Wirtschaft des Landes leidet insbesondere unter niedrigem Ölpreis und Rubelschwäche / Sanktionen des Westens treffen insbesondere den Banken- und Energiesektor.
Russlands Wirtschaft ächzt unter geopolitischen Spannungen und fallendem Ölpreis. Die Behörden in Moskau warnen bereits vor einer Rezession. Doch in der russichen Führung herrscht Streit darüber, wie ernst die Krise wirklich ist.
Der sinkende Ölpreis und die Sanktionen des Westens lassen Russlands Wirtschaft im kommenden Jahr voraussichtlich schrumpfen. Das Wirtschaftsministerium warnte am Dienstag in Moskau vor einer Rezession. 2015 dürfte die russische Wirtschaftsleistung um 0,8 Prozent abnehmen, sagte der stellvertretende Wirtschaftsminister Alexej Wedew Agenturen zufolge. Zuvor hatte die Regierung noch ein Wachstum von 1,2 Prozent erwartet. Es wäre die erste Rezession in Russland seit 2009. Dem Wirtschaftsministerium zufolge sei der Ausblick vor allem im ersten Quartal negativ, ab der zweiten Jahreshälfte werde eine leichte Erholung erwartet.
Finanzminister Anton Siluanow kritisierte die Prognose dennoch als zu düster. Bei der Prognose handle es sich nicht um eine abgestimmte Position der Regierung, sondern um einen vorläufigen Ausblick, sagte Siluanow. Ein Wachstum von bis zu drei Prozent 2016 sei bei einem Ölpreis von 80 Dollar je Barrel (159 Liter) nicht ausgeschlossen, meinte Siluanow. Derzeit liegt der Ölpreis niedriger. Der Finanzminister kritisierte außerdem, dass den Berechnungen des Wirtschaftsministeriums ein zu niedriger Rubelkurs zugrunde liege.
Der Kurs der russischen Währung hängt stark von der Ölpreisentwicklung ab: Sinkt der Preis für die Ressource wie zuletzt, fällt auch der Rubelkurs. Kostete etwa ein Euro Anfang des Jahres noch rund 45 Rubel, so müssen die Russen inzwischen mehr als 60 Rubel für einen Euro auf den Tisch legen.
Der Ölpreis hat seit Jahresbeginn um rund 30 Prozent nachgelassen. Regierungschef Dmitri Medwedew hofft nun auf eine Entspannung am Energiemarkt. »Jetzt wäre es gut, wenn das Öl etwas teurer würde, den Rest können wir machen«, sagte er beim Besuch einer Raffinerie.
Wegen der anhaltenden Rubel-Schwäche rechnet das Wirtschaftsministerium für 2015 mit einem Kapitalabfluss von 90 Milliarden Dollar (72 Milliarden Euro) statt wie bisher angenommen von 50 Milliarden Dollar. Für 2014 gehen die Behörden zudem von einer Kapitalabwanderung in Höhe von rund 125 Milliarden Dollar aus.
Unsicherheit lösen die Sanktionen zwischen Russland und dem Westen aus. Wegen der Ukraine-Krise haben die EU und die USA das Riesenreich mit harten Strafmaßnahmen belegt, die vor allem russische Banken und den wichtigen Energiesektor treffen. Russland stoppte daraufhin den Import bestimmter Lebensmittel aus dem Westen. Der Schaden durch die Sanktionen für die russische Wirtschaft wird auf rund 40 Milliarden Euro in diesem Jahr geschätzt.
Fallender Ölpreis, Kapitalflucht und Sanktionen: Die wirtschaftlichen Probleme reißen auch ein Loch in den russischen Staatshaushalt. Wedew sagte, er erwarte einen Verlust für den Etat 2015 von rund 90 Milliarden Dollar.
(Zerstörtes Haus in Lugansk)
NATO bringt »Speerspitze« gegen Russland in Stellung – Putin stoppt South Stream Gas-Pipeline
Die Nato hat Russland am Dienstag ein weiteres Mal aufgefordert, die Unterstützung für die Separatisten in der Ostukraine einzustellen und Truppen aus der Region abzuziehen. Es sei »sehr wichtig«, dass Moskau die militärische Versorgung der Rebellen einstelle, die vereinbarte Waffenruhe beachte und seine Truppen aus der Ukraine zurückziehe, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg vor Beginn eines Nato-Außenministertreffens in Brüssel. Moskau habe auch verhindert, dass die vereinbarte Beobachtermission an den Grenzen der Ukraine umgesetzt wurde.
