang des Kanals, die den Rothsee speist sowie der Überleiter der Altmühl, über den Hochwasser in Altmühlsee und Brombachsee fließt. Anschließend wird das Wasser aus dem Seenland über Rednitz und Regnitz durch Franken transportiert.
Video:
https://www.youtube.com/watch?v=PufYpljPn2Y
Hessens Bauern in Sorge
Hessens Landwirte bekommen die Trockenheit der vergangenen Monate deutlich zu spüren. Bei der Getreideernte könnten je nach Pflanzenart und Region bis zu 30 Prozent weniger Ertrag eingefahren werden, sagte der Präsident des hessischen Bauernverbandes, Friedhelm Schneider, am Montag in Bad Nauheim.
Beim wichtigen Winterweizen sei bislang ein Minus von durchschnittlich 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gemeldet worden. Sorgen bereiten den Bauern auch die ausgedorrten Wiesen und Weiden: Dadurch seien Futterengpässe in der Viehhaltung vorprogrammiert. Eine Futterbörse soll nun betroffenen Landwirten helfen.
Video:
Österreich: Noch keine großflächigen Dürreschäden durch Rekordhitze
Die Rekordhitze hat laut Landwirtschaftskammer noch zu keinen großflächigen Dürreschäden geführt. In Westösterreich gebe es zwar Hitze, aber keine Dürre. Im trockenen Osten seien bereits die Hälfte der Pflanzenkulturen geerntet. Die Getreideernte soll heuer „überdurchschnittlich“ ausfallen. Problematisch könnte es noch für die Maisernte werden, wenn die Hitze zu Wurzelschäden geführt haben sollte.
Im Westen Österreichs habe es zwischen den Hitzetagen laufend Niederschlag durch Gewitter geben, so Günther Rohrer, Pflanzenbauexperte in der Landwirtschaftskammer Österreich, am Mittwoch zur APA. Im Osten habe es an schlechten Standorten „nur ein paar Dürreschäden“ gegeben. Entscheidend für die restliche Ernte sei, ob es in den nächsten Tagen und Wochen mehr Niederschlag gebe.
Das Verbot der umstrittenen Pestizid-Gruppe der Neonicotinoide hat bei Mais mehr Schaden verursacht als die Hitze, betonte Rohrer. Neonicotinoide sind seit Herbst 2013 verboten, weshalb die Landwirte nun u.a. Fadenwürmer (Nematoden) und Sexuallockstoffe gegen den weitverbreiteten Maiswurzelbohrer einsetzen.
Die schlimmste „Megadürre“ erlebte Europa vor 475 Jahren. Neun Monate lang fiel kaum Niederschlag, der Boden riss auf, das Wasser wurde knapp. Ein Szenario, das sich wiederholen könnte.
38,3 Grad Celsius zeigte das Thermometer in Krems und Langenlebarn am vergangenen Sonntag. Gleich doppelt holte sich Niederösterreich damit den bisherigen Temperaturrekord in diesem Sommer. Allerdings könnte der Wert bald überboten werden, sagt Clemens Teutsch-Zumtobel vom Wetterdienst UBIMET – unter Umständen noch heute. Und: „Eine weitere Hitzewelle ist nicht ausgeschlossen.“ Laut der US-Behörde für Atmosphäre und Ozeane (NOAA) war die Periode Jänner bis Juni 2015 die bisher wärmste auf dem Planeten – seit Beginn der Messungen Ende des 18. Jahrhunderts.
Allerdings: So trocken wie vor 475 Jahren war es bis dato in Mitteleuropa nie wieder. Denn 1540 erlebte Europa eine „Megadürre“ – die bisher längste Trockenheit seiner Geschichte. Das geht aus rund 300 Chroniken hervor, die von einem 32-köpfigen Forscherteam um Oliver Wetter von der Universität Bern ausgewertet und 2014 im Fachmagazin „Climate Change“ veröffentlicht wurden. 1540 fiel damit weit extremer aus, als das bisher als „Jahrhundertsommer“ titulierte Jahr 2003.
