Softbots: Roboter verändern den Journalismus

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Autor: C-3PO – Roboter könnten künftig komplexere Texte als Aktienkurse und Sportergebnisse erstellen. Es gibt nur ein Problem: Wir können ihnen nicht vertrauen.

Roboterjournalisten bestehen aus Code. So wie der Erdbebenreporter Quakebot. Dessen erste Texte über Erdbeben waren zwar keine Meisterwerke und enthielten Fehler im Satzbau, aber jeder fängt mal klein an. Was Roboterjournalisten wie der Quakebot künftig leisten könnten, können wir uns noch kaum vorstellen. Das bringt Vorteile, macht aber auch vielen Angst.

Schon heute werden Roboterjournalisten eingesetzt. Die Softbots, wie sie auch genannt werden, schreiben bei Forbes Finanzberichte und bei der Los Angeles Times Erdbeben-meldungen. Auch die New York Times setzt sie ein. Laut dem Amerikaner Kristian Hammond von Narrative Science ist das nur der Anfang. Er vermutet, dass im Jahr 2030 neunzig Prozent aller Texte von Maschinen geschrieben werden.

Da eine Kontrolle durch Menschen noch nötig ist, werden die Softbots noch nicht für Analysen, Kommentare, Interviews und Reportagen eingesetzt. Emotionen ausdrücken, kreativ schreiben und analytisch denken können sie nicht. In der faktenorientierten Berichterstattung, etwa bei Berichten über Aktienkurse oder Sportspiele arbeiten sie aber um ein Vielfaches schneller, als der Mensch es jemals könnte.

Im Jahr 2013 zum Beispiel hat das US-amerikanische Unternehmen Automated Insights 300 Millionen Berichte durch Softbots erstellen lassen. Das waren Erstellungsraten von 9,5 Beiträgen pro Sekunde. Dieses Jahr sollen es mehr als eine Milliarde Texte werden.

Der erste Roboterjournalist in den Schlagzeilen

Auch Quakebot arbeitet schnell. So schnell, dass er für Kurznachrichten über Erdbeben eingesetzt wird – wie kürzlich in der Region Los Angeles. Sein Erfinder Ken Schwencke, Programmierer und Journalist bei der New York Times, hat den Algorithmus entwickelt.

Wie die Daten eines Softbots zur fertigen Nachricht werden, kann auf der Seite von Automated Insights nachgelesen werden. Anfangs werden Daten benötigt, die beispiels-weise in Form einer API, XML, CSVs oder einer Datei aus einer Tabellenkalkulations-software wie Excel oder Openoffice Calc vorliegen.

Dann werden die Daten ausgewertet und klassifiziert. Software-Metriken werden erstellt und angewendet. Mit ihrer Hilfe lassen sich von der Datenauswertung bis zum finalen Text unter anderem Fehler prognostizieren und der benötigte Aufwand lässt sich ein-schätzen. Daraus lassen sich wiederum Trends, Datensätze und mathematische Funktionen erkennen, die anschließend in einen historischen Kontext zusammengeführt werden. Damit ist die Analyse der Datensätze abgeschlossen.

Danach werden die Daten zu Muster und Trends aufbereitet, bevor sie in den gewünschten Kontext eingebaut werden. Eine Nachricht entsteht.

Laut Cord Dreyer, Medienexperte und Gesellschafter bei Text-On, bietet der Roboter-journalismus zukünftig die Möglichkeit, „die Interessen von sehr kleinen Zielgruppen abzudecken – wenn nicht sogar von einzelnen Menschen“. Die Technologie kann in Bereiche vordringen, in denen Journalisten gar nicht aktiv sind.

Dreyer ist überzeugt davon, dass die Textautomatisierung „mehr Aufklärung, Zusammen-hänge und Parallelen“ liefere und „zur Verbesserung des Journalismus beitragen kann“.

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Auch Lorenz Matzat, Unternehmer und Journalist, erkennt im Roboterjournalismus die große Chance für den Journalismus. Er sagt: „Den größten Nutzen wird der Leser haben, weil er sich maßgeschneiderte, standortbezogene Informationen vom Roboterjournalisten erstellen lassen kann. Es muss nicht super sein, es muss nur gut genug sein, um es lesen zu können.“

Der Roboter hat keine Meinung

Außerdem wäre „keine Gesinnungsprüfung bei Redakteuren“ mehr notwendig, da man sich einfach die Programmierung anschauen könne, „sprich, das Verfahren, wie ent-schieden wird, was berichtenswert ist und was nicht“. Matzat ist auch davon überzeugt, „dass man eine gewisse Bewertung eines Vorgangs einprogrammieren“ könne. Damit würden Algorithmen journalistische Standards einhalten. Schließlich sei das alles nur eine Frage der Programmierung und des Designs der Software, sagt Matzat.

Das sieht der Deutsche Presserat anders. Dessen Referent Oliver Schlappat ist der Meinung, dass nicht alles einprogrammiert werden könne: „Die ethischen Grundsätze können für eine Software nicht gelten, denn sie wird keinen Sinn für Ethik haben können. Dennoch gelten für die mit ihrer Hilfe generierten Inhalte die gleichen Grundsätze, die für die von Redaktionen generierten Inhalte bisher auch gelten, denn die Redaktionen sind es, die für die veröffentlichten Inhalte verantwortlich sind und für eventuelle Verstöße die Verantwortung übernehmen müssen“, sagt Schlappat. Der Pressekodex gelte auch für den Betreiber der Software.

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Wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen

Medien müssen sich auf jeden Fall mit dem Thema Roboterjournalismus auseinander-setzen. Denn wie bei jedem Technologietrend besteht das Risiko, Innovationen zu ver-schlafen.

