Drei Monate nach Erreichen des Kometen Tschuri und einen Monat nach der Landung des Roboters Philae liefert die Rosetta-Mission ihre erste Überraschung: Falls das Wasser der Erde tatsächlich aus dem Weltall stammt, so waren es nicht Kometen, die es hergebracht haben.
Die Erde ist bei weitem nicht der einzige Himmelskörper des Sonnensystems, auf dem Wasser zu finden ist. Einige der Jupiter- und Saturnmonde etwa dürften über einen regelrechten Panzer aus kilometerdickem Eis verfügen, unter dem sogar Wasser in flüssiger Form vermutet wird. Im Unterschied zu diesen klirrend kalten Welten besitzt unser Heimatplanet jedoch ausgedehnte Ozeane an seiner Oberfläche. Rund 70 Prozent der Erde sind von ihnen bedeckt. Woher all dieses Wasser allerdings stammt, ist trotz jahrzehntelanger Forschung immer noch ungeklärt.
Zahlreiche Theorien über die Herkunft des lebensspendenden Elements werden mittler-weile in der Fachwelt diskutiert. Kürzlich erhielt durch die Analyse von Bruchstücken des Asteroiden Vesta eine These Auftrieb, wonach unsere Erde bereits zum Zeitpunkt ihrer Geburt ein „nasser“ Planet war. Wassereinschlüsse in sogenannten kohligen Chondriten aus der Anfangszeit des Sonnensystems legen nahe, dass ein Großteil des heute vor-handenen Wassers von der molekularen Wolke stammt, aus der auch unsere Sonne und die übrigen Planeten entstanden sind.
Die Studie widerspricht älteren Szenarien, die davon ausgehen, dass das Wasser erst nachträglich aus dem Weltall auf die Erde gelangte. Kometen galten in diesem Zusammen-hang lange Zeit als wahrscheinliche Wasserlieferanten, aber auch Asteroiden werden als vielversprechende Kandidaten gehandelt. Nun musste die Annahme, dass Kometen dereinst der Erde das Wasser brachten, durch Beobachtungen im Rahmen der ESA-Kometenmission „Rosetta“ einen weiteren Dämpfer hinnehmen. Allerdings kam der entscheidende Hinweis nicht von „Philae“, dem am 12. November unter weltweiter Anteilnahme auf 67P/ Tschurjumow-Gerassimenko gelandeten Minilabor.
Die „Rosetta“-Sonde selbst lieferte mit ihrem Massenspektrometer „Rosina“ möglicher-weise entscheidende Puzzlestücke, die die Herkunft der irdischen Ozeane erhellen könnten. Das Instrument analysiert den chemischen Fingerabdruck von Wasser und anderen Gasen, die der Komet ausstößt.
(Verhältnis Deuterium (D) zu Wasserstoff (H – engl. Hydrogen) im Sonnensystem)
Mehr Deuterium als erwartet
Kathrin Altwegg von der Universität Bern, die „Rosina“ mitentwickelte, hat gemeinsam mit Kollegen die aktuellsten Messwerte untersucht und ist dabei auf eine Überraschung gestoßen: Das Verhältnis zwischen Wasserstoff und dem Wasserstoff-Isotop Deuterium in den Ausgasungen von „Tschuri“ sieht völlig anders aus als jenes der irdischen Wasser-vorkommen. Wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe von „Science“ schreiben, ent-halten jene dreimal mehr von dem sogenannten „schweren Wasserstoff“ als das Wasser der Erde – was nach Ansicht der Wissenschafter dafür spricht, dass Asteroiden eher als Wasserbringer in Frage kämen.
Damit ist 67P/Tschurjumow-Gerassimenko auch im Vergleich zu anderen Kometen ungewöhnlich reich an Deuterium. Die Messungen lassen nicht nur Kometen als Über-bringer des terrestrischen Wassers immer fragwürdiger erscheinen, sie führen auch dazu, dass Astronomen die Herkunft der kurzperiodischen Kometen aus der sogenannten Jupiter-Familie wohl neu bewerten müssen.
Der Unterschied kommt vom Deuterium. Das Wasserstoff-Atom, das einfachste und am häufigsten im Universum vorkommende Atom, besteht aus einem Proton und einem Elektron. Das Deuterium-Atom hingegen enthält zusätzlich noch ein Neutron.
Damit sich Wassermoleküle (die aus Wasserstoff und Sauerstoff bestehen) mit Deuterium aufladen können, braucht es sehr tiefe Temperaturen, wie sie am kalten äusseren Rand des Sonnensystems herrschen, wo die Kometen kreisen. Und je weiter weg von der Sonne ein Komet entstanden ist, desto mehr Deuterium enthält er.
Die Überraschung ist nicht absolut. Die (ebenfalls an der Universität Bern durchgeführte) Analyse der Daten der Sonde Giotto nach deren nahem Vorbeiflug am berühmten Halley-Kometen 1986 zeigten eine zwei Mal höhere Deuterium-Konzentration als bei irdischem Wasser.
Die großen Unterschiede in ihren Deuterium-Wasserstoff-Verhältnissen lassen vermuten, dass einige der Kometen aus dem Kuipergürtel stammen, andere jedoch von weit draußen aus der Oortschen Wolke gekommen sind.
Und Leben?
„Als nächstes wird eine Publikation über pre-organische Moleküle folgen“, sagte Kathrin Altwegg von der Universität Bern, die Hauptforscherin des Rosina-Experiments. Denn während sie die Kometen als Quelle des irdischen Wassers ausschliesst, stellt die Ent-deckung ihrer internationalen Gruppe jene Hypothese nicht in Frage, nach der die grundlegenden „Bausteine“ des Lebens aus dem All gekommen sein sollen.
Seit langer Zeit fangen Spektrometer die Spuren von langen Kohlen- und Wasserstoff-ketten aus den interstellaren Wolken ein, in denen Sterne und Planeten entstehen. Und wie das Wasser finden sich diese Ketten ebenfalls überall in unserem Sonnensystem – wie auch auf Kometen und Asteroiden.
Das bedeutet, dass die Wissenschaftler noch vor einigen tollen Entdeckungen aus den Daten der Sonde Rosetta stehen, die noch bis mindestens nächsten Sommer ihre Runden um den Kometen Tschuri drehen wird.
Quellen: PRAVDA TV/ESA/derstandard.at/swissinfo.ch vom 11.12.2014
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