Zu Fuß durch den Rhein
Ihren Anfang nahm die Trockenheit 1539. Im Winter soll es in Italien trocken und warm „wie im Juli“ gewesen sein, zitieren Wetter und seine Kollegen aus einer Chronik. Konkrete Temperaturangaben gibt es jedoch nicht. „Man kann aus den Witterungsberichten von damals nur rekonstruieren wie das Klima war, nur indirekt die Temperatur“, erklärt Teutsch-Zumtobel. Gesichert ist dafür eine klimatische Zweiteilung: Während das heutige Russland im Frühjahr von lang anhaltenden Schnee- und Regenfällen gebeutelt wurde, waren in Mitteleuropa Sonnenstunden im Übermaß vorhanden. „Es regnete nur mal drei Tage im März“, notierte der Winzer Hans Stolz im Elsass.
Und so sollte es bleiben: Laut Wetter fiel in Europa von Januar bis September kaum Niederschlag. Klimahistoriker Christian Pfister, der an der Studie beteiligt war, spricht von knapp einem Drittel der normalen Niederschlagsmenge: „Den ersten längeren Guss gab es erst wieder 1541.“ Die Folge: Der Boden trocknete aus, riss auf. An zumindest dreimal so vielen Tagen wie üblich dürften die Temperaturen auf mehr als 30 Grad angestiegen sein.
„Es war eine Megadürre mit Ernteausfällen, explodierenden Lebensmittelpreisen und Wald- und Buschbränden“, sagt Teutsch-Zumtobel. „In Basel konnte man den Rhein durchqueren, die Elbe hatte nur zehn Prozent des sonst üblichen Durchflusses“, so der Fachmann.
Das Wasser wurde knapp. In der Schweiz fand sich eineinhalb Meter unter manchem Flussbett „kein Tropfen“, schrieb der Chronist Hans Salat. Brunnen, die noch Wasser beinhalteten, wurden bewacht, nur beim Glockenschlag wurde die Flüssigkeit ausgegeben. „Im ausgetrockneten Bodensee suchten die Menschen römische Münzen“, heißt es weiter. Die Insel Lindau war mit dem Festland verbunden. Tausende versuchten ihren Durst mit verunreinigtem Wasser zu stillen – und starben an Entzündungen des Dickdarms.
Entsprechend dezimierte sich auch der Viehbestand. Die Gesamtzahl der Toten bleibt unklar, sagte Rüdiger Glaser von der Universität Freiburg 2014 dem „Spiegel“. Ein Vergleich mit 2003 lasse aber Schlimmes befürchten: Vor zwölf Jahren starben in Mitteleuropa bis zu 70.000 Menschen aufgrund der Witterung.
Positiv wirkte sich die Trockenheit lediglich auf den Weinbau aus: Die damalige Ernte wies einen so hohen Zuckergehalt auf, dass der Wein „im Glas wie Gold“ aussah, heißt es in einer Chronik.
Schweiz: Ernteausfälle wegen Hitze und Trockenheit
Vor einem Monat hat es zum letzten Mal flächig geregnet. Eine Hitzewelle jagt die nächste. Das merken die Gemüsebauern. Die Ernten fallen schwach aus. Besonders deutlich ist das beim Eisbergsalat. Hier ist die Ernte in den vergangenen zwei Wochen stark zurückgegangen.
In der vergangenen Woche haben Schweizer Bauern 460 Tonnen Eisbergsalat geerntet und auf den Markt gebracht. Das deckt nur etwas mehr als die Hälfte der Nachfrage. Bereits in der Woche davor, vom 6. bis zum 12. Juli, war die Eisbergsalaternte mit 590 Tonnen schwach ausgefallen, wie Zahlen des Amtes für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern zeigen.
