Auch anerkannte Flüchtlinge sind im Einwanderungsland Australien heute nicht willkommen.
„In einigen Teilen der Lager auf Manus kam es zu gut organisierten, gut koordinierten Protesten. Wichtig ist, dass wieder Ordnung hergestellt wurde“, berichtete Australiens Premierminister Tony Abbott. Vergangene Woche waren die rund 1100 Insassen der Lager auf Manus in einen Hungerstreik getreten und hatten sich verbarrikadiert. Mit „ein wenig Gewalt“ habe man das Problem aber gelöst, erklärte Abbotts Einwanderungsminister unbefangen.
Orte der Misshandlung, Folter und Elend
Um sicherzustellen, dass Flüchtlinge gar nicht erst australisches Festland erreichen, pflegt Australiens Marine in Zusammenarbeit mit den Kameraden der indonesischen Marine Flüchtlinge schon auf hoher See abzufangen und in sogenannte Offshore Processing Centres (OPC) zu verbringen, nach Manus, das zu Papua Neuguinea gehört, oder auf den 10 000 Einwohner zählenden pazifischen Inselstaat Nauru.
Die Verwaltung dieser Lager wurde der privaten Cateringfirma Transfield Services und die Sicherheit der ebenfalls privaten Wilson Security übertragen. Manus sei ein „Guantanamo im Pazifik“, klagt die Londoner Menschenrechtsorganisation Amnesty International. „Beide operieren außerhalb der internationalen Menschenrechtsgesetze. Beides sind Orte von Misshandlung, Folter und Elend. Beide verurteilen die Inhaftierten zu langen Haftperioden ohne juristischen Beistand oder faire Anhörungen. In beiden werden Kinder festgehalten.“
Beliebte Einwanderer
Bis heute zeigt sich das Einwanderungsland Australien ausgesprochen wählerisch bei seiner Einwanderungspolitik. Einst, nach dem 2. Weltkrieg, so rühmt sich Canberra auf seinen Webseiten, half Australien vielen Flüchtlingen und Heimatlosen aus Europa „mit Mitgefühl“, freien Überfahrten und Arbeitsangeboten, in Down Under eine neue Heimat zu finden. Sie kamen aus Deutschland, Italien, Griechenland, Polen, Jugoslawien, Rumänien, in der Mehrzahl aber aus dem Mutterland Großbritannien.
1955 feierte Australien in Melbourne Mrs. Barbara Porritt als „eine Millionste Nachkriegseinwanderin“, Ende der fünfziger Jahre waren die Bee Gees (Gibb-Brüder) aus Manchester nach Queensland gekommen, 1966 die vormalige Ministerpräsidentin Julia Gillard aus Wales nach Adelaide. Als Ironie empfindet es Amnesty International, dass auch Tony Abbott 1960 an Bord eines Schiffes von London nach Sydney ausgewandert war.
Willkommene Verbrecher
Aber auch Tausende Kriegsverbrecher aus aller Welt und Nazikollaborateure vor allem aus den ehemaligen besetzten Gebieten Osteuropas, die erst Monate zuvor ihre Naziuniformen abgelegt hatten und sich nun als Opfer stalinistischer Unterdrückung ausgaben, wurden „willkommen“ geheißen (Justizministerin Amanda Vanstone im Januar 2000), um ihnen „ein neues Leben in einer glücklicheren Gesellschaft zu ermöglichen“: ungarische Pfeilkreuzler, Mitglieder der serbischen Zbor-Bewegung, der kroatischen Weißen oder der rumänischen Eisernen Garde, NS-treue Auslandsdeutsche, lettische, littauische oder ukrainische SS-Divisionäre, Gestapo-Polizisten oder KZ-Aufseher.
Männer, die an der Ermordung Hunderttausender beteiligt gewesen waren und auch Down Under von ihrer menschenverachtenden Ideologie nicht abließen. Ein Memo des Commonwealth Police Central Crime Intelligence Bureau beschrieb schon 1972 eine Reihe von Morden als „professionelle Auftragstötungen“ und listete über 50 ernsthafte Zwischenfälle aus den vorangegangenen neun Jahren auf, die es „Ustascha-kontrollierten Organisationen oder Individuen“ zuschrieb.
Tatsächlich halten sich in Australien ganze Scharen von Kriegsverbrechern oder Leuten, die gegen die Gesetze der Menschlichkeit verstoßen haben, aus allen nur vorstellbaren Diktaturen auf. Sämtliche stalinistischen Geheimdienste aus Osteuropa sind in Sydney, Melbourne, Freemantle, Darwin, Perth oder Adelaide vertreten, und nach Augusto Pinochets Abgang (1990) strömten zahlreiche Henker aus seinem berüchtigten Geheimdienst DINA nach Australien. „Es steht außer Frage, dass wir hier ‚ein paar Problemkinder‘ aus Kambodscha, Afghanistan, Bosnien, Chile oder Argentinien haben“, erklärte Bob Greenwood, der ehemalige Chef der 1986 eingerichteten Special Investigations Unit, die Naziverbrecher auffinden sollte.