Das westliche Militärbündnis unterstützt die Ukraine fortan bei der Modernisierung ihrer Streitkräfte. Das erklärte die Allianz nach einem Treffen der Nato-Ukraine-Kommission am Dienstag in Brüssel. Vier Treuhandfonds und dazugehörige Projekte seien nun »einsatzbereit«. Kiew erhält Geld insbesondere für die Modernisierung von Kommunikation, Logistik, Cyber-Abwehr und die Versorgung von verletzen Soldaten. Stoltenberg sprach von einem »Schlüsselsignal der Nato-Unterstützung«.
Als erste Zeichen der Entspannung in der umkämpften Ostukraine nach Monaten werteten es Beobachter, dass sich die ukrainische Regierung und die prorussischen Separatisten am Montag auf eine Waffenruhe in der abtrünnigen Region Lugansk geeinigt haben. Am Dienstag verkündeten die Separatisten auch für den Flughafen Donezk eine Feuerpause. In einer Erklärung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zur Waffenruhe in der Region Lugansk hieß es am Montagabend, auch die russische Seite habe »dem Prinzip einer vollständigen Feuerpause an der Frontlinie ab dem 5. Dezember« zugestimmt. Ab Samstag sollen die schweren Waffen abgezogen werden.
Das neue Abkommen über eine »vollständige Feuerpause« für Lugansk kam laut OSZE bei Verhandlungen zwischen dem ukrainischen General Wolodymyr Askarow und dem russischen General Alexander Lenzow am 29. November zustande. Am Montag hätten die beiden Generäle überdies die Grundlage für die Waffenruhe am Donezker Flughafen gelegt, verlautete von den ukrainischen Streitkräften.
Ungeachtet neuer Informationen über einen Waffenstillstand in Donezk zeigte sich Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier besorgt über die Lage in der Ostukraine. »Wir sind leider insgesamt nicht so weit, wie wir gerne sein würden«, sagte der SPD-Politiker am Dienstag zum Auftakt eines Treffens der Nato-Außenministger in Brüssel. Zu jüngsten Berichten über eine neue Waffenruhe am Flughafen von Donezk und in Lugansk wollte er sich noch nicht äußern. Er könne noch nicht einschätzen, ob die Informationen Substanz hätten, sagte der Minister.
Seit Ende August hat Russland mehr als 8000 Tonnen Hilfsgüter in die kriegsgebeutelte Ostukraine gebracht. Es handelt sich um Trinkwasser, Nahrung, medizinische Versorgung, Brennstoff und andere dringend benötigte Bedarfsgüter.
Steinmeier appellierte an Russland und die Ukraine, wieder Gespräche zur Umsetzung des Minsker Abkommens für einen Waffenstillstand in der Ukraine aufzunehmen. »Bedauerlicherweise« sei seit der Unterzeichnung der Vereinbarung Anfang September »nichts Entscheidendes vorangegangen«, sagte Steinmeier zum Auftakt des NATO-Außenministertreffens in Brüssel. Nachdem es auf Basis des Abkommens noch einen Gefangenenaustausch gegeben habe, müsse nun auch die vereinbarte Entflechtung der Konfliktparteien an der Grenze umgesetzt werden.
Das Außenministertreffen im NATO-Hauptquartier dient unter anderem dazu, das Bündnis gegen Russland in Stellung zu bringen. So geht es um die Schaffung einer eine neuen schnellen Eingreiftruppe (»Speerspitze«), die vom Nato-Gipfel im September vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise beschlossen worden war. Die Truppe soll im Notfall binnen weinger Tage beispielsweise ins Baltikum oder nach Polen verlegt werden können.
Am Aufbau der Eingreiftruppe soll sich nach dpa-Informationen im nächsten Jahr auch das Panzergrenadierbataillon 371 aus Marienberg in Sachsen beteiligen. Der Gefechts-verband ist als zweiter großer Beitrag der Bundeswehr neben dem Deutsch-Niederländischen Korps in Münster vorgesehen. Zu dem Bataillon »Marienberger Jäger« gehören rund 900 Soldaten.
Die sogenannte Very High Readiness Joint Task Force (VJTF – Deutsch: Gemeinsame Einsatztruppe mit sehr hohem Bereitschaftsgrad) wird im Rahmen der 2003 geschaffenen Nato Response Force (NRF) aufgestellt. Sie soll aus Landstreitkräften bestehen, denen auch Luft-, See- und Spezialkräfte zugeordnet werden. Derzeit wird mit rund 4000 Soldaten geplant. Parallel dazu will das Bündnis neue Stützpunkte mit Führungs- und Logistikexperten in Osteueropa – in den drei baltischen Staaten sowie in Polen, Rumänien und Bulgarien – einrichten. und dort insbesondere Waffen, Treibstoff, medizinische EInrichtungen und sonstiges Material bereitzuhalten. Nach einer Testphase in Deutschland soll die Nato-Speerspitze ab 2016 voll einsatzbereit sein.