Es muss daher Eisbergsalat importiert werden, damit es in den Läden genug hat. 2014 war das anders: In den beiden gleichen Wochen wurden je über 700 Tonnen Eisbergsalat geerntet. Mit dieser Menge konnte die Nachfrage gedeckt werden.
Auch dem Blumenkohl wird die andauernde Hitze und Trockenheit zu viel: Bis zur zweiten Juliwoche konnten die Bauern wöchentlich noch über 200 Tonnen Blumenkohl ernten. In der vergangenen Woche ging die Menge dann auf 157 Tonnen zurück. Das deckt nur rund die Hälfte der Nachfrage. Der Rest muss importiert werden.
30 Tage Trockenheit
Dass das Gemüse leidet, erstaunt nicht: Am 22. Juni hat es in der Schweiz auf der Alpennordseite zum letzten Mal flächig geregnet, wie Ludwig Zgraggen von MeteoSchweiz der Nachrichtenagentur sda sagte. Seither gab es nur lokale Gewitter. Die aktuelle Trockenperiode dauert also schon fast einen Monat.
„So etwas kommt sicher nicht alle Jahre vor, auch nicht alle zehn Jahre“, sagte Zgraggen. Eine so lang anhaltende Trockenheit im Sommer habe es bestimmt seit 2003 nicht mehr gegeben. Normalerweise dauerten Trockenperioden zehn bis zwölf Tage.
Dazu kommt die Hitze: Seit Montag ist es in grossen Teilen der Romandie wieder extrem heiss. Das Naturgefahrenbulletin des Bundes zeigt für die Kantone Genf, Waadt, Wallis und die Gegend um Neuenburg eine „erhebliche Gefahr“ an. Das entspricht der Gefahrenstufe drei von fünf.
Im Tessin ist die Gefahr weiterhin „gross“, was der Gefahrenstufe vier entspricht. Die neue Hitzewelle werde unterhalb von 600 Metern mehrere Tage dauern, teilte MeteoSchweiz mit.
Kartoffeln wachsen kaum
Das dürfte insbesondere den Kartoffeln und Zuckerrüben zu schaffen machen: Kartoffeln wachsen ab 25 Grad kaum mehr, Zuckerrüben ab 30 Grad, wie Christian Bucher, Leiter der Fachstelle für Gemüsebau beim Amt für Landwirtschaft und Natur des Kantons Bern, sagte.
Im Hitzesommer 2003 war die Lage für viele Bauern indes noch weit dramatischer. Damals schränkten mehrere Kantone über längere Zeit die Wasserentnahme aus Gewässern ein. Manche Flächen mussten brachgelegt werden, weil sie nicht bewässert werden konnten.
So schlimm ist es diesen Sommer noch nicht: Zwar ist im Kanton Freiburg seit Freitag die Wasserentnahme aus Oberflächengewässern ebenfalls verboten. Dank mehreren Ausnahmen von dem Verbot können die meisten Gemüsebauern ihre Felder aber dennoch bewässern.
Auch mit Grundwasser darf weiterhin bewässert werden. Der Grundwasserspiegel ist nämlich noch nicht merklich abgesunken. „Dieser reagiert jeweils verzögert auf Trockenperioden“, sagte Bucher. Zudem hat es im Juni teils heftig geregnet. Das liess den Grundwasserspiegel ansteigen. Zu Beginn der Trockenheit lag dieser daher höher als vor der Trockenheit im Hitzesommer 2003.
Literatur:
Die launische Sonne: Widerlegt Klimatheorien von Nigel Calder
Im Fokus: Naturkatastrophen: Zerstörerische Gewalten und tickende Zeitbomben (Naturwissenschaften im Fokus) (German Edition) von Nadja Podbregar
Himmelszeichen von Peter Orzechowski
Die Erde hat ein Leck: Und andere rätselhafte Phänomene unseres Planeten von Axel Bojanowski
Quellen: PRAVDA TV/dpa/br.de/bluewin.ch/fnp.de vom 22.07.2015
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