Ungeliebte Ankömmlinge
Weniger gastfreundlich hatten die australischen Einwanderungsbehörden einst auf die Ankunft des tschechoslowakischen Journalisten und Autors Egon Erwin Kisch reagiert. „Die Landung dieses Mannes ist vom Ministerium des Inneren untersagt worden, und dabei bleibt es“, beantwortete Australiens Justizminister Menzies Fragen aus dem Parlament. „Dieser Mann“ befand sich im November 1934 an Bord der „Strathaird“. Gerade als das Schiff im Hafen von Melbourne losmachte, „erschien er auf dem Achterdeck, schwang sich auf das Geländer und sprang hinab. Er stürzte auf den Pier, erhob sich, machte einen Schritt vorwärts und brach mit schmerzverzerrtem Gesicht zusammen“, beschrieb der Unerwünschte später den Zwischenfall. „Jüdische Frechheit des Rasenden Reporters. – Gerechte Strafe: Kisch bricht sich Beine“, titelte der Berliner „Angriff“ mit unverhohlener Freude. Kisch war einer Einladung des „Allaustralischen Komitees gegen Krieg und Faschismus“ gefolgt. Canberra jedoch wollte Berlin nicht erzürnen und entschied sich für Appeasement-Politik.
Auch die neuesten Ankömmlinge sind unerwünscht. Die meisten der Asylsuchenden kommen mit der Hilfe von Menschenschmugglern auf kaum hochseetüchtigen Seelenverkäufern aus Afghanistan, Pakistan, Irak, Sri Lanka, Somalia oder dem Iran, ehe sie weit vor den rettenden Ufern aufgebracht werden. Tausende sind auf diesen Überfahrten schon ertrunken. Jeder Ankömmling wird sofort festgenommen und auf die Weihnachtsinseln, nach Manus oder Nauru gebracht, wo er oft jahrelang unter erbärmlichen Bedingungen auf eine Entscheidung warten muss. „Rund neunzig Prozent“ all jener, die auf Booten in australischen Gewässern ankommen, würden „später als Flüchtlinge anerkannt“, stellte Amnesty International fest. Doch wenn sie das Glück haben, tatsächlich den Status eines Flüchtlings zu erhalten, werden sie nicht in Australien, sondern in Papua Neuguinea oder in Kambodscha angesiedelt, wo sie keine Aussicht auf Unterstützung oder Arbeit haben und zudem oftmals von fremdenfeindlichen Einheimischen bedroht werden.
Das Elend der Unerwünschten
So kommt es in den Lagern immer wieder zu Hungerstreiks und Aufständen, die gelegentlich sogar zu Toten führen. Im Juli 2013 wagten 150 der rund 500 Asylbewerber auf Nauru den Aufstand, ehe er von der lokalen Polizei mit Unterstützung von rund 1000 mit Macheten und Stahlrohren bewaffneten Einheimischen niedergeschlagen wurde. Schon im Februar dieses Jahres forderten gewaltsame Auseinandersetzungen auf Manus einen Toten und 70 Verletzte, als Einheimische in die Lager eindrangen und die Flüchtlinge angriffen.
Bisher gab es diesmal noch keine Toten zu beklagen, 58 der Rebellierenden wurden nach Angaben der BBC verhaftet. Doch entgegen der Behauptungen des Ministerpräsidenten und seines Einwanderungsministers hält der Hungerstreik immer noch an. Einige verbarrikadierten sich hinter den hohen Drahtumzäunungen. Manche greifen zu zunehmend drastischeren Mitteln, trinken Reinigungsmittel, schlucken Rasierklingen oder nähen sich den Mund zu.
Achtzig der Lagerinsassen wandten sich in einem Schreiben an die Regierung in Canberra und warnten, eine Katastrophe bahne sich an. Gleichzeitig baten sie die Vereinten Nationen zu intervenieren. Einige der Protestierenden, so stellten australische Menschenrechtsanwälte fest, waren aus ihren Heimatländern geflohen, weil sie dort als Homosexuelle verfolgt wurden. „Und nun fürchten sie sich davor, in Papua Neuguinea angesiedelt zu werden – wo Homosexualität illegal ist“, wie die australische Anwältin Jennifer Robinson erklärt, die an der Universität von Sydney lehrt und auch zum Team der Verteidiger des WikiLeaks-Gründers Julian Assange zählt. „Australien verstößt gegen das Gesetz, wenn es Asylanten weiterhin in Lager schickt, wo sie nach Ansicht der Vereinten Nationen unter inhumane Bedingungen leben und erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind. Wir verstoßen gegen unsere internationalen Vepflichtungen.“
Video:
Quellen: unhcr.de/journal21.ch vom 05.02.2015
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