James Kotecki von Automated Insights sagt: „Medienunternehmen, die nicht den Roboterjournalismus umarmen, laufen Gefahr, hinter die Konkurrenten zu fallen, welche dann mehr Inhalte produzieren und deren Journalisten mehr Freiheiten für interessantere, höherwertige Arbeit haben.“

Damit gebe es für Angestellte mehr Zeit für Recherchen, Reisen und damit schließlich auch mehr Ressourcen, um investigativem und qualitativem Journalismus nachzugehen. Journalisten würden weniger unter Druck stehen, etwa einen Artikel in einer bestimmten Zeit und mit einer größtmöglichen Reichweite zu erstellen.

Matzat sieht das ähnlich: „Ich glaube, wenn ein Verlag schlau ist und es gute Roboter-journalismus-Software gibt, dann nutzt er die Möglichkeit, die Alltagsarbeit erledigen zu lassen und Ressourcen anders zu verwenden.“

Wie genau Ressourcen anders verwendet werden können, sagt Ryan Thornburg, Professor an der Schule für Journalismus und Massenkommunikation in North Carolina, USA: „Die Daten geben das Wer, Was, Wann und Wo vor, und die Journalisten sind fähig, sich auf das Wie zu konzentrieren. Sie können das tun, worin Menschen gut sind, und Computer tun das, worin sie gut sind.“

Während der Roboter Zahlen und Fakten auswerte, könne sich der Reporter auf seine Hauptaufgabe konzentrieren, sagt auch der Journalist Julius Tröger von der Berliner Morgenpost. Tröger weiß, wovon er spricht. Im Online-Angebot seiner Zeitung gibt es eine halbautomatisierte Informationsseite zum Thema Feinstaub. Die Berliner Morgenpost ist eine der wenigen deutschen Medienseiten, in denen Softbots eingesetzt werden.

Dass in Deutschland weniger Roboterjournalisten eingesetzt werden als bei englisch-sprachigen Medien, liegt laut Matzat an der wesentlich „komplexeren deutschen Semantik“. Auch die Skepsis gegenüber der IT ist hierzulande ein Grund für Entwicklungsverzögerungen. „Das Klima ist nicht unbedingt das beste“, sagt Matzat.

Das liegt vielleicht auch an der Angst vor dem Arbeitsplatzverlust. Jürgen Wursthorn, Pressesprecher der Agentur für Arbeit, sagt: „Der Roboterjournalismus könnte möglicher-weise kurzfristig in einzelnen Sparten des Journalismus, wie zum Beispiel im Nachrichten-journalismus, Arbeitsplätze gefährden.“

Eine generelle Bedrohung sieht Wursthorn aber nicht. Im Gegenteil. „Für Nachrichten-redakteure würde sich lediglich die Tätigkeit ändern“, sagt Wursthorn. Zusätzlich würden in der Programmierung neue Arbeitsplätze entstehen. Denn die Softbots müssten ständig verbessert werden.

Roboterjournalisten werden intelligenter

Die Software, die hinter der Textgenerierung steckt, wird nicht nur in der Lage sein, eigenständig Artikel zu veröffentlichen, sondern auch eine nützliche Hilfe, um Informationen zur Weiterverarbeitung zu beschaffen. „Journalisten sollten sich mit den Vorzügen von Roboterjournalisten als eine Art persönlicher Assistent beschäftigen“, sagt Journalist Tröger.

Die Assistenz in der Redaktion könnte also so aussehen, dass der Roboassistent automatisiert recherchiert, Fakten überprüft, soziale Medien, Sensornetzwerke und Datenbanken scannt, Websites sowie Radio- und TV-Sender überwacht und auswertet. Doch können die gelieferten Daten einfach so übernommen werden?

Presserat-Referent Schlappat hält es für „gefährlich, wenn der Journalist aus Fleisch und Blut zunehmend durch Automatismen ersetzt und nur noch Findungssysteme über den Inhalt entscheiden würden“. Schlappat hätte vor allem große Bedenken, wenn Redaktionen und Journalisten den generierten „Daten blind vertrauen würden“.

Das Berufsbild des Journalisten könnte sich verändern

Er sieht nämlich gerade darin „die Schlüsselaufgabe des Journalismus, Daten nicht nur zu finden und unreflektiert an den Leser durchzureichen, sondern sie auch kritisch zu hinter-fragen und auf Plausibilität zu prüfen und darauf basierend auszuwerten“. Seiner Meinung nach ist der Roboterjournalismus viel eher als Tool zu verstehen, das den Journalisten viele Aufgaben erleichtert, um möglichst schnell zu arbeiten – sofern den Daten-auswertungen nicht aus purer Notwendigkeit blind vertraut wird.

Tröger von der Berliner Morgenpost hat ebenfalls Bedenken: „Die größte Stärke ist gleichzeitig auch die größte Schwäche: Bei der reinen, automatisierten Datenverarbeitung machen Algorithmen bestimmt weniger Fehler als Journalisten. Allerdings erkennt die Software nicht unbedingt auf den ersten Blick eine fehlerhafte Datenlage. Auch beim Roboterjournalismus sollte daher das Vier-Augen-Prinzip gelten.“

Außerdem sollten seiner Meinung nach „automatisiert generierte Texte transparent gekennzeichnet werden“. Das sei für den „Leser zur Einordnung wichtig“. Demnach sollte keine Software allein auf die Leser losgelassen werden. Denn die journalistische Verantwortung können nur Menschen tragen.

Quelle: Zinkglobal/golem.de vom 10.12.2014

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