Mit der Begründung der Terrorbekämpfung schränken Regierungen gerne mal die Rechte ihrer Bürger ein. Jetzt soll ein Gesetz aus England die Verschlüsselung privater Daten komplett verbieten.
Bei jedem Anschlag in der Europäischen Union seit dem 11. September nutzen Poltiker das Momentum der Angst, um zahlreiche Vorschläge aus der Schublade zu holen, für die man sonst massiv Kritik einstecken würde – eben weil Grundrechte damit außer Kraft gesetzt werden. Auch nach den Anschlägen in Paris gibt es zahlreiche Ideen. Hierzulande dominieren die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung, leider ein netzpolitischer Zombie und die lange Speicherung unserer Flugdaten (und wahrscheinlich demnächst sonstiger Mobilitätsdaten) – quasi die Vorratsdatenspeicherung der Lüfte. Leider scheint es gesetzt, dass wir beides demnächst wieder live erleben werden.
Aber den Vogel schoß der britische Premierminister David Cameron ab. Großbritannien schafft es immer wieder, die Latte an Überwachungsmaßnahmen nochmal ein Stück höher zu legen. Der Vorteil der überwachungsfreundlichen Briten ist, dass sie dabei keine Verfassung und damit kein Bundesverfassungsgericht stören kann. In Großbritannien gibt es sowas nicht. Leider geriet es etwas in den Hintergrund der Snowden-Enthüllungen, dass der britische Geheimdienst GCHQ oft die Drecksarbeit für die NSA macht, zumindest nicht weniger böse. Dazu gehört auch das Echtzeit-Datenkabel-Überwachungsprogramm Tempora, was zahlreiche Unterseekabel anzapft, die über Großbritannien laufen. Und die Inhalte mindestens drei Tage speichert und rastert. Die Inhalte unserer Kommunikation.
Nun gibt es den Trend, genau deswegen Kommunikation mehr zu verschlüsseln. Das ist richtig und vernünftig. Zum Glück sind die Zeiten vorbei, wo Ingenieure das bei der Konzeption von neuen Kommunikationstechnologien immer vergessen haben. Alleine die Ankündigung von „WhatsApp“, dass jetzt die Kommunikation innerhalb des Messengers verschlüsselt ablaufen soll, dürfte rund 700 Millionen Nutzer besser absichern. Aber was macht man nun als Premierminister, dessen Geheimdienst es bis vor kurzem gewöhnt war, einfach mal alle Kommunikation bequem durchschnüffeln und speichern zu können? Cameron schlägt ein Kryptoverbot vor, dass er nach seiner möglichen Wiederwahl demnächst auf den Weg bringen will.
Dieser Vorschlag ist vollkommen absurd und gefährlich. Das ist damit vergleichbar, die Nutzung von Briefumschlägen zu verbieten und nur noch Postkarten zu erlauben. Unternehmen sind darauf angewiesen, dass ihre Mitarbeiter untereinander vertraulich kommunizieren können – alleine schon, um Geschäftsgeheimnisse zu sichern. Politiker sind darauf angewiesen, vertraulich miteinander kommunizieren zu können. Und wir als Privatpersonen sind darauf angewiesen, um unsere Grundrechte durchzusetzen, sicheres Onlinebanking zu betreiben und generell einfach Privatsphäre zu haben. Ebenso wie in unseren Schlafzimmern, hat David Cameron nichts in unserer Kommunikation zu suchen.
Wenn jetzt ein Nachbarstaat auf die absurde Idee kommt, Verschlüsselung zu verbieten, schädigt das nicht nur die Wirtschaft, sondern alle. Und auch die Vorratsdatenspeicherung kam über eine absurde Idee aus England später in unsere Gesetzgebung. Mit einem Kryptoverbot würde im Namen der Sicherheit mehr Unsicherheit geschaffen. Nur damit weitgehend unkontrollierte Geheimdienste mit riesigen Budgets einfach weiter überall reinschnüffeln und uns damit überwachen können.
Vielleicht haben wir ja Glück und Cameron wird nicht wiedergewählt. Damit dieser gefährliche Vorschlag im passenden Mülleimer landet.
Quellen: dpa/n24.de vom 15.01.2015
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