Russland kappt Pipelinebau
Russland gibt der EU die Schuld am Aus für die geplante Gasleitung South Stream
Belgrad/Sofia/Moskau. Serbien hat als enger Partner Russlands das Aus für die Gasleitung South Stream bedauert. »Serbien war in keiner Weise an dieser Entscheidung beteiligt«, sagte Regierungschef Aleksandar Vucic am Dienstag dem Staatsfernsehen RTS. »Wir haben sieben Jahre in dieses Projekt investiert, aber wir zahlen jetzt den Preis für die Konflikte der Mächtigen«, ergänzte er. Vucic kündigte Gespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin an, um den Kremlchef eventuell umzustimmen.
Putin hatte am Montagabend überraschend bekanntgegeben, dass Russland seine Pläne für den Bau der Erdgasleitung zur Versorgung Südeuropas aufgibt. Das Projekt sei durch die »Blockadehaltung« der EU sinnlos geworden, sagte er. »Das war’s. Das Projekt ist geschlossen«, betonte auch Gazprom-Chef Alexej Miller in Ankara. Als Alternative hätten Russland und die Türkei den Bau einer Offshore-Pipeline vereinbart.
Putin kritisierte scharf, dass sich vor allem Bulgarien auf Geheiß der EU querstelle. »Die Position der EU-Kommission ist nicht konstruktiv und entspricht nicht den Wirtschafts-interessen Europas.«
Bulgarien hat bislang keine Stellungnahme aus Moskau über die Aufgabe des South-Stream-Projekts erhalten, wie Vize-Ministerpräsidentin Meglena Kunewa am Dienstag in Sofia sagte. Bulgarien sei dafür, dass es ein »wirtschaftlich günstiges Projekt gebe und das EU-Recht (dabei) eingehalten werde«, sagte die frühere EU-Kommissarin. Sofia hatte nach Bedenken aus Brüssel die Vorbereitung für den Bau des bulgarischen Abschnitts der South-Stream-Pipeline auf Eis gelegt, bis das Projekt im Einklang mit den EU-Regeln gebracht werde. Das einst kommunistsiche Balkanland hängt auch fast acht Jahre nach dem EU-Beitritt fast komplett von russischen Gaslieferungen ab.
Moskauer Medien zufolge hat Russland bisher rund 4,66 Milliarden US-Dollar (etwa 3,74 Mrd. Euro) in das Projekt investiert. Doch die Energiegroßmacht ist derzeit erheblich geschwächt, weil der Ölpreis sehr niedrig ist und die Konjunktur auch wegen der westlichen Sanktionen in der Ukrainekrise schwächelt. Beobachter schließen nicht aus, dass dies zur Entscheidung beigetragen haben könnte.
Durch die insgesamt 2380 Kilometer lange South-Stream-Leitung wollte Russland Gas durch das Schwarze Meer nach Bulgarien und von dort über Serbien bis nach Westeuropa pumpen. Vor dem Hintergrund des Ukraine-Konflikts hatten Kritiker des Projekts beklagt, dass die Leitung die nach Westen strebende Ukraine umgehe.
Die finanziell angeschlagene Ex-Sowjetrepublik ist das wichtigste Transitland für russisches Gas Richtung Westeuropa und auf die Einnahmen angewiesen, nutzt ihre Transitleitungen aber auch, um politisch Druck auszuüben.
»Russland wird seine Ressourcen in andere Regionen der Welt transportieren. Wir werden andere Märkte erschließen, und Europa wird diese Mengen nicht erhalten – jedenfalls nicht von Russland. Aber das ist die Wahl unserer europäischer Freunde«, sagte Putin. Russland hatte zuletzt eine weitgehende Partnerschaft mit dem energiehungrigen China vereinbart.
Der Kremlchef kündigte in Ankara zudem eine breite Wirtschaftskooperation seines Landes mit der Türkei an. Russland ist für die Türkei Gas-Hauptlieferant und baut zudem das erste türkische Atomkraftwerk. Russland pumpt derzeit auch durch die Nord-Stream-Leitung durch die Ostsee Gas nach Deutschland.
Quellen: PRAVDA TV/AFP/dpa/neues-deutschland.de vom 03.12.2014
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