Satellitendaten zeigen Dramatisches: Der Berg Uturuncu in den Anden schwillt rapide, offenbar steigen große Mengen Magma auf. Jetzt debattieren Forscher: Ist ein Supervulkan entstanden – oder ein Zombie-Vulkan?
Kein Zweifel, der Berg Uturuncu in den Anden Boliviens bietet Grund zum Gruseln. Das Dach des Hochgebirges hebt sich auf einer Fläche zehnmal so groß wie der Bodensee. Was geht vor im Untergrund? Strömen gigantische Mengen Magma an die Oberfläche? Ist der Uturuncu also ein erwachender Supervulkan, wie Forscher vermuten?
(Uturuncu im Süden Boliviens: Der 6000 Meter hohe Vulkan schien erloschen, sein Lavagestein verrät, dass sein letzter Ausbruch fast 300.000 Jahre zurückliegt. Doch nun regt sich der Riese, er scheint erwacht)
Allerdings könnte es sich auch um einen Vulkan handeln, der zwar nicht ausbricht, aber dennoch nicht tot ist – sondern unheimliche Lebenszeichen von sich gibt. Dann wäre der Andenberg ein „Zombie-Vulkan“, meint das Wissenschaftsmagazin „Discovery„. Jetzt fürchten Wissenschaftler nicht nur den Uturuncu, sondern auch den schillernden Begriff.
„Wissenschaftlich brauchen wir die Zombie-Vulkan-Option nicht“, schreiben drei Geoforscher auf dem Blog der American Geophysical Union (AGU). Für unruhige Vulkane ohne Eruption gebe es schließlich bereits die geologische Umschreibung „quiescent, but active“ („untätig, aber aktiv“). Doch kann der sperrige Terminus gegen „Zombie-Vulkan“ bestehen?
Metaphern-Dilemma der Wissenschaft
Die wissenschaftliche Literatur ist voll von bunten Metaphern, die zunächst abgelehnt wurden. Gemein ist den Begriffen, dass sie einprägsam sind, aber wenig präzise. Mit Ozeanförderbändern beschreiben Meereskundler das eigentlich chaotische Strömen der Meere. Selbst die bei Gelehrten ungeliebte Bezeichnung Gottesteilchen für das berühmte Higgs-Teilchen wurde von einem Physik-Nobelpreisträger geprägt.
Auch der Begriff Supervulkan ist mittlerweile als wissenschaftlicher Fachbegriff etabliert, nachdem er zuvor von Medien verwendet wurde. Als Supervulkane gelten laut Fachbuch Feuerberge, wenn sie mit einem Mal mehr als tausendmal so viel Material ausspucken können wie der Mount St. Helens 1980 in den USA bei einer der größten Eruptionen des 20. Jahrhunderts. Macht nun auch der Zombie-Vulkan Karriere?
Aber ist der Uturuncu überhaupt ein Untoter? Den Vulkan hatte noch vor Kurzem niemand auf der Rechnung, er schien erloschen. Das Alter seines Lavagesteins verrät, dass sein letzter Ausbruch fast 300.000 Jahre zurückliegt. „Die lange Zeitspanne bedeutet aber keineswegs, dass der Vulkan tot ist“, schreiben die drei Forscher um Matt Pritchard, Geophysiker an der Cornell University in den USA, in dem AGU-Blog. Auch andere Vulkane in den Anden hätten Hunderttausende Jahre zwischen ihren Ausbrüchen pausiert.
(Radardaten: Auf einer Fläche zehnmal so groß wie der Bodensee schwillt der Uturuncu kreisförmig an. Vor allem die Größe des Hebungsgebietes macht Forschern Sorgen)
Anschwellende Blase
Verwunderlich sei gleichwohl, dass sich der Uturuncu so rapide hebe – nach so vielen Jahren der Ruhe. Der Berg wachse um einen bis zwei Zentimeter pro Jahr, zeigen Satellitenmessungen. In der Tiefe sammeln sich offenbar große Mengen Magma: Erdbebenwellen verlangsamen sich im Boden – ein deutliches Zeichen, dass das Gestein dort teilweise flüssig ist. Wie ein riesiger Ballon schwelle die Magmablase, meinen Geoforscher – der Druck steigt.
Die Daten ließen darauf schließen, dass jede Sekunde etwa 1000 Liter Magma in ein Reservoir etwa 15 bis 20 Kilometer unter dem Vulkan aufstiegen, hat der Geoforscher Noah Finnegan von der University of California in Santa Cruz berechnet. Täglich schütteln leichte Beben den Berg. Das Zittern kündet vermutlich von aufsteigendem Magma, das sich durch den felsigen Untergrund zwängt und Gestein bersten lässt.
Auch andere Supervulkane wie die Phlegräischen Felder bei Neapel und der Yellowstone-Park in den USA sind zwar in Bewegung, ohne dass es in letzter Zeit Ausbrüche gegeben hätte. Doch einen bedeutenden Unterschied gibt es: Die Größe der anschwellenden, nahezu kreisrunden Beule des Uturuncu verblüfft die Forscher.
Was wird passieren?
Bedenklich erscheint die geologische Geschichte der Andenregion. In den vergangenen Jahrmillionen haben sich dort mehrere Supereruptionen ereignet. Braut sich unter dem Uturuncu die nächste zusammen? Die Folgen wären weltweit dramatisch: Asche- und Säurewolken von Supervulkanen lassen das globale Klima über Jahre abkühlen – das lassen schon die schieren Mengen des Materials vermuten, die Geologen bei Supervulkan-Ausbrüchen nachgewiesen haben. Der letzte liegt knapp 30.000 Jahre zurück; heutzutage käme es wahrscheinlich zu verheerenden Hungersnöten.
„Was passieren wird, können wir nicht vorhersagen“, sagt Matthew Pritchard von der Cornell University. Unmittelbar drohe vermutlich keine Gefahr am Uturuncu. Bislang haben Geologen keine Hinweise dafür entdeckt, dass die Bewegung des Vulkans schon länger andauert als 20 Jahre. Für eine Supereruption müsse sich wohl weitaus mehr Magma anstauen, meinen die Fachleute.
Beruhigend sei, schreiben Pritchard und seine Kollegen, dass die Häufigkeit von Supervulkan-Ausbrüchen in den Anden stetig gesunken sei im Laufe der geologischen Geschichte. Gut möglich wäre folglich, dass der Riese nur zuckt, ohne zum Leben zu erwachen. Wie ein Zombie.
(Heiße Schwefelquellen in Yellowstone: Die Magmahitze des Untergrunds wärmt Grundwasser. Auch unter dem US-Bundesstaat Wyoming brodelt so viel Magma, dass Supereruptionen drohen. Als Supervulkane gelten laut Fachbuch Feuerberge, wenn sie mit einem Mal mehr als tausendmal so viel Material ausspucken können wie der Mount St. Helens 1980 in den USA bei einer der größten Eruptionen des 20. Jahrhunderts)
Quellen: Cornell University/Reuters/SpiegelOnline vom 02.10.